ÖVP Landesparteitag: Wiener Offensive
Die ÖVP bläst zum Angriff auf das Rote Wien. Am Landesparteitag schwor man sich – dramaturgisch perfekt – schon einmal darauf ein. Aber wie viel Relevanz hat das für die Machtverhältnisse nach der Wien-Wahl?
Die ÖVP bläst zum Angriff auf das Rote Wien. Am Landesparteitag schwor man sich – dramaturgisch perfekt – schon einmal darauf ein. Aber wie viel Relevanz hat das für die Machtverhältnisse nach der Wien-Wahl?
Die Inszenierung sitzt. Wie immer. Türkiser Teppich neben Backsteinbau. Entlang des Weges meterhohe Aufsteller mit Jahreszahlen, eine
„Timeline“: „2016 – Gernot Blümel wird gewählt.“ „2017 – Türkiser Stil begeistert.“ „2018 – Weichen sind gestellt.“ „Den Weg zusammen gehen“ steht über dem modernen Glasportal beim Eingang, und: „Jetzt geht’s los.“ Drinnen türkise Screens, die Slogans beleuchten, und türkise Spots, die die Wand beleuchten. An der Garderobe ausgewählte Gesichter der ÖVP-Jugend, man hat auch auf ein wenig Vielfalt der Teints geachtet. Wer am Buffet Kaffee ausschenkt oder Krapfen verteilt, trägt türkise Hosenträger. Draußen stehen die dunklen Audis A8 und Siebener-BMWs der Minister.
36. ordentlicher Landesparteitag der ÖVP Wien in der „Metastadt“ in Wien-Donaustadt, einem alten Industriegelände, kürzlich zur Event-Location umfunktioniert. Entschieden wird hier nichts an diesem Samstag, jedenfalls nichts Spektakuläres. Nicht so wie vor gut zwei Jahren in der Messe Wien bei den Kollegen der SPÖ. Als die Wahl, ob Michael Ludwig oder Andreas Schieder fortan die Wiener SPÖ führen soll, die Hauptstadt-Genossen spaltete wie einst Zwentendorf die Republik. Und als sich Hauptstadtjournalisten aller Medien die Messehallen-Klinken in die Hand gaben wie die Sonderschichten nach dem Ibiza-Video.
Blümels „Knackarsch“ und Ludwigs „Schnitzelgesicht“
An diesem Samstag in der Metastadt bewegt sich das Medieninteresse dagegen in den üblichen Dimensionen. Denn zu Gernot Blümel gibt es keinen Gegenkandidaten. Der türkise Finanzminister sitzt als Obmann der Wiener Landespartei fest im Sattel. Und neben den bundesweiten Zahlen für Türkis erhofft man sich auch vom „Ministerbonus“ des Spitzenkandidaten ein paar zusätzliche Prozentpunkte für die ÖVP bei der Wien-Wahl im Herbst.
In der großen Halle der Metastadt, lichtdurchflutet, beeindruckende Jahrhundertwende-Stahlkonstruktion, steht die türkise Bühne, „Zeit, aufzubrechen.“ an deren Front. Für einen Wahlkampfslogan erstaunlich präzise Beistrichsetzung, ist man sich im Mediensektor einig. Der über die Monate schon fast zum türkisen Inventar gewordene Peter L. Eppinger, einst Ö3-Moderator, seit der Machtübernahme durch Sebastian Kurz ÖVP-Einklatscher, begrüßt die Gäste – und den, um den sich an diesem Tag alles drehen soll: „Guten Morgen, Gernot!“ Nach einleitenden Worten und Totengedenken eine knappe Stunde Tagesordnung: Anträge, Berichte, Beschlüsse. Am Ende wird ein Leitantrag beschlossen sein: Gebühren und Steuern senken. Aufwertung von Grätzeln. „Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen“.
Der heimliche Höhepunkt des Tages aber kommt direkt danach: Nach Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess und dem Grazer VP-Bürgermeister Siegfried Nagl betritt nämlich einer die Bühne, der das Prädikat „Überraschungsgast“ fürwahr verdient hat: Gery Keszler, Gründer und langjähriger Organisator des Life Balls, und bislang eher als SPÖ-nahe verortet – wohl nicht ganz losgelöst von jahrelangen Zuwendungen der sozialdemokratischen Stadtregierung für seinen Charity-Ball.
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