Paulus. Eine jüdische Sicht

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Seit dem 28. Juni 2008 läuft das Paulusjahr. Nach Wunsch von Benedikt XVI. soll es zur Beschäftigung mit diesem Paulus von Tarsus einladen: dem Pharisäer, der zum Völkerapostel wurde. Der Glaube des Paulus war der Glaube Israels: Gott hat sich den Vätern offenbart, hat seinem Bundesvolk durch Mose die Tora gegeben, hat durch die Propheten Israel oft genug zurechtgewiesen. Unverrückbar die Zusage: Er wird sein Volk niemals verstoßen, sondern erlösen. Die Hoffnung Israels war auch die Hoffnung des Paulus: auf baldige Ankunft des Messias. In der christlichen Urgemeinde wird daraus die Hoffnung auf Jesu Wiederkehr. Auch Paulus glaubte nämlich an das Ende einer dämonisierten Welt und den sichtbaren Sieg der Liebe über die Sünde.

Im Zentrum des Judentums steht, dass es die Unerlöstheit dieser Welt immer gespürt hat und sich deshalb nach dem Reich Gottes sehnte. Aber eine Erlösung, die nur für Visionäre und Mystiker erlebbar ist, ist für das Judentum keine Erlösung. Hier liegt für uns Juden der Irrtum des Paulus. Er macht aus dem Gehorsam gegen Gottes Gebot eine Schuld und raubt dem Menschen damit die Würde, sich aus eigener Kraft durch das richtige Handeln zu rechtfertigen.

An die Stelle dieser aktiven, unvermittelten Gottesbeziehung des Tuns stellt er die Allmacht von Gnade und Glauben. So macht er das Christentum zur "Mutter der Romantik" mit einem zutiefst passiven Menschenbild, dem das Empfangen und Erwarten alles ist, das verantwortliche Gestalten aber nichts. Der rechte Glaube steht bei Paulus über dem richtigen Tun. Dem Glauben wird die Macht der Erlösung zugesprochen. Und zwischen Gott und Mensch tritt die Vermittlung eines Erlösers. Hier trennen sich Judentum und Christentum. Und Paulus steht an der Wegscheide. Nimmt das Paulus etwas von seiner Größe? Nein. Denn wer aus Liebe irrt - bleibt. Noch sein Irrtum adelt ihn.

Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam.

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