Österreichs Neutralität passt jetzt zur EU

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Mit dem EU-Vertrag von Lissabon wurde auch die europäische Sicherheitspolitik auf neue Grundlagen gestellt. Für Österreich bedeutet das: Die Neutralität wird gestärkt, denn mit dieser Woche wird die UNO-Charta durch Nationalrats-Beschluss ein Teil der Bundes-Verfassung.

Wir Grüne wurden für unsere Zustimmung zum Vertrag von Lissabon vor allem auch deswegen kritisiert, weil durch diesen EU-Vertrag angeblich die Union militarisiert und die Neutralität Österreichs abgeschafft werde. Alle unsere Hinweise auf jene Bestimmungen im Vertrag, die der zivilen Konfliktprävention und Konfliktlösung förderlich sind, wurden mit dem Hinweis auf die Beistandsverpflichtung und der Möglichkeit auf völkerrechtswidrige Kampfeinsätze der Union vom Tisch gewischt. Unserem Argument, Einsparungspotenziale für eine intensivierte europaweite Zusammenarbeit der Militärs zu nutzen, wurde die Parole entgegengehalten, das sei eine Aufrüstungsverpflichtung. Unser Verweis auf die Stärkung der UNO im Lissabon-Vertrag wurde schlichtweg ignoriert.

Eine diese Woche im Nationalrat beschlossene Änderung der österreichischen Bundesverfassung kann nun hoffentlich diese sicherheitspolitischen Vorurteile, Ängste und Unklarheiten ausräumen.

Der Reformvertrag von Lissabon hat die EU-Sicherheitspolitik neu aufgesetzt: Artikel 3 benennt die neuen Ziele der Union. Als Erstes ist die Friedenspolitik verankert. Absatz zwei verlangt die strikte Bindung ans Völkerrecht, „insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“. Konfliktprävention und zivile Mittel stehen jetzt gleichberechtigt neben militärischen Einsätzen. Auch im Kapitel zum Auswärtigen Handeln und zur Gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU finden sich analoge Formulierungen.

Verwirrung in der Verfassung

Durch die Stärkung der Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente im europäischen Entscheidungsprozess hat sich mit dem Vertrag von Lissabon auch die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung in Österreich ergeben. Das BZÖ verweigerte jedoch generell und die FPÖ zog den Gang zum Verfassungsgerichtshof konstruktiven Verhandlungen über die Umsetzung des Reformvertrages vor – mit bekannt erfolglosem Ausgang.

So konnten wir Grüne als einzige proeuropäische Kraft in der Opposition thematisch Entscheidendes in die Verhandlungen zu dieser Novelle einbringen. Insbesondere die verfassungspolitische Verwirrung im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu beheben, war unser Ziel. 1998 hatte sich nämlich mit dem damals unter rot-schwarz-blauer Mehrheit angenommenen Artikel 23f Bundesverfassungsgesetz eine Entkoppelung österreichischer Auslandseinsätze von jeglicher völkerrechtlichen Bindung als Leitlinie für militärische Auslandseinsätze eingeschlichen.

UN-Regeln kamen mit Lissabon

Jetzt, zwölf Jahre später, wurden mit einer rot-schwarz-grünen Einigung in einem neuen Artikel 23j, Absatz 1 die völkerrechtlichen Bestimmungen aus dem Lissabon-Vertrag übernommen und „insbesondere die Wahrung beziehungsweise die Achtung der Grundsätze der Vereinten Nationen“ verankert. In der Begründung dieses rot-schwarz-grünen Antrags zur Verfassungsänderung ist zudem klargestellt, dass sich durch die neuen Bestimmungen zur Beistandsverpflichtung für die Neutralität Österreichs nichts verändert, „dass die Verpflichtung Österreichs aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs respektiert wird und die österreichische Neutralität auch durch den Vertrag von Lissabon gewahrt bleibt.“

In Zusammenschau mit den Bestimmungen des KSE-Gesetzes, die die Entsendung österreichischer Truppen regelt, wird durch diese Novelle eine Klärung für zukünftige Auslandsbeteiligungen herbeigeführt. Und auch in der Debatte für eine neue Sicherheitsdoktrin wird diese neue Linie des sicherheitspolitischen Engagements Österreichs eine nicht zu unterschätzende Wirkung entfalten.

Österreichs Verfassung ist in Fragen Äußerer Sicherheit denkbar unübersichtlich. Die sicherheitspolitischen Wegweiser zeigen in unterschiedlichste Richtungen. So ist unklar, ob das Bundesheer in erster Linie Landesverteidigung oder Auslandseinsätze macht. Oder ob Katastrophenschutz und der von uns Grünen abgelehnte Grenzeinsatz faktisch nicht viel wichtiger geworden sind als die in der Verfassung genannten Ziele. Überdies existiert der Einsatz nach innen im Art. 79 als museales Erinnerungsstück an den österreichischen Bürgerkrieg 1934. Im Verfassungsgesetz findet sich also ein Zielsetzungskompott, das für die Sicherheitspolitik und die sie primär tragenden Institutionen im Außenamt und beim Heer unverdaulich ist.

Der Lissabon-Vertrag liefert da Auswege: Er lässt mit der Irischen Klausel genug Raum für die zentralen Bestandteile der Neutralität, die in Österreich nach wie vor Basis für jede friedenspolitisch glaubwürdige Sicherheitspolitik sein muss. Die mehrfache positive Bezugnahme auf die Vereinten Nationen wiederum zeigt, dass die EU den Weg der Stärkung des Multilateralismus und der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen gehen will. Und schließlich bringt der Vertrag von Lissabon die wichtigste Neuerung für die europäische Sicherheits- und Friedenspolitik der Zukunft: die Einführung ziviler Mittel, womit für die Mitgliedstaaten ganz neue Anforderungen für Rekrutierung, Ausbildung und Entsendemodalitäten ziviler Friedenskräfte entstehen.

Anstoß für die Sicherheits-Doktrin

Ein Thema, das mir auch bei der gegenwärtigen Einrichtung des neuen Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) sehr wichtig ist, geht es doch auch hier darum, eine stärkere Komponente Krisenprävention, Krisenmanagement und Peace Building einzubauen. Die Grünen im Europaparlament setzen sich vehement dafür ein, die Etablierung einer eigenen Abteilung für zivile Konfliktbearbeitung im Rahmen des EAD durchzusetzen.

Bei der anstehenden Neufassung der österreichischen Sicherheitsdoktrin, für die ich sehr eintrete, spreche ich mich ebenfalls für eine klare Prioritätensetzung im Bereich der Krisenprävention und des zivilen Krisenmanagements aus. Vor allem muss eine flexiblere Basis für den Aufbau ziviler Einsatzkräfte in Österreich gefunden werden. Die völkerrechtliche Orientierung an UNO und die friedenspolitische Orientierung an der Neutralität in der eben beschlossenen Lissabon-Begleitnovelle sollten wir dabei als gute Grundlage für eine aktive Beteiligung an der konkreten Ausgestaltung des europäischen Friedensprojektes nützen.

* Die Autorin ist außenpolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen/EFA des Europäischen Parlaments und stv. Klubobfrau der Grünen in Österreich.

* Gastkommentar von Ulrike Lunacek

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