Putsch der Richter in Thailand

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Den Regierungsgegnern geht es nicht um Demokratie, sondern um die Bewahrung ihrer Privilegien.

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten hat das thailändische Verfassungsgericht eine ordentlich gewählte Regierung vom Tisch gefegt. Die gelbe Protestbewegung, die inzwischen das ganze Land blockiert und an den wirtschaftlichen Abgrund treibt, kann frohlocken. Dank der sogenannten People's Alliance for Democracy ist das Land heute weiter entfernt von der Demokratie als zu Zeiten des korrupten Ministerpräsidenten Thaksin.

Wer Thailand regiert, ist unklarer denn je. Die von einer Mehrheit des Volkes gewählten Regierungen aus dem politischen Nachlass des weggeputschten Thaksin wurden von der alten Bangkoker Elite und dem Mittelstand nicht akzeptiert. Da offenbar kaum daran gezweifelt wird, dass in Neuwahlen wiederum die Thaksin-Anhänger triumphieren würden, ist für die alteingesessene Bangkoker Schicht der demokratische Weg nicht mehr begehbar. Sie lehnt bis anhin allgemeine Neuwahlen ab und strebt ein Parlament an, das nur noch zu einem kleinen Teil vom Volk direkt bestimmt wird. Begründet wird dies damit, dass die Mehrheit des Volkes in den ärmeren nördlichen Regionen nicht genügend reif und gebildet sei, um richtig zu wählen. Es lasse sich weiterhin vom Populisten Thaksin und von dessen Nachfolgern verführen.

Die Monarchie in der Krise

Hinter dieser Argumentation verbirgt sich die Angst des Bangkoker Establishments vor dem Verlust seines Einflusses. Es sind Militärs, Monarchisten, Beamte und Angehörige des Mittelstandes, die diese einflussreiche Clique bilden, die die thailändische Politik seit Jahrzehnten bestimmt. Sie versorgen die gelbe Protestbewegung mit den beträchtlichen finanziellen Mitteln für den Strassenprotest. Diesen Leuten geht es weder um die Demokratie noch, wie immer wieder behauptet wird, um den Kampf gegen das Übel der Thaksin-Korruption, sondern um ihre politischen Pfründen, die sich auch aus ihrer Nähe zum Königshaus ergeben.

Doch die Zukunft der Monarchie in Thailand ist ungewiss. König Bhumibol ist alt und gebrechlich, und sein Sohn scheint angesichts eines unsteten Lebenswandels und fragwürdiger Geschäftsbeziehungen als Nachfolger wenig geeignet. Wenn in Thailand das Königshaus ins Wanken gerät, wankt die ganze Politik mit. Das erlebt das Land in diesen Wochen ganz besonders dramatisch. Denn der eigentliche Grund dafür, dass die Bangkoker Elite jede Regierung, die in irgendeiner Form mit Thaksin in Verbindung steht, zurückweist, ist die Tatsache, dass dieser Ministerpräsident, der seine populistische Politik geschickt kalkulierend auf die Mehrheit der armen Bevölkerung im Lande ausgerichtet hatte, eine Popularität erlangt hat, die ihn zu einem Rivalen für den König macht.

Wer hat die Macht?

Es ist ein Kampf um Einfluss und Macht, der in Thailand tobt. Auf der Strecke bleiben dabei die Demokratie und die Wirtschaft des Landes. Ob das Militär oder die Richter putschen und gewählte Regierungen vertreiben, bedeutet kaum einen Unterschied. Unklar ist in jedem Fall, wer die Macht hat im Lande. Die von einer Volksmehrheit gewählten Regierungen können sich gegen die starke gelbe Minderheit nicht durchsetzen. Die Bangkoker Elite glaubt, auf demokratischem Weg ihre Felle nicht retten zu können. Das Militär zögert, auf welche Seite es sich schlagen soll. Im Hintergrund der greise König, unangreifbar für alle, aber trotzdem geschwächt infolge ungewisser Nachfolge-Aussichten. Und mittendrin Thaksin, der exilierte asiatische Berlusconi, der zwar autokratisch und korrupt ist, aber politisch erfolgreich auch aus der Ferne. Dass Thailand politisch schnell wieder Tritt fasst, ist eher unwahrscheinlich.

"Neue Zürcher Zeitung", 3. Dezember 2008

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