"Politiker beschäftigen sich mit kosmetik“

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Wie nimmt der Kabarettist und Autor Werner Schneyder den Wahlkampf wahr? Über vertuschte Probleme, mangelnde Kompetenz und seine Art, konservativ zu sein.

Zehn Tage vor der Nationalratswahl verrät Werner Schneyder der FURCHE, wie er TV-Duelle und Wahlversprechen einschätzt - und kritisiert, wie die Parteien mit der Krise umgehen.

Die Furche: Wirkt der Wahlkampf auf Sie als Theatermann eher wie eine Komödie oder eine Tragödie?

Werner Schneyder: Es fehlt die Qualität zur Tragödie wie auch zur Komödie. Es ist eher so eine Farce auf einer Laienbühne, wenn wir es ästhetisch beurteilen wollen.

Die Furche: Was würde der ehemalige Boxkampfrichter sagen: Wie fair wird in diesem Wahlkampf geboxt, von Seiten der Politiker und von Seiten der Medien?

Schneyder: Es wird wenig gefoult. Im Ring will man ja jemanden treffen und nicht getroffen werden. In der politischen Auseinandersetzung darf es keine Deckung geben. Da soll einen der andere ruhig treffen. Dann muss man zeigen, dass der Treffer keine Wirkung hat, weil er argumentativ kraftlos ist.

Die Furche: Der Neuigkeitswert bei den TV-Duellen liegt weniger im Inhalt als in der rhetorischen Auseinandersetzung zwischen den Kandidaten. Können Sie dieser Show etwas abgewinnen?

Schneyder: Durch die TV-Konfrontationen wird inhaltlich schon mehr transparent. Die Politiker werden gezwungen, substanzieller zu sprechen. Diese Duelle haben für jemanden, der genau hinhört, durchaus einen Informationswert. Im Vergleich zu früher ist der Wahlkampf vom Ton ein bisschen zivilisierter geworden, inhaltlich mindestens genauso flach geblieben.

Die Furche: Was kritisieren Sie da?

Schneyder: Alle begreifen sich als Krisenmanager. Sie denken alle über Kosmetik nach, über das Übertünchen. Dabei ist eine Ideologie an die Wand gefahren, die Wachstumsideologie. Dieser Banken-Crash ist jetzt fünf Jahre alt und nun prophezeien alle Experten den nächsten, weil man aus dem ersten Crash bis auf ein paar lächerliche Regelungen nichts gelernt hat. Unser westlicher Kultur-, Konsum- und Zivilisationsbegriff steht in Frage, doch ich habe bei keinem der Kandidaten den Eindruck, dass er das weiß - oder sagt.

Die Furche: Die ÖVP will durch eine entfesselte Wirtschaft 400.000 Jobs schaffen, die Grünen durch eine Öko-Wende 100.000 Jobs.

Schneyder: Alle Parteien haben Angst vor dem Vorwurf, sie verstünden nichts von Wirtschaft, und reden vom "Jobs schaffen“. Tatsache ist: Die Arbeit, die es gibt, muss man auf die Menschen verteilen, die arbeiten wollen. Ein Vergleich: Es gibt zwar ein stetes Wachstum im Wald, aber nur unter der Voraussetzung, dass man oben schlägert und unten aufforstet: Wenn ich oben abschöpfe und unten investiere, habe ich Wachstum. Immer nur weiterwachsen - so blöd ist kein Baum.

Die Furche: Wie kommt man zu wirtschaftlich fähigen Politikern?

Schneyder: Sie müssten lesen, die jungen britischen Ökononomen oder den tschechischen Ökonom Sedláˇcek. Die Parteien sollten nur Leute in die erste Reihe stellen, die ein bisschen was wissen.

Die Furche: Bei Stronachs Auftritten war zu sehen, dass er bei einfachen Fragen zur österreichischen Politik teils total blank ist. Ist Stronach nicht ein aufgelegter Elfmeter für Kabarettisten?

Schneyder: Zu aufgelegt. Man spottet ja auch nicht über Menschen mit Behinderungen.

Die Furche: Wie nehmen Sie die Wahlplakate der Parteien wahr?

Schneyder: Ich schaue gar nicht hin. Wenn ich ein Portrait von einem größenwahnsinnigen senilen Mann sehe und daneben ein Eigenschaftswort, was erzählt mir das? Das ist ein Hereinfallen auf die Sprüche von Werbeagenturen: "Das ist dein Stil, das ist dynamisch, das ist jung!“ Das geschmähteste Plakat ist eigentlich das argumentativste: "Weniger belämmert als die anderen“ von den Grünen. Da ist was dran.

Die Furche: Strache zeigt sich diesmal vergleichsweise zahm mit seinen "Nächstenliebe“-Plakaten. Was halten Sie von der neuen Strategie des "Wolf im Schafspelz“?

Schneyder: Dieses Aufspringen, die ses Benützen einer gängigen Phrase, um sie mit einem anderen Inhalt zu behängen, das ist Manipulation. Ich hoffe, dass es ihm nicht nutzt. Aber es gräbt dem Strache der Stronach was ab, bei den alten Leuten, die nicht merken, wie doof er ist. Es gräbt ihm auch der Bucher was ab.

Die Furche: Das BZÖ gräbt wohl nur minimal Stimmen ab.

Schneyder: Da bin ich mir nicht so sicher, denn dem Bucher haben die TV-Duelle genützt. Ihm ist es in Anstäzen gelungen, vergessen zu machen, dass er ein Haider-Jünger war. Ich traue ihm politisch nichts Sinnvolles zu, aber er hat ein bisschen die Aura von Redlichkeit.

Die Furche: Im Wahlkampf versuchen die Parteien im besonderen Maße, sich voneinander abzugrenzen und gegenseitig anzupatzen. Unterschätzt man die Wähler?

Schneyder: Niemand macht sein Programm transparent aus Angst, Randgruppen zu verlieren: Die Sozialdemokraten sagen, dass es für den Industriellen eine glänzende Idee wäre, sie zu wählen. Der Industriellenverband sagt, jeder Arbeiter sei wahnsinnig, nicht ÖVP zu wählen, weil nur sie für Gerechtigkeit sorgten.

Die Furche: Einerseits ist immer die Rede von Politikverdrossenheit, andererseits ist eine Wahl medial noch nie so ausgeschlachtet worden wie diese.

Schneyder: Mit der Krise ist in unteren Schichten ein Problembewusstsein entstanden. Wenn die Leute in der Zeitung lesen, "Ist mein Spar-Euro sicher?“, sind das Themen, die wachrütteln. Mit der Angst um den Posten werden die Leute zwangsläufig politisierter.

Die Furche: Die Parteien versprechen teure Wahlzuckerl, die Ökonomen für unfinanzierbar halten: Steuersenkung, Unimilliarde, Öffitickets, Heizkostenzuschuss. Schneyder: Ein US-Marketingcredo lautet: Gib nie ein Versprechen ab! Ein anständiger Mensch würde sagen: "Wenn ich an die Macht komme, versuche ich Folgendes herauszuschlagen.“ Damit verliert man wenigstens nicht seine Ehre, wenn man nachweisen kann, dass man es zumindest versucht hat.

Die Furche: Bei der Bundespräsidenten-Wahl 2010 hat erstmals die Mehrheit der Wahlberechtigten nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Wie problematisch ist es, nicht wählen zu gehen oder weiß zu wählen?

Schneyder: Nicht wählen empfinde ich als Katastrophe. Weiß wählen ist zumindest das Senden einer Nachricht an die Politik. Weißwählern muss klar sein, dass sie die Entscheidung aus der Hand geben.

Die Furche: Ihr aktuelles Programm heißt "Ich bin konservativ“. Inwiefern sind Sie das?

Schneyder: Vieles, das als fortschrittlich gilt, halte ich für falsch. Etwa die Wachstumslüge. Ich bin konservativ im klassischen Sinn, gegenüber dem Exhibitionismus der sozialen Medien. Und in Fragen des Stils. Wir leben heute damit, dass auf der Straße auf Niedergeschlagene eingetreten wird, die eh schon am Boden sind.

Die Furche: Welchen Eindruck erhalten Sie von den konservativen Parteien im Wahlkampf?

Schneyder: Im Grund beanspruchen alle Parteien, um Wähler zu gewinnen, eine konservative Grundhaltung. Zu Unrecht: "Konservativ“ sein bedeutet "bewahren“. Jetzt muss man einfach einsetzen: Was will man bewahren?

Die Furche: Gibt es für Sie irgendeinen Lichtblick in der Politik?

Schneyder: Die Vernunft ist parteiübergreifend - die Unvernunft auch. Es würde einen prozentuellen Anteil an Vernunft und Intelligenz geben, der sich allerdings in den Parteien freikämpfen müsste. Von den Jungen habe ich noch keine großen programmatischen Erneuerungen gehört.

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