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Ohne Spekulation gäbe es gar keine Wohnungen"

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Während in Wien die Bevölkerungszunahme in den Jahren 1986 bis 1991 etwa fünf Prozent betrug, stieg der Ausländeranteil aber im gleichen Zeitraum um 28 Prozent. Dies führte zu sozialen Spannungen, die es abzubauen gilt, sollen Eskalationen verhindert werden. Zu diesem Zweck wurde der Wiener Integrationsfonds eingerichtet, der nach eigenem Selbstverständnis „neue Sichtweisen und Spielregeln im Umgang mit den ausländischen Mitbürgerinnen erarbeiten" soll.

Dazu gehört eine ganze Palette von Maßnahmen, meint Max Koch, Geschäftsführer des Integrationsfonds. Als erstes wurde ein Sen'icete-lefon installiert, das von In- und Ausländern benützt werden kann. Häufig geht es um Beratung, wie

Menschen mit verschiedenen Lebensgewohnheiten miteinander leben können. Dies geschieht in besonderem Maße in den Außenstellen, wo man sich um das Schlichten von Alltagsproblemen, also auch um Einzelfälle kümmern kann. Eine ist offiziell bereits im 20. Bezirk eröffnet worden, weitere werden folgen.

Als weiteres Ziel sieht Koch die Veränderung von gesetzlichen Bestimmungen. Bis jetzt ist es ausländischen Staatsbürgern nicht gestattet, Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen zu erwerben. Das führt zur Konzentration der Zuwanderer in ganz bestimmten Wohnvierteln und den damit verbundenen und häufig auch genannten Schulproblemen der Kinder und Jugendlichen. Als Beispiel zitiert Koch den Fall einer Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien, die mehrere hunderttausend Schilling im Laufe ihrer Wohnungs-wechsel in Wien verloren hat, da sie immer wieder zur Zahlung von Kautionen angehalten wurde, von denen sie nichts zurückbekam. Diese Frau hätte sich mit diesem Betrag längst in eine Genossenschaft einkaufen können und wäre mit Sicherheit kein Problemfall.

EINBÜRGERUNG UNERWÜNSCHT

Die Aufforderung, Fremde sollen die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben, gehe am Selbstverständnis der Betroffenen vorbei, meint Koch. Viele wollen ihr Altenteil in ihrer eigentlichen Heimat verbringen. Da aber etwa Menschen ohne türkische Staatsbürgerschaft in ihrer Heimat keinen Grund und Boden besitzen dürfen, würden sie ihr Häuschen verlieren. Sie wären Fremde in ihrem eigenen Land, ausgeschlossen von ihren Bürgerrechten. Als Ausweg aus dem Dilemma gibt es nur die Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Gewährung des Stimmrechts zumindest auf lokaler Ebene, will man Zuwanderer wenigstens zu mitverantwortlich denkenden und fühlenden Menschen rna-chen.

Zur Zeit sind die Verhältnisse der Zuwanderer, besonders im Wohnbereich, höchst unbefriedigend. „An sich ist Spekulation mit Wohnungen etwas Verwerfliches, doch um es ketzerisch zu sagen, gäbe es in Wien keine Spekulation, hätten die Fremden überhaupt keinen Wohnraum", meint Koch. Er weiß, seine politischen Forderungen sind Zukunftsmusik und viele gesellschaftliche Entwicklungen zeigen in eine andere Richtung. Doch ein Integrations-fonds muß Zukunftsperspektiven entwickeln, will er seinen Auftrag erfüllen.

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