Permanenter Ost-West-Transit

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Castel Gandolfo in der Wiener Spittelau.

Die Geschichte des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) ist im Grunde die einer seit mehr als 25 Jahren andauernden Urlaubsreise. Von einer solchen kehrte nämlich der polnische Philosoph Krzysztof Michalski (Bild) 1981 nicht zurück; stattdessen gründete er gemeinsam mit Cornelia Klinger, Klaus Nellen und dem Priester Józef Tischner in Wien das IWM, mit der Intention, eine Begegnungsstätte für Denker aus Ost und West zu schaffen. Der an Heidegger geschulte Philosoph besitzt nicht nur ungewöhnliche Überzeugungskraft, sondern unterhielt stets auch gute Beziehungen, unter anderem zu Papst Johannes Paul II., und so wuchs das IWM im Laufe eines Vierteljahrhunderts von einer Drei-Zimmer-Institution zu einer weltweit renommierten Einrichtung heran, die heute im früheren Hotel Eden an der Spittelauer Lände reisidiert und deren Jubiläumskonferenz zu eröffnen Bundespräsident Heinz Fischer sich nicht nehmen ließ.

Mehr als 500 Stipendiaten oder "Fellows" hat das IWM bisher beherbergt, Wissenschaftler und Journalisten, die für einige Monate frei von anderen Verpflichtungen in Wien ihre Projekte vorantreiben können. Seit 1990 gibt das Institut zudem die Zeitschrift Transit heraus, die mit ihrer 33. Ausgabe in diesem Jahr auch so etwas wie ein Jubiläum begeht: Einem mittelalterlichen Beobachter wäre jedenfalls aufgefallen, dass die Zahl 33 dem Alter Jesu bei seinem Tod entspricht. Der "Tod in der modernen Gesellschaft" ist das Thema der aktuellen Ausgabe, die sich außerdem mit dem tschechischen Phänomenologen und Charta-77-Märtyrer Jan Patocka befasst, dessen Leben und Wirken zu erforschen sich das IWM zur Aufgabe gemacht hat.

Autoren von Transit beschlossen die Jubiläumskonferenz im Wiener MAK am Sonntag mit einer Diskussion darüber, was von "Osteuropa" geblieben ist. Ivan Krastev aus Sofia amüsierte sich darüber, dass Osteuropa offenbar immer außerhalb der EU liegt, während die ukrainische Autorin Oksana Zabuzhko fand, dass die Unterscheidung von West- und Osteuropa ganz hinfällig ist. Die Ukraine jedenfalls bestehe nicht aus einem prowestlichen und einem prorussischen Teil, sondern aus einem, der in der sowjetischen Vergangenheit, und einem, der in der Gegenwart lebt.

Großes Interesse erregte die Moskauer Politologin Lilia Shevtsova mit ihrer Analyse, Russland sei ein "Reich im Zustand des angehaltenen Kollapses", der über kurz oder lang eintreten werde. Aufs schärfste kritisierte sie das Verhalten europäischer Politiker, "die in Moskau darum betteln, die Hand des Gazprom-Führers küssen zu dürfen". Die EU zu überzeugen, dass Russland eine Herausforderung ist, das ist für Shevstova die dringlichste Mission Osteuropas.

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