Politisch und rechtlich gescheitert

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Ein blamables, vorläufiges Ende eines beschämenden Verfahrens: Der Prozess gegen die Tierschützer geht in die Instanzen, ohne irgendein Ziel zu erreichen.

So sieht Scheitern mit Anlauf aus: Einmal mehr haben zwei Streitparteien vor Gericht nicht das bekommen, was sie anstrebten, nämlich recht aus ihrer subjektiven, einmal politischen, einmal juristischen Sicht, sondern ein Urteil. Damit geht ein umstrittenes, strittiges, jedenfalls zwiespältiges gerichtliches Verfahren in die Verlängerung: Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt legte noch am Dienstag Berufung ein, gegen den am Montag dieser Woche erfolgten Freispruch für 13 Tierschützer. Sie waren angeklagt wegen der Beteiligung an einer kriminellen Organisation, wegen einer Reihe weiterer Delikte, etwa Nötigung, Sachbeschädigung oder Tierquälerei. Doch zum Ende des 14 Monate dauernden Verfahrens konnte die Richterin keine Anhaltspunkt für die Stichhaltigkeit der Vorwürfe finden. Ganz im Gegenteil. Ihre Kritik richtete sich gegen die ermittelnden Behörden. Für die Staatsanwaltschaft war die von Richterin Sonja Arleth vorgetragene Urteilsbegründung "in vielen Punkten nicht nachvollziehbar“, wie deren Sprecher Erich Habitzl erklärte. Unmittelbar nach der Verkündigung des Urteils - sprich: des Freispruchs - hatte der zuständige Staatsanwalt Wolfgang Handler keine Erklärung abgegeben.

Kriminelle Vereinigung

Auch er schien vom Freispruch ebenso überrascht gewesen zu sein wie die 13 wegen des Vorwurfes der Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Paragraf 278a des Strafgesetzbuches Angeklagten. Doch ihr Verhalten hat, geht es nach dem erstinstanzlichen und noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil nicht gereicht, um die behaupteten Tatbestände zu erfüllen. Es hat, das ist der in Sache des Mafia-Paragrafen wesentlich, der zumindest bedingte Vorsatz gefehlt. Die Absicht nämlich, eine - erstens - Vereinigung zu bilden, und damit - zweitens - die Möglichkeit einer Straftat in Kauf zu nehmen, damit einen Gewinn zu erzielen, eine Bereicherung zulasten anderer, Dritter, vorzunehmen.

Die Justizbehörden, konkret die ermittelnden Kriminalbeamten und die anklagende Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, erweckten mit ihren Vorhalten und Argumenten den Anschein, also wollten sie geradezu unbedingt den zitierten Mafia-Paragrafen zur Anwendung bringen. Damit haben sie mehr zu erreichen versucht, als die Causa der angeklagten Tierschützer zu erfüllen vermochte, umgangssprachlich ausgedrückt: hergab. Die Intention des Gesetzgebers war diesbezüglich eine andere.

Das übliche Betätigungsfeld illegaler, eben mafioser Organisationen liegt im Handel mit Drogen, Waffen und Menschen. Derartige kriminelle Machenschaften sollen, so die Intention des Gesetzgebers, wegen ihrer gegen Leib und Leben gerichteten, Menschen schädigenden und daher verwerflichen Absicht besonders hart bestraft werden. Härter jedenfalls, als hätte jemand nicht mit Drogen, sondern nur mit nicht mehr verkehrsfähigen Lebensmitteln gehandelt. So, als wären nicht Waffen, sondern lediglich Werkzeuge gehandelt, als wären nicht Menschen, sondern lediglich irgendwelche Geräte über Grenzen geschmuggelt worden. Doch diese Bestimmungen an den Aktivisten des Tierschutzes anzuwenden, das war dann doch überschießend, übermäßig, sachlich unzutreffend. An Geständnissen fehlte es ohnedies. An beweiskräftigen Aussagen von Überläufern oder Kronzeugen ebenso. Nicht einmal eingeschleuste Agenten vermochten irgendetwas, was zumindest als Indiz für mafiöses Verhalten und Verabreden dienen hätte können, zutage zu befördern. Doch gescheitert sind die Tierschützer ihrerseits mit der Absicht, mit Protesten ein Verfahren zu provozieren, das sie dann als ein politisches führen könnten. Die Justiz hat gelernt.

Es ist eine historisch zu beobachtende Vorgangsweise mancher und nur vereinzelt wirksamer gesellschaftskritischer Kräfte, die gerichtliche Verhandlung über ihr geringfügig rechtswidriges Verhalten zur großen Auseinandersetzung über die grundsätzlich moralische Regelwidrigkeit eines Systems zu stilisieren. Brandanschläge gegen Kaufhäuser dienten deutschen Terroristen der Siebzigerjahre dazu, auf das große Unrecht des Kapitalismus hinzuweisen. Sie nahmen Fahndung und Verfolgung bewusst in Kauf, um solcherart einen ihrer Ansicht repressiven Staat in die Demaskierung zu treiben. In diese Falle, die diesfalls von den Tierschützern gar nicht beabsichtigt war, sind Österreichs Polizei- und Justizapparat jedenfalls getappt: Maskiert und bewaffnet verschafften sie sich nach Darstellung der Tierschützer Zugang zu ihren Wohnungen, um die Verdächtigen nächstens aus der Betten zu holen und in mehrmonatige Untersuchungshaft zu verbringen. Selten noch wurde unter zivilen und friedlichen Bedingungen das Gewaltmonopol des Staates und seiner Organe derart diskreditiert.

Die Lektion des Verfahrens

Dennoch ist die Intention der Tierschützer vor Gericht nicht zur Erfüllung, sondern zum Erliegen gebracht worden: Anderer Leute Hühner und Schweine nächtens und illegal aus Stallungen zu holen ist Sachbeschädigung, Diebstahl, Tierquälerei, was auch immer - aber es ist nicht eine Tierbefreiung. Es ist auch nicht die Erlösung von einigen, behaupteterweise durchaus menschlicher Empfindungen fähiger Kreaturen, sondern schlicht Diebstahl. Der Versuch der Tierschützer, mit ihren Aktionen und den damit ausgelösten Reaktionen, vor Gericht eine politisch-ökonomische Abrechnung kommerzieller Tierhaltung zu erreichen, musste scheitern. Weil sie mit untauglichen, unzutreffenden Mitteln vorgenommen wurde. Nicht, weil es hier nichts zu diskutieren gäbe. Doch dann möge man eben die Diskussion führen. Mit Argumenten, nicht mit Aktionen. Das ist eine Lektion dieses Verfahrens.

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