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Österreich will Totalverbot beschließen

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Rund 110 Millionen Anti-Personen-Minen warten auf der ganzen Welt auf ihre Opfer. In nur einem Monat werden 800 Menschen durch Minen getötet und Tausende verstümmelt. Mehr als ein Drittel dieser Opfer sind Kinder.” Diese Zahlen riefen kürzlich die Gesellschaft „Rettet das Kind”, die „Kinderfreunde” und das österreichische UNI-CEF-Komitee in Erinnerung. Sie „fordern alle Parlamentarier auf, sich für ein uneingeschränktes Verbot von Produktion, Einsatz, Lagerung, Kauf und Export von Anti Personen-Minen einzusetzen”. Aktueller Hintergrund ist ein Gesetzesentwurf für ein AntiPersonen-Minen-Verbot, der dieser Tage im Innenausschuß des Parlaments behandelt wird.

Im Unterschied zu einem früheren Antrag soll nunmehr auch die umstrittene Unterscheidung zwischen de-tektierbaren und nicht detektierbaren beziehungweise „intelligenten” und normalen Minen fallen. Das bedeutet, daß auch Minen, die von Metalldetektoren entdeckt werden können und solche, die sich nach einer gewissen Zeit selbst zerstören („intelligent”), geächtet werden. Dieter Wesenauer, Generalsekretär von „Rettet das Kind”, wünscht sich freilich noch mehr. Seine Gesellschaft und die beiden anderen genannten Institutionen wollen auch die Richtsplitterladungen vom Verbot erfaßt sehen. Dabei handelt es sich im Unterschied zu den Minen um Geräte, zu deren Detonation die Mitwirkung von Personen (die Retätigung eines Auslösers) erforderlich ist. „Pur Kinder ist es egal, wie das Gerät heißt und funktioniert, durch das sie verstümmelt werden”, argumentiert Wesenauer; überdies könnten Richtsplitterladungen leicht jederzeit in Minen umgebaut werden.

Nur in diesem Punkt ist bei ÖVP-Wehrsprecher Karl Maitz eine Differenz zu Wesenauers Position auszumachen. Richtsplitterladungen, so Maitz, richteten sich nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen Panzer. Das eigentlich Schreckliche bei den Anti,-Personen-Minen - daß sie wahllos Opfer unter Soldaten aber eben in hohem Ausmaß auch unter der Zivilbevölkerung forderten, und das auch noch lange Zeit nach Reendigung des bewaffneten Konflikts - ebendies sei bei den Richtsplitterladungen nicht gegeben. Diese würden ausschließlich ganz gezielt zur Verteidigung gegen Panzer des Gegners eingesetzt, hiefür seien sie allerdings notwendig und daher nicht zu verbieten. Die von Wesenauer angesprochene Gefahr des Umbaus dementiert Maitz gar nicht, aber: „Letztlich ist alles als Waffe einsetzbar beziehungsweise mißbräuchlich”.

Davon abgesehen bekennt sich der steirische VP-Abgeordnete unmißverständlich zur „totalen Ächtung” jeder Art von Anti-Personen-Minen.

Mit dem neuen Anti-Personen-Minen-Gesetz nimmt Österreich eine Vorreiterrolle ein, ist der Obmann der Jungen Volkspartei (JVP), Werner Amon, überzeugt. Relgien möchte sich zwar selbst gern als „Vorreiter” sehen, doch sei dort das Minen-Totalverbot auf nur fünf Jahre begrenzt, und zudem enthalte das Gesetz eine Klausel, das eine Verwendung im Kriegsfall sehr wohl erlaube. Wie Maitz ist auch

Amon der Meinung, daß ein Verbot von Richtsplitterladungen nur von einem prinzipiell pazifistischen Standpunkt aus argumentierbar sei. Wenn man sich jedoch zur Landesverteidigung bekenne, so müsse man wohl auch Richtsplitterladungen tolerieren. Widerstände gegen den Gesetzesentwurf erwartet Amon von Seiten der Grünen und - eventuell - der Freiheitlichen („da weiß man nie genau, wofür sie gerade sind”); ansonsten sei Konsens in dieser Frage erzielt worden. Daß auch innerhalb der ÖVP die Totalächtung der Anti-Personen-Minen nicht immer selbstverständlich war, sieht der JVP-Obmann gelassen: heute sei die Parteilinie klar.

Indes, wenn es schon für einzelne Parteien schwierig ist, sich bei heiklen Fragen auf einen gemeinsamen Standpunkt zu einigen, so gilt dies naturgemäß umso mehr für die Staatengemeinschaft. Gerade Rüstungsangelegenheiten zählen zu den international besonders sensiblen Materien, deren Verhandlung oft besonders wenig ermutigend abläuft. Nur grenzüberschreitende Abkommen können hier freilich wirklichen Fortschritt bringen, das beste österreichische Gesetz kann nur Signalwirkung haben.

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