Piraten nehmen Kurs auf Graz

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Am Sonntag wählt Graz. Der erste Platz wird an die ÖVP gehen, sonst ist vieles offen. Auch die Piraten rechnen mit ihrem Einzug in den Gemeinderat.

In den letzten Wochen sind Philip Pacanda, Oberpirat in Graz, und seine Kameraden mit ihrer Schatzkiste durch die Stadt gezogen. "Wollen Sie Ihr Steuergeld zurück?“, fragten sie Passanten. "Danke, hab’ ich schon“, antworteten die oft automatisch und gingen weiter. Bis die Frage sich setzte, sie sich umdrehten, und nachhakten. "Dann sind wir ins Gespräch gekommen“, erzählt Pacanda. Über Politik, von der die Menschen angeblich gar nichts mehr wissen wollten. Über Politiker, die "eh tun, was sie wollen“. Und über die anstehende Wahl, zu der sie aus eben jenem Grund nicht hingehen wollten.

Am Sonntag wählt Graz einen neuen Gemeinderat. Beim letzten Mal, 2008, lag die Wahlbeteiligung bei nicht einmal 70 Prozent. Heuer soll sie weiter sinken. Dabei ist die Auswahl groß: Elf Parteien und Listen treten an. Neben den Parlamentsparteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und BZÖ tritt auch die KPÖ an, die 2008 mit 11,3 Prozent viertstärkste Kraft war. Außerdem stehen die "Christliche Partei“ unter Manfred Grössler, das "Einsparkraftwerk“ von Rainer Maichin, die "Betty Baloo Bande“ von Karin Rausch und "Wir Wähler“ von Stefan Baumgartner zur Wahl. Und eben die Piraten.

Schwerer Seegang in Deutschland

Der Einzug in den Grazer Gemeinderat ist für die Neo-Partei schon seit Jahresbeginn erklärtes Ziel. Nachdem sie es im April in den Innsbrucker Gemeinderat schafften, nahmen die Violetten Kurs auf Graz. Doch der Seegang war schwer. Auch, weil sich bei den deutschen Nachbarn, ja, Vorbildern, der Wind drehte.

Die deutschen Partei, die mit ihrem Einzug ins Berliner Abgeordnertenhaus vor einem guten Jahr den Erfolg ins Rollen gebracht haben, schippert mittlerweile auf unruhigen Wassern: Das Interesse an ihnen schwindet, die Umfragewerte fallen von 13 auf vier Prozent, zuletzt strichen zwei Mitglieder des Bundesvorstandes die Segel. Nun fürchten manche, dass die Niederlage - wie zuvor schon der Erfolg - auf die österreichische Schwesternpartei abfärbt: Bei den burgenländischen Gemeinderatswahlen im Oktober traten die Piraten in Oberwart an und erbeuteten mickrige 0,95 Prozent der Stimmen. Nach diesem politischen Schiffbruch könnte das Grazer Ergebnis über die Zukunft der Partei entscheiden: "Das wird eine richtungsweisende Wahl für die österreichische Piratenpartei“, sagt Pacanda. Doch das Hafentelegramm könnte schlechter ausfallen.

Die Tatsache, dass die Gemeinderatswahl nach dem Kollaps der schwarz-grünen Koalition schon zwei Monate vor dem geplanten Termin stattfindet, mussten alle Parteien schlucken. Die Piraten haben ihre notwendigen Unterstützungserklärungen erst kurz vor Ende der Frist abgegeben und wurden daher zu einem Zeitpunkt als Wahlpartei erfasst, zu dem die "Großen“ schon mitten im Wahlkampf steckten. In Meinungserhebungen wurden sie erst gar nicht abgefragt.

Bei einer Umfrage, die das Institut für angewandte Tiefenpsychologie (IfaT) vor vier Wochen im Auftrag der ÖVP erstellte, kamen sie gar nicht vor. Diese sah die ÖVP als klaren Sieger, die KPÖ auf Platz zwei und SPÖ, Grüne und FPÖ dahinter. Ähnliche Ergebnisse brachte eine Exit Poll, die das IfaT vergangenen Freitag durchgeführt hat. Vier Prozent aller Wahlberechtigten haben nämlich von der Möglichkeit einer vorgezogenen Wahl Gebrauch gemacht und bereits letzte Woche ihre Stimme abgegeben. Beim Verlassen des Wahllokals hat das IfaT nach der Entscheidung gefragt.

Das Ergebnis deckt den Trend der ersten Umfrage: Die ÖVP ist mit 38,4 Prozent sicher auf Platz 1, dahinter kommt die KPÖ mit 20 Prozent. Die SPÖ fällt auf 12 bis 14 Prozent, die Grünen verlieren drei Prozent und erreichen rund 11 Prozent, die Freiheitlichen bleiben knapp unter 10 Prozent. Anders als bei der vorhergehenden Umfrage kommen hier auch die Piraten vor. Sie ziehen der Exit Poll zu Folge fix in den Gemeinderat ein.

"Graz ist eine kreative Stadt“

"Dabei sind diejenigen, die vorzeitig wählen gehen, gar nicht die typischen Piraten-Wähler“, freut sich Pacanda. Mehr Bürgerbeteiligung, ein neues Verkehrskonzept sowie die Abschaffung von "Überwachungsstaat“ und Studiengebühren haben sich die Grazer Piraten auf die Fahnen geschrieben. Schüler und Studenten sind daher ihre Kernklientel. "Aber auch Pensionisten: Von denen haben wir im Wahlkampf besonders positives Feedback bekommen“, sagt Pacanda. Obwohl der kurze Wahlkampf es der jungen Partei erschwerte, eine hohe Bekanntheit zu erreichen, ist Pacanda zuversichtlich: "Graz ist eine kreative Stadt und für Überraschungen gut. Und etwas Gutes hatte die vorgezogene Wahl auch: Uns wäre sonst unser Geld ausgegangen.“ Das Wahlkampfbudget betrug insgesamt 5000 Euro. Deshalb waren die Steuer-Euros, die die Piraten auf den Straßen von Graz zurückgaben, in Wahrheit auch Schokotaler.

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