Österreichs EU-Tief ist hausgemacht

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Österreichs EU-Skepsis ist unabhängig von der jeweiligen Regierung und seit Jahren konstant.

Österreichs EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner hat das diesjährige Eurobarometer schon vor seiner offiziellen Veröffentlichung Anfang dieser Woche eine Rücktrittsforderung der Kronen Zeitung eingebracht. Angesichts der schlechten Umfragewerte, hat die Kommissarin gesagt, sie "schäme" sich für Österreich. Später stellte sie klar, ihre "Sorge und Enttäuschung" habe sie auf die politischen, wirtschaftlichen und medialen Verantwortungsträger auf allen Ebenen gemünzt.

Seit 1973 befragen zweimal pro Jahr nationale Meinungsforschungsinstitute im Auftrag der EU-Kommission eine jeweils repräsentative Stichprobe der Bevölkerung. In allen Mitgliedstaaten und Kandidatenländern bekommen die Interviewten (rund tausend pro Land) im gleichen Zeitraum die gleichen Fragen gestellt.

Was bedeutet die EU für Herrn und Frau Österreicher persönlich, hat das aktuelle Eurobarometer gefragt: Den Euro, antworten daraufhin 53 Prozent. Es folgen die Freiheit zu reisen, zu studieren und zu arbeiten (45 Prozent) - und die angebliche Geldverschwendung in der EU (44 Prozent).

Blind gegenüber EU-Vorteil

Drei Viertel der Befragten sind der Ansicht, Wirtschaft und Arbeitsmarkt stehen in Österreich besser da als andernorts in Europa. Mit diesen positiven Wirtschaftsdaten bringen die Österreicher aber nicht die EU in Zusammenhang: Nur jeweils 36 Prozent geben an, dass die österreichische EU-Mitgliedschaft eine gute Sache sei und dass das Land von der EU profitiere. 47 Prozent meinen, dass Österreich keine Vorteile durch die EU-Mitgliedschaft habe. Diese ist für 26 Prozent eine schlechte Sache - und für konstant rund ein Drittel (36 Prozent) "weder gut noch schlecht". Die EU-Befürworter nennen die bessere Zusammenarbeit mit anderen Staaten (41 Prozent) sowie mehr Wirtschaftswachstum (33 Prozent) als Hauptgründe. Die Gegner meinen, dass Österreich zu wenig Einfluss auf die EU-Entscheidungen habe (42 Prozent) und dass die EU die Arbeitsplätze gefährde (36 Prozent).

Bemerkenswert an diesen Ergebnissen ist zum einen die im Eurobarometer erhobene konstante Zufriedenheit der Österreicher in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Zum anderen liegt Österreich bei der Befürwortung der EU-Mitgliedschaft seit Jahren deutlich unter den EU-Werten (siehe Grafik). Obwohl das Land wirtschaftlich von der EU und deren Erweiterung profitiert. Für dieses Auseinanderklaffen sind mehrere Faktoren verantwortlich.

Anti-EU-Medienorgel

Herr und Frau Österreicher haben großes Vertrauen in die Medien, speziell in die Printmedien. Die weitaus am meisten gelesene Zeitung ist die Kronen Zeitung. Und diese führte und führt eine beispiellose Anti-EU-Propaganda, wiewohl dieselbe Zeitung vor Österreichs EU-Beitritt (unter derselben Leitung!) in ebenso beispielloser Form über die Vorteile des EU-Beitritts schrieb.

Dem Anti-EU-Kurs des mächtigsten Mediums des Landes wird seit Jahren keine entsprechende Argumentation entgegengesetzt. Mitunter - und so auch zuletzt wieder - suchen Regierungsmitglieder die Allianz mit dem verbreiteten Populismus. Man überlässt das Feld dem Boulevard. Mitunter verweisen Politiker auf die Holschuld der Bürger, damit diese über EU-Angelegenheiten besser informiert und gegen Propaganda besser gewappnet sind. Man agiert von oben herab.

Keine sexy EU-Nachrichten

Dass die eklatante Desinformation und die oberflächlichen oder oftmals allzu elitären Diskussionen über europapolitische Fragestellungen die EU-Stimmung in Österreich nachhaltig prägen, liegt auf der Hand - widergespiegelt wird sie seit Jahren in den unterdurchschnittlichen Werten beim Eurobarometer. Das Manko an europapolitischem Leadership und an überzeugten Europäern mit Vorbildwirkung sowie die Tatsache, dass auch in Österreich Politiker nicht zu Europa stehen, tragen ein Übriges dazu bei.

Wer erklärt dann den Bürgern die Zusammenhänge? Dass zum Beispiel der EU-Vertrag ein gemeinsames Vorgehen in Europas Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorsieht - wie von den Österreichern laut Eurobarometer gewünscht. Dass Österreichs positive Wirtschaftsdaten mit der EU-Mitgliedschaft und der EU-Erweiterung zusammenhängen. Das wird in der öffentlichen Debatte meist ausgeklammert.

Hinzu kommt, dass in unserer medialen Gesellschaft eine Nachricht sexy sein muss. Eine Eigenschaft, die der EU als Problemlösungsgemeinschaft fehlt. Die überdurchschnittliche EU-Kritik in Österreich ist großteils hausgemacht und hat sicherlich auch emotionale Gründe. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Skepsis bewusst nichts entgegensetzt wird. Weil dann Politikern und Meinungsmachern ein großer Reibebaum abhanden käme, um auf einfache populistische Weise Wähler, Leser oder sonstige Klientel zu gewinnen.

Die Autorin ist die Österreich-Berichterstatterin für das Eurobarometer.

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