Ortskaisers harter Thron

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Kein angemessenes Gehalt, keine soziale Absicherung und keine Nachfolger - dafür viel psychischer Arbeitsstress;

Bürgermeister ist schon lange kein Traumjob mehr, um den sich viele reißen.

Ohne Gegner ist leicht siegen - bei den letzten Gemeinderatswahlen im Bundesland Salzburg ist in 20 Prozent aller Gemeinden nur ein Bürgermeisterkandidat zur Verfügung gestanden - "ob das demokratiepolitisch gut ist, wage ich zu bezweifeln\0x201C, sagt Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer. Warum das Amt des Bürgermeisters derart an Attraktivität verloren hat, dass sich vielerorts niemand mehr dafür begeistern lässt, fasst Mödlhammer mit einem auf die Gemeindestube ummodellierten bekannten Spruch zusammen: "Bürgermeister werden ist nicht schwer, Bürgermeister sein dagegegen sehr.

Die empirischen Grundlagen für diesen ernüchternden Befund liefert eine aktuelle ifes-Studie zur sozialen Situation der Bürgermeister, an deren Ausarbeitung und Ergebnisauswertung der Wiener Arbeits-und Sozialrechtler Wolfgang Mazal federführend beteiligt war. Ein zentrales Ergebnis dieser Befragung lautet, dass sich die Hälfte der österreichischen Bürgermeister in ihrem Amt "stark belastet fühlt, ein Fünftel sogar "sehr stark belastet. Das braucht nicht zu wundern, wendet ein Bürgermeister im Schnitt doch rund 32 Wochenstunden für sein Amt auf - und das zum überwiegenden Teil (84 Prozent) nebenberuflich. Für Studienautor Mazal stellt sich angesichts dieser Zahlen die Frage: "Wie wir mit unseren Mandatsträgern umgehen und ob da nicht Leute verheizt werden?

Haftungsdruck lastet schwer

Als besonders belastend empfinden Bürgermeister die vor allem im Fördergelderbereich ausufernden EU-Vorgaben und den psychischen Arbeitsstress aufgrund der schweren Vereinbarkeit von Familie, nebenberuflicher Amts-und hauptberuflicher Erwerbstätigkeit. Viele Bürgermeister versetzt zudem der ständige Haftungsdruck, so Mazal, in einen "Zustand latenter Unsicherheit. Wobei die Belastung durch das Bürgermeisteramt bei den amtierenden Bürgermeisterinnen (73 von 2358 Bürgermeistern insgesamt in Österreich) generell schwerer ins Gewicht fällt. Mazal weist beispielsweise darauf hin, dass Bürgermeisterinnen die gesundheitliche Belastung durch ihr Amt als doppelt so hoch einschätzen wie ihre männlichen Amtskollegen (siehe auch Interview unten).

Viele Methusalems

40 Prozent der österreichischen Bürgermeister sind zwischen zehn und fünfzehn Jahre und noch länger im Amt - auch weil es oft sehr schwierig ist, geeignete Nachfolger zu finden, sagt Mödlhammer: "Das führt auch dazu, dass wir aus Mangel an Bewerbern extrem viele Methusalems unter den Bürgermeistern haben, die seit vielen Jahren dieses Amt ausüben, selbst aber zum Teil schon weit über 70 Jahre alt sind.

Nur gut ein Drittel der österreichischen Bürgermeister hat sich in das Amt gedrängt, lautet ein weiteres Ergebnis der Bürgermeister-Studie: 55 Prozent hingegen geben an, zum Amt überredet, sechs Prozent sogar, dazu gedrängt worden zu sein. Auffallend ist, ergänzt Wolfgang Mazal, "dass das aktive Anstreben der Funktion tendenziell geringer ist, je jünger der Bürgermeister ist.

Einen entscheidenden Grund für die geringe Begeisterung das Bürgermeisteramt anzustreben sehen Mödlhammer und Mazal unisono in der mangelnden sozialrechtlichen Absicherung der Gemeindechefs: "Aus der Bürgermeister-Tätigkeit allein gibt es keinen Pensionsanspruch, keine Arbeitslosenversicherung, kein Minimalmaß an sozialen Rechten, wie sie ansonsten jeder Arbeitnehmer genießt\, kritisiert Mödlhammer. Das ist für viele Interessierte ein gewaltiges Hemmnis, sich für diese Aufgabe bereitzustellen, vor allem deshalb, weil die meisten Kandidaten ja auch eine Familie versorgen müssen. Sozialexperte Mazal wiederum sieht in der mangelnden sozialrechtlichen Absicherung der Bürgermeister ein "Systemversagen, das in individuelle Biografien abgelagert wird.

Zudem haben sich die allgemeinen Erwartungen an die Gemeinde-Vorsteher völlig verändert: "Der Bürgermeister ist vom obersten Repräsentanten seiner Gemeinde zum Manager, Beichtvater, Psychologen, Behördenleiter und Mädchen für alles' geworden, sagt Mödlhammer und fügt hinzu: "Das Anforderungsprofil hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert, die sozialen Rahmenbedingungen haben sich aber nicht mitverändert.

Manager & Beichtvater

Auch die Einkommenssituation der Bürgermeister macht die Funktion nicht attraktiver: Zwei Drittel der Bürgermeister verdienen laut Studie unter 1600 Euro netto im Monat, was wiederum von 42 Prozent der Befragten als nicht bzw. gar nicht angemessene Entlohnung angesehen wird.

In der Entlohnungsfrage schlägt Mazal vor, die unterschiedlichen Gemeindeprofile und nicht allein die Größe der Gemeinde und das jeweilige Bundesland als Kriterium für die Höhe des Einkommens heranzuziehen. Darüber hinaus fordert er eine Grundsatzdiskussion darüber, welche Art von oberster Gemeindevertretung es in Zukunft geben soll: den Teilzeit-Repräsentations-Bürgermeister oder den Vollzeit-Manager-Bürgermeister? "Man muss darüber nachdenken, welche Aufgaben die Gemeinden in Zukunft tatsächlich übernehmen sollen und wer die Erfüllung dieser Aufgaben dann zu verantworten hat, meint Mödlhammer: "Wenn man sich dafür entscheidet, dass dies der Bürgermeister sein soll, dann muss man auch die dafür notwendigen sozialen Rahmenbedingungen schaffen, denn die unerfreuliche Alternative ist sonst: "Dass wir nur mehr Bürgermeister haben, die sich ihr Amt beruflich und finanziell leisten können.

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