Politische Inszenierung: Auf den Hund gekommen

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Ohne Inszenierung und private Positionierung geht in der modernen Politikvermittlung scheinbar gar nichts mehr. Müssen Politiker zu "Politainern" werden, um Erfolg zu haben?

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Ohne Inszenierung und private Positionierung geht in der modernen Politikvermittlung scheinbar gar nichts mehr. Müssen Politiker zu "Politainern" werden, um Erfolg zu haben?

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Der Hype war groß: Die neue Power-Familie an der Staatsspitze hatte sich einen süßen "First Dog" zugelegt. Der Boulevard feierte das erste Viech im Land wie einen Star. Eine Homestory jagte die nächste, das Hunderl wurde - inklusive Herrl - beim Auslaufen im Park abgelichtet und die Berater waren sich einig: Das neue Familienmitglied übte eine positive und ausgleichende Wirkung auf sein Herrl aus. Dass die Sympathiewerte des Chefs gleich mit aufgebessert wurden, versteht sich von selbst.

Szenen aus dem Weißen Haus zur Amtseinführung von US-Präsident Barack Obamas First Dog "Bo" vor einigen Wochen? Mitnichten. Die Szenen spielten sich in Österreich ab. 1997 hatte Kurzzeit-Kanzler Viktor Klima so seinen Hund "Grolli" medienwirksam positioniert. Am Höhepunkt der öffentlichen Verzückung um den kaukasischen Hirtenhund hatten Berater Klimas gar Leserbriefe im Namen des Vierbeiners verschickt. Und: Die wurden auch noch abgedruckt.

"Ich kann Kanzler"

Soweit ist es bei Obamas noch nicht ganz. Auch wenn die Welt bereits mehrfach Zeuge wurde, wie der neue US-Präsident mit dem Neuankömmling durch den Garten und die Gänge des Weißen Hauses spaziert. Weltweit weiß man auch längst, warum Barack Obama just einen portugiesischen Wasserhund als neues Familienmitglied wählte: Der haart nämlich kaum und ist so für Obamas unter einer Allergie leidende Tochter leichter verträglich.

Die Politik ist, so scheint es, endgültig auf den Hund gekommen. Skeptiker der modernen Politikvermittlung vermuten es ja schon länger: Je mehr sich Politiker und ihre Beraterstäbe an die moderne Medienlogik anpassen, desto inhaltsleerer wird der Politikbetrieb. "Grolli" und "Bo" sind da nur die Spitze des Eisbergs. Präsentiert ein Politiker eine neue Initiative für die Jüngsten, so geschieht das am besten in dicht bevölkerten Kindergärten. Fade Pressesäle haben ausgedient, liefern sie doch kaum passende Bilder zur Geschichte. Die Medien befeuern den Trend: In Deutschland versucht das öffentlich-rechtliche ZDF den Unterhaltungswert von Politik zu vermarkten. Die Casting-Show "Ich kann Kanzler" will neue Talente für den Politikbetrieb entdecken und verwischt so nebenbei Grenzen zu schon länger üblichem Wett-Tanzen (Dancing Stars) und -Singen (Starmania).

Gehen politische Inhalte also tatsächlich vor die Hunde? Zählt bloß noch die Verpackung? Und: Muss das Politpersonal des Landes künftig vor allem Entertainerqualitäten aufweisen, setzen sich am Ende nur mehr die begnadetsten "Politainer" durch?

Die Kunde vom Untergang der Politik ist verfrüht. Zugegeben: Der Zug zur redaktionellen Politikvermittlung hat auch Schattenseiten. Tiefgreifende Reformdebatten - in Österreich zuletzt bei der Lehrerdebatte plastisch vor Augen geführt - werden oft durch tagesaktuelle Befindlichkeiten und mediale Verkürzungen verunmöglicht. Doch: Wer trägt Schuld daran? Viel zu oft ist es die unzureichende argumentative Vorbereitung durch das System Politik, an der Projekte scheitern. Natürlich ist es leichter, gegen Angst machende Veränderungen zu protestieren als Reformen zu begründen. Es ist aber die ureigenste Aufgabe von Politik, einen solchen Prozess verständlich zu machen und die dafür nötige Akzeptanz herzustellen. Wenn Ziele erreicht werden können, indem sich die Diskussion der Medienrealität anpasst, dann müssen sich Politiker darauf einstellen. Das ist ihr Job und hat noch nichts mit einer Trivialisierung zu tun.

Die Dosis macht das Gift

Prototypen für begabte "Politainer", die doch für Inhalte - man mag mit ihnen konform gehen oder nicht - standen, gab es auch in Österreich. Die talentiertesten waren Bruno Kreisky und Jörg Haider. Auf der Weltbühne ist aktuell Barack Obama das beste Beispiel: Der neue US-Präsident ist der begnadetste "Politainer" des neuen Jahrhunderts. Seine Auftritte füllen Stadien, seine Reden zählen zu den meistgesehenen Clips auf YouTube. Er erzeugt bei seinen Zusehern Bilder im Kopf - eine Aufgabe, an der heimische Politiker meist im Ansatz scheitern.

Doch zur entscheidenden Frage: Leidet bei "Politainer" Obama der Inhalt unter der massentauglichen Performance? Wohl kaum. Das inhaltliche Programm, das er in den ersten vier Monaten seiner Amtszeit gefahren ist, haben die meisten seiner Vorgänger nicht in vierjährigen Amtszeiten geschafft. Nassforsch hat er neben der prioritären Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise auch noch die überfällige Gesundheitsreform, ein Infrastrukturprogramm und eine Neuorientierung der USA in Sachen Klimapolitik eingeleitet. Dazu kommt die Bewältigung internationaler Krisenherde, die wie immer des Beitrags der USA harren.

Nicht dass all das gelingen wird. Aber Obama hat mit seinen täglichen Botschaften der Weltpolitik den Takt vorgegeben. Dass daneben auch private Inszenierungen wie First Dog "Bo" oder der Garten seiner Frau Michelle Platz haben, ist zwar Teil der Positionierungsstrategie, aber kaum Beweis sinnentleerter Politikvermittlung. Der Fall Obama lehrt zweierlei: Die Dosis macht das Gift. Und: Wo es keine Inhalte gibt, kann auf Dauer auch nichts verkauft werden. Wollen Politiker heiße Luft nett verpacken und sich vor allem privat inszenieren, muss das schiefgehen. Überhaupt gilt: Wer sich mit privaten Details zu sehr dem Boulevard ausliefert und so sein Image kreieren will, erlebt bald böse Überraschungen. "Politainment" scheitert dort, wo es selbst zum Programm wird und Inhalt und Substanz nicht sinnvoll ergänzen, sondern ersetzen will.

Die Beispiele dafür sind, gerade auch in Österreich, zahlreich und gehen über das Lehrstück Viktor Klima hinaus: Legionen an sogenannten Quereinsteigern mussten erfahren, wie schnell man in der Politik scheitert, setzt man allein auf seinen Bekanntheitsgrad und den kurzfristigen Imagetransfer für die Partei. Man denke auch an zwei Regierungsmitglieder der abgelaufenen Legislaturperiode: Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky war während ihrer gesamten Amtszeit überaus präsent - zu Beginn freute sie sich noch über ihre Mediendominanz, die sie mit Schweinsbraten, Csárdás und der eigenen Familienplanung erreichte. Bald folgte aber die Ernüchterung: Denn: Mit Inhalten kam sie nicht auf, das Etikett der Partyministerin blieb picken, selbst wenn sie sich in Krisenmanagement übte und am Ende ihres ersten Amtsjahres sogar den üblichen "Pflichtbällen" für Politiker fern blieb. Ähnlich ging es Sozialminister Erwin Buchinger. Als neuer linker Shooting-Star der SP-Ministerriege unter Alfred Gusenbauer gefeiert, war er (vor allem bei Journalisten) bald unten durch, als private Inszenierungen - auch abseits seines breit rezipierten Friseurbesuchs - die Überhand gewannen.

Von beiden vormaligen Aushängeschildern ist medial nichts mehr übrig (außer dass ein Blatt nach Kdolskys erfolgreicher Fastenkur einen Diätplan nach ihr benannte). Der Grund: Beide gingen zu lange davon aus, dass Entertainment allein schon Politik ausmachen kann. Das musste schiefgehen.

Die Rache kann bitter sein

Journalisten und Publikum sind nicht dumm, auf Dauer sind sie mit Showeffekten nicht abzuspeisen. Die Rache kann bitter sein. Klimas Hund "Grolli" etwa machte noch lange nach dem Abgang seines Herrls aus dem Kanzleramt Schlagzeilen: Als Viktor Klima bereits seinen VW-Job in Argentinien angetreten hatte, erschienen Reportagen, wie der arme Grolli Klima nun, zurückgelassen auf dem heimischen Bauernhof im Burgenland, vor sich hin litt. Bo Obama hat es besser: Seine Zeit im Weißen Haus hat erst begonnen. Und selbst wenn er den Garten von Michelle Obama verwüsten sollte: Die Medien werden den Vorfall wohlwollend kommentieren.

Der Autor ist Politikberater in Wien. Er war lange Jahre "profil"-Journalist, studierte dann Wahlkampfmanagement und Lobbying in Washington, D.C.

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