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Das US-Interesse an den Öl- und Gasvorräten in Zentralasien ist groß. Bisher suchte man die Gründe dafür vor wiegend im wirtschaftlichen Bereich. Doch mit den nach unten revidierten Förderkapazitäten wird klar: Es geht um den strategischen Einfluss in dieser Region.

Der Grundstein für die erste wirklich große Pipeline, die ein ölreiches zentralasiatisches Land vom russischen Verteilungsnetz unabhängig macht, ist gelegt. Nach einem Jahrzehnt an Interessenbekundungen, Planungsszenarien und Kostenrechnungen wird jetzt an der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) gebaut. Durch Georgien hindurch wird sie die aserbaidschanischen Ölquellen im Kaspischen Meer mit dem Hafen Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste verbinden. Zur Grundsteinlegung kamen außer dem aserbaidschanischen Präsidenten Heydar Aliyew auch seine türkischen und georgischen Amtskollegen Ahmad Sezer und Eduard Schewardnadze sowie US-Energieminister Spencer Abraham.

Das Zusammenkommen war als Spektakel und Demonstration für die in- und ausländische Öffentlichkeit gedacht, denn die Bauarbeiten an der Pipeline hatten auf der türkischen Seite schon im Juni dieses Jahres begonnen. Der offizielle Baubeginn zum jetzigen Zeitpunkt ist vor allem deswegen wichtig gewesen, um Schewardnadze den Rücken zu stärken. Dieser sieht sich seit geraumer Zeit regelmäßig mit der russischen Drohung konfrontiert, im georgischen Pankisi-Tal militärisch zu intervenieren, um nach tschetschenischen Rebellen zu suchen.

Dass die Pipeline nun endlich gebaut wird, ist ein großer diplomatischer Erfolg der USA. Die Ölleitung ist mit mehr als 1.700 Kilometer die längste und damit teuerste Variante nach Westen. Die USA hatten ihren Bau immer gefördert, weil sie iranisches und russisches Staatsgebiet umgeht. Russland wiederum hat den Firmen seines Landes Investitionen in die BTC verboten. Analysten bezweifeln deshalb, ob das 2,95 Milliarden-Dollar-Projekt mit einer Transportkapazität von einer Million Barrel pro Tag wirtschaftlich rentabel sein wird. 70 Prozent der Baukosten übernehmen internationale Finanzinstitutionen, vor allem die Weltbank. Denn Aserbaidschan hat im Augenblick nur eine Exportkapazität von 800.000 Barrel pro Tag, und ein Teil davon muss vertragsgemäß schon durch Russland und Georgien zum Schwarzen Meer gepumpt werden.

Wettlauf um Energiereserven

Im großen Wettlauf um die zentralasiatischen Energiereserven wird hoch gepokert - und oft genug geblufft. So behauptet das Betreiberkonsortium der BTC rund um den britischen Ölkonzern BP, es habe im aserbaidschanischen Teil des Kaspischen Meeres schon so viele Reserven entdeckt, dass die Pipeline auf jeden Fall ausgelastet sein wird. Ob das stimmt, weiß im Augenblick keiner.

Nach Einschätzungen unabhängiger Experten muss das Betreiberkonsortium allerdings hoffen, dass sich auch Kasachstan entschließt, die BTC-Pipeline zu nutzen, da diese sonst unrentabel bleibt. Das ist jedoch ein Vabanque-Spiel. Zwar wird Kasachstan voraussichtlich ab 2005 zum weltweit fünftgrößten Erdölexporteur aufgestiegen sein, denn in seinem Teil des Kaspischen Meeres wurde im vergangenen Sommer das größte Ölfeld der letzten 30 Jahre gefunden. Trotzdem muss das Land auch außenpolitische Faktoren in Rechnung stellen. Im Norden des Landes lebt eine große russische Minderheit und Kasachstan hat deshalb seine Außenpolitik traditionell eng an die von Russland angelehnt. Zudem streiten die Anrainer des Kaspischen Meeres noch, wie dessen Rohstoffreichtum aufgeteilt werden soll. Auch hier wird Russland ein entscheidendes Wort mitzureden haben.

US-Firmen ausgeschlossen

Möglicherweise wird der andere Teil des kasachischen Öls aber überhaupt mittels einer Pipeline durch Turkmenistan in das iranische Verteilungsnetz geliefert. Das wäre die kürzeste Variante. Dann blieben US-Firmen allerdings wegen der Wirtschaftssanktionen ihres Landes gegen den Iran ausgeschlossen. Der französische Ölmulti Total/Fina/Elf hat angekündigt, eine Machbarkeitsstudie für dieses Projekt in Auftrag zu geben. Und der kasachische Ministerpräsident Imangali Tasmagambetov sagte just zwei Tage nach der Grundsteinlegung der BTC, dass die Option durch den Iran wirtschaftlich tragfähiger, die BTC dagegen mehr von "der Politik als der Wirtschaft" bestimmt sei. Heißt das, kein kasachisches Öl wird durch die BTC fließen? Oder versucht der Premier nur bessere Bedingungen herauszuschlagen?

Noch in einem anderen Projekt, zeigt sich der hochspekulative Charakter des großen Spiels um die zentralasiatischen Energiereserven: Die fast 1.500 Kilometer lange und voraussichtlich zwei Milliarden Dollar teure Gaspipeline vom turkmenischen Feld Dovletabad quer durch Afghanistan ins pakistanische Multan. Jeder, der sich im Augenblick die Situation in den beteiligten Ländern anschaut, kann über dieses Projekt nur den Kopf schütteln: Turkmenistan ist bekannt dafür, dass es die Gasmenge, die es jährlich exportiert, gerne übertreibt. Seit 1997, als die turkmenische Pipeline in den Iran mit großem Hallo eröffnet wurde, hat man deren Kapazität nie ausgenutzt. Auch die den Russen vertraglich zugesicherte Ölmenge konnte das Land seither in keinem Jahr vollständig liefern. Ohne große Investition in die Förderanlagen, sind sich Experten einig, wird Turkmenistan seine Exportmenge nicht erheblich steigern können. Und solange Saparmurad Nijasow, der autoritär und mit unglaublichem Herrscherkult regierende "Turkmenbaschi", das Land beherrscht, wird es auch die Rahmenbedingungen für Auslandsinvestitionen nicht geben.

Durch Afghanistan eine Pipeline zu bauen scheint ebenso absurd. Wer sollte die Bauarbeiter beschützen und wer die Pipeline, die ein wunderbares Ziel für Anschläge darstellt? Das ganze Projekt hat aber noch einen entscheidenden Haken: Der pakistanische Markt ist nicht groß genug, um den Bau dieser Pipeline zu rechfertigen. Aber im Nachbarland Indien gibt es doch großen Bedarf für Erdgas. Könnte man nicht die Pipeline nach Delhi verlängern? Auch das ist absurd. Indien wird sich nie auf Energie-Lieferungen durch das Land des Erzrivalen Pakistan verlassen.

Skurril und doch kein Witz

Solche Pläne werden ernsthaft ventiliert, von Politikern, denen man keine Witze zutraut, wie dem ehemaligen US-Botschafter in Turkmenistan, Michael Cotter. Warum? Ganz einfach: Weil Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan das Geld brauchen, das sie mit der Pipeline verdienen könnten. Und weil die Vereinigten Staaten sie wollen. Die Asian Development Bank - größter Kapitalgeber ist die USA - hat Mitte September angekündigt, dass sie "eine führende Rolle" bei der Finanzierung dieser afghanisch-pakistanischen Pipeline übernehmen wird. Mit dem Bau könne demnach schon 2004 begonnen werden.

Seit der Mitte der neunziger Jahre versuchen die USA, Pipeline-Projekte in Zentralasien zu fördern. Viele Beobachter hat diese Entschlossenheit zur Annahme verleitet, die Vereinigten Staaten verfolgen diese Strategie ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Ganz nach dem Motto: Wenn die sich so stark engagieren, dann muss dort unheimlich viel Gas und Öl lagern. Inzwischen sind sich die meisten Analysten einig, dass die bestätigten Funde in der Region deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die Zahl von 70 Milliarden Barrel, die um das Kaspische Meer lagern sollen, wird immer wieder genannt. Das wären rund zehn Prozent der bestätigten OPEC-Reserven. Die Folgerungen daraus bringt der palästinensische Politologe Anwar Abdul Hadi auf den Punkt: "So wie es heute aussieht, ist die Gefahr durch russisches und kaspisches Öl für die Sicherheit des Mittleren Osten mehr eine Furcht, die vom Westen geschürt wird, als eine wirkliche Gefahr." Denn das Hauptinteresse der USA ist es nicht, sich weniger abhängig von den Ölvorräten im Nahen Osten zu machen. Entscheidend für die Vereinigten Staaten ist die strategische Lage Zentralasiens, seine Funktion als Drehscheibe zwischen den Regionen und seine Nähe zu Russland und China.

Hinzu kommt, dass den Staaten dort der direkte Zugang zum Meer fehlt. Gleichzeitig sind sie aber auf den Export ihrer Energieressourcen angewiesen. Das hat zur Folge, dass derjenige, der den Energie-Export kontrolliert, das ganze Land mehr oder weniger unter Kuratel stellen kann. Und deshalb wird in Zentralasien wohl noch eine ganze Weile mit Hilfe von Öl- und Gaspipelines um Macht und Einfluss in der Region gepokert werden.

Der Autor ist Korrespondent für Zentralasien.

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