Parlamente gefordert

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Mit der einen Ausnahme Irland müssen die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten den Vertrag von Lissabon bis zur Europawahl 2009 ratifizieren.

Der Vertrag von Lissabon muss in den kommenden Monaten in den 27 EU-Staaten ratifiziert werden. Allein in Irland ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Volksabstimmung vorgesehen. In allen anderen EU-Staaten werden die Parlamente das Vertragswerk ratifizieren. Dabei drängen die Spitzen der EU-Institutionen auf eine zügige Ratifikation: "Um zu diesem Ergebnis zu kommen, haben alle Regierungen politischen Mut unter Beweis gestellt. Ich fordere Sie jetzt auf, dieselbe Entschlossenheit während der Ratifizierungsperiode unter Beweis zu stellen", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist zuversichtlich, dass der EU-Vertrag in allen Mitgliedstaaten ratifiziert wird: "Ich rechne damit, dass alle mitziehen - und jeder, der in Lissabon unterschrieben hat, übernimmt natürlich auch die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass dieser Vertrag nun ratifiziert wird." Ein Scheitern des Reformvertrages würde "wieder mehrere Jahre der Selbstbeschäftigung" der Europäischen Union bedeuten, ist der Bundeskanzler überzeugt: "Europa braucht jedoch freie Hände, um "die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen."

Zur Frage einer Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag stellt Gusenbauer fest, dass das österreichische Parlament bereits die letztlich gescheiterte "Europäische Verfassung" ratifiziert hat. Und beim neuen EU-Vertrag ist das Argument einer "Fundamentaländerung der österreichischen Bundesverfassung" noch weniger stichhaltig, als es bei der EU-Verfassung gewesen ist. "Europa wird durch den Vertrag demokratischer und nicht weniger demokratisch", so der Bundeskanzler. Auch Dänemark, wo ausführlich darüber diskutiert wurde, ob eine Volksabstimmung abgehalten werden soll, hat sich dafür entschieden, "dass eine Ratifizierung durch das Parlament ausreicht, weil die Souveränität Dänemarks in keiner Weise in Frage gestellt wird", nennt Gusenbauer ein anderes europäisches Beispiel.

Unterstützung erhält der Kanzler vom Europarechtsexperten an der Universität Innsbruck, Walter Obwexer. In einem ORF-Interview betonte der Jurist, dass eine Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag in Österreich aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht erforderlich ist. Der Vertrag von Lissabon überträgt der EU zwar neue Zuständigkeiten und Österreich verliert etwas an Souveränität, doch der Vertrag beinhaltet keine Änderung der so genannten "Baugesetze" der österreichischen Bundesverfassung.

Eine andere Frage ist es, ob aus politischen Gründen eine Volksabstimmung stattfinden soll. Obwexer ist jedoch skeptisch gegenüber einer Volksabstimmung, denn der Vertrag von Lissabon hat einen "sehr komplizierten Aufbau" und seine Inhalte können "nur ganz schwer vermittelt werden". Außerdem würden bei einer Volksabstimmung vor allem EU-Ressentiments hochgespielt. Obwexer fürchtet, dass es deshalb bei einem Plebiszit nicht in erster Linie um den Vertrag selbst gehen würde, sondern "um andere Inhalte, die da hineinspielen".

Laut Obwexer übernimmt der Reformvertrag "zu weit über 90 Prozent" die Inhalte des Verfassungsvertrags für Europa. Aus "rein europarechtlicher und fachlicher Sicht" nennt Obwexer deswegen den Vertrag von Lissabon einen "guten Wein, der in eine schöne Flasche gefüllt war, so nicht verkauft werden konnte und jetzt in einer anderen Flasche wieder angeboten wird". Inhaltlich lobt Obwexer am EU-Vertrag, dass dieser die Union zu einem "internationalen Organ" werden lässt. Der Aufbau der EU wird "weit einfacher als heute" und die Union wird "verständlicher und vermittelbarer". Die EU-Bürgerinnen und Bürger bekommen mehr Mitspracherechte und weitere Zuständigkeiten und die EU wird mit dem Reformvertrag handlungsfähiger und stärker.

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