Polit-Fingerhakeln in Prag

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Tschechien hat wieder eine Regierung. Der nächste Streit zeichnet sich ab: Präsident und Premier bekriegen sich, ein Milliardär wartet auf seine Chance.

Der stotternde Motor an der Moldau soll wieder rund laufen: Drei Tage lang mussten die Ministerkandidaten der künftigen tschechischen Regierung nacheinander bei Präsident Miloˇs Zeman auf der Prager Burg erscheinen. Der Burgherr nahm sie einzeln ins Gebet, hörte sich deren Vorhaben an und gab ihnen weise Ratschläge. Zeman hatte vorab bei der Bekanntgabe der Ministerliste durch die Parteien der neuen Koalition - Sozialdemokraten, Christdemokraten und der Protestbewegung ANO des Milliardärs Andrej Babiˇs - deutlich gemacht, dass er gegen den einen oder anderen Einwände hat. Denn zu den neuen Ministern gehören einige Politiker, die es sich mit dem heutigen Präsidenten verscherzt hatten, als sie ihn vor nunmehr elf Jahren bei seiner ersten Kandidatur für das höchste Amt im Staat im Regen stehen gelassen hatten. Zeman scheiterte seinerzeit am Veto zahlreicher Sozialdemokraten, deren Vorsitzender er lange gewesen war.

Der neue Außenminister Lubomír Zaorálek etwa gehört zu jener Gruppe. Mit ihm ist Zeman aber auch inhaltlich nicht einig. Das ist insofern bedeutsam, da der Präsident in Tschechien das Land offiziell nach außen hin vertritt. Somit muss er sich regelmäßig mit dem Chefdiplomaten und mit dem Regierungschef über die Leitlinien absprechen. Das verspricht etwa in der Nahost-Politik ein Problem zu werden. Zeman ist ein großer Freund Israels, der neue Außenminister möchte dagegen ein ausgewogeneres Verhältnis Prags zu Israel und den Palästinensern.

Dass Zeman Vorbehalte gegen einige Minister geäußert hatte, gehörte zum Kräftemessen zwischen Präsident und Premier, das über Monate anhielt. Seit Zeman vor genau einem Jahr sein Amt antrat, versucht er trickreich und unerschütterlich seine Vollmachten auszuweiten. Er leitet das daraus ab, dass er schließlich der erste direkt vom Volk gewählte Präsident sei. Dem stünden per se mehr Befugnisse zu als seinen Vorgängern. Doch mit der Direktwahl von Zeman ist das Prager Grundgesetz mitnichten geändert worden. Als Zeman es zu übertreiben drohte, und behauptete, ihm stehe es auch zu, vorgeschlagene Kandidaten für Ministerposten abzulehnen, wurde Sobotka prinzipiell: "Der Präsident hat laut Verfassung die Minister, die ihm der Premier vorschlägt, zu ernennen. Ohne Debatte. Punkt.“

So nahe sich der einstige sozialdemokratische Chef Zeman und der heutige Sobotka inhaltlich sind - persönlich können sie nicht miteinander. Auch Sobotka nämlich hatte Zeman einst als Präsidenten mitverhindert. Der 42-jährige Premier, eher klein, hager, fast schmächtig, mit schütterem Haar und stets auffälliger Brille, hat eine jahrzehntelange reine Parteikarriere bei den Sozialdemokraten hinter sich.

Sobotka, der immer zurückhaltend und höflich wirkt, kaum Charisma besitzt, kein großer Redner ist und Nachholbedarf bei Fremdsprachen hat - derzeit spricht er nur "passiv Englisch“ - hat immerhin zu kämpfen gelernt. Als die Sozialdemokraten bei den vorgezogenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus deutlich hinter den Erwartungen zurück geblieben waren, versuchten innerparteiliche Widersacher unter tätiger Mithilfe Zemans, gegen ihn zu putschen. Da wurde der äußerlich unscheinbare Sobotka, der für nie mehr zu taugen schien als für einen "guten zweiten Mann“, zum Volkstribun, der die Leute für sich auf die Straßen rief. Mit Erfolg.

Lernfähig zeigte er sich in den schwierigen Verhandlungen mit den Christdemokraten und der Bewegung ANO des Milliardärs Babiˇs zur Bildung einer Koalition. Von einer Anfechtung des Gesetzes zur Rückgabe des von den Kommunisten geraubten Eigentums an die Kirchen hat er sich ebenso verabschiedet wie von im Wahlkampf angekündigten Steuererhöhungen. Babiˇs hat letztere strikt abgelehnt. In Tschechien werde seit Jahren das Geld für unsinnige Dinge regelrecht zum Fenster hinaus geworfen. Jetzt müsse man sparen. Babiˇs machte deutlich, dass er gewillt sei, seine Erfahrungen als im In- und Ausland erfolgreicher Manager auch im Staatsdienst umzusetzen. Um den Koalitionspartnern auf die Finger zu schauen, kämpft Sobotka derzeit noch darum, deren Ministern einen sozialdemokratischen Staatssekretär zur Seite zu stellen.

Vor allem dem künftigen Finanzminister Babiˇs traut der Premier nicht so recht über den Weg. Beider Verhältnis wird am Ende mehr über die Haltbarkeit der Regierung entscheiden als das Verhältnis Sobotkas zu Zeman. Babiˇs scharrt schon jetzt mit den Hufen, will auch nicht ewig nur die Staatskasse hüten. Sein Ziel ist, nach den nächsten Wahlen Premier zu werden.

Sobotka weiß das. Er hat auch mitbekommen, dass sich Babiˇs offenbar sehr gut mit Zeman versteht. Als der Milliardär zu Zeman gerufen wurde, brachte er ihm zu dessen großer Freude und zum Entsetzen der Leibärzte des ungesund lebenden Präsidenten einen großen Korb mit Räucherspezialitäten aus seinen Fleischbetrieben mit. Beider Gespräch war denn auch sehr viel angenehmer als die vielen, die Sobotka zuletzt mit dem Präsidenten hatte.

Zemans Position ist mit dem Amtsantritt der Regierung dennoch erst einmal geschwächt. Bisher regierte ohne parlamentarische Legitimation eine von ihm eingesetzte "Expertenregierung“, vielfach mit Ministern besetzt, die mit ihm befreundet sind.

Derlei Dinge wird es künftig mit Sobotka nicht mehr geben. Mehr noch: Streitigkeiten größerer Art, so sind die Experten in Prag überzeugt, werden nicht lange auf sich warten lassen.

Wie Zeman schon während der Vereidigung am vergangenen Mittwoch für einen Eklat sorgte: Er warf bei dem feierlichen Akt Sobotka vor, dass dessen Brief mit den Vorschlägen für die Ministerämter sechs Fehler enthalten habe. Sechs Fehler auf eineinhalb Seiten sprächen nicht für die Professionalität, die man von einem Premier erwarten könne, sagte Zeman süffisant. Der Regierung wünschte er aber trotzdem Glück. .

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