Die russische Zeitung Kommersant fühlte sich gar an Nikita Chruschtschows legendären Schuh erinnert, mit dem dieser bei der UNO-Vollversammlung 1960 aus Wut über den Westen auf den Tisch schlug; das Wort von einem neuen "Kalten Krieg" war schnell zur Hand. Mit seiner Brandrede gegen den Westen im allgemeinen und die USA im besonderen bei der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende beherrschte Wladimir Putin für ein paar Tage die außenpolitischen Schlagzeilen.
Im Unterschied zu 1960 wird Russland heute freilich als Partner des Westens gesehen. Auch Moskau selbst kann kein Interesse an einer Wiederauflage des Kalten Kriegs haben - aber man lässt in dieser "Partnerschaft" doch gerne seine Muskeln spielen. Dass der Westen dabei zuwenig Rücksicht auf russische Befindlichkeiten nähme und diesem Muskelspiel somit Vorschub leiste, ist freilich ein Gerücht, das durch Wiederholung nicht wahrer wird. Moskau ist in alle maßgeblichen Gremien, Räte, Quartette und dergleichen mehr eingebunden. Ungeachtet dessen hat es sich, wie die Süddeutsche Zeitung zurecht bemerkt, "eine beleidigte Attitüde zugelegt".
Fatal ist freilich, dass die Politik der gegenwärtigen US-Administration, vor allem das Desaster im Irak, viele im Westen für Putins Worte empfänglich macht. Wenn man den russischen Staatschef schon nicht für einen "lupenreinen Demokraten" (© Gerhard Schröder) hält, so sieht man doch den einen Bösewicht durch den anderen irgendwie neutralisiert. Jedenfalls gibt es zur Zeit niemanden, der mit hinreichend Autorität und Glaubwürdigkeit ausgestattet wäre, um dem russischen Autokraten entgegenzutreten.
Für Europa sind das alles keine gemütlichen Aussichten - aber das scheint hier niemanden wirklich zu kümmern.
rudolf.mitloehner@furche.at
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