Ohne Schwung und Ehrgeiz

Werbung
Werbung
Werbung

Belgien übernimmt den Ratsvorsitz in der EU. Für die „Frankfurter Rundschau“ ist das kein Grund zur Freude.

Belgien hat den Ruf eines unauffälligen Landes - und das scheint auch das Leitmotiv zu sein, wenn das Land am 1. Juli von Spanien den Ratsvorsitz der EU übernimmt. Vom kommenden Donnerstag bis zum Jahresende werden die Belgier die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten koordinieren und Hunderte Treffen auf Minister- und Beamtenebene leiten. Im ersten Halbjahr 2011 folgt dann Ungarn.

Die Hauptrolle will Belgien während des Ratsvorsitzes nicht spielen, sagen Noch-Premier Yves Leterme (Bild rechts) und sein Außenminister Steven Vanackere. Gern überlassen sie anderen den Vortritt: Dem ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy (ebenfalls Belgier) und der Außenbeauftragten Catherine Ashton. Zusammen mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso sind die drei die Gesichter Europas. So sieht es der EU-Reformvertrag von Lissabon vor, der seit vergangenem Dezember in Kraft ist. Leterme sagt, der Vertrag solle „im Wortlaut und im Geiste“ umgesetzt werden. Für ihn und seine Leute heißt das: Wir ziehen uns in den Maschinenraum zurück.

Die Dinge voranbringen

Ein paar Dinge wollen sie dennoch voranbringen: Die Regulierung der Finanzmärkte, nachhaltiges Wachstum, Klimaschutz, Fortschritte in der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik, Beitrittsverhandlungen und der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes - all das sind Themen, die ohnehin schon seit einiger Zeit auf der EU-Agenda stehen. Wie sehr sich die Belgier zurücknehmen, wird auch daran deutlich, dass der EU-Reisezirkus jetzt für ein halbes Jahr weitgehend zum Erliegen kommt. Bisher nutzten die Mitgliedstaaten ihren jeweiligen Ratsvorsitz stets auch, um das eigene Land zu präsentieren. Die Belgier hingegen wollen fast alle Treffen in Brüssel abhalten - dort, wo die EU-Routine zu Hause ist.

Wie lange noch Leterme?

Völlig offen ist, wie lange Leterme und seine Mannschaft überhaupt noch an Bord sein werden. Mitte Juni fanden Parlamentswahlen in Belgien statt. Die Vorbereitungen zur Bildung einer neuen Regierung laufen auf Hochtouren. Leterme wird in der belgischen Politik künftig keine Rolle mehr spielen. Wer als Premier folgt, ist offen - und das womöglich noch für Monate. Für die EU-Partner sei das aber kein Grund zu Beunruhigung, versichert Leterme. Das Programm des Ratsvorsitzes werde von allen Parteien, Regionen und Sprachgemeinschaften des Landes mitgetragen.

Vielleicht ist es ganz schlau, die Erwartungen gering zu halten. Das sieht man an Spanien, dessen Vorsitz nun zu Ende geht.Die Regierung von José Luis Zapatero wollte sich groß als europäische Mittelmacht in Szene setzen. Daraus wurde gar nichts. Madrid gab zuerst die Parole aus, auf einen Neustart der Konjunktur in Europa hinzuarbeiten. Tatsächlich musste es dann zusehen, nicht selbst in der Euro-Krise unterzugehen. Auch außenpolitisch lief fast nichts: US-Präsident Barack Obama sagte seine Teilnahme am EU-USA-Gipfel ab. Der Mittelmeer-Gipfel in Barcelona, als Höhepunkt des spanischen Ratsvorsitzes geplant, musste verschoben werden. Und der Plan, Europas Verhältnis zu Kuba zu verbessern, wurde gleich ganz begraben.

* Aus: Frankfurter Rundschau, 30. Juni 2010

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung