Radarstation in Aserbaidschan - Alternative zu Tschechien?

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Beim letzten amerikanisch-russischen Gipfeltreffen vergangenen Juli in Kennebunkport lud der amerikanische Präsident den russischen Präsidenten zum Hochseeangeln. Doch nur Wladimir Putin fing einen Fisch - und warf den Barsch sehr nobel gleich wieder ins Meer zurück.Aber auch politisch zog Putin bei diesem Treffen an der Atlantik-Küste im Nordosten der USA einen fetten Fang an Land, den er, weniger Sportsmann, dafür umso mehr Machtpolitiker, nicht so schnell aus der Hand gibt:

Mit seinem erneuerten und erweiterten Vorschlag, gemeinsam mit den USA eine von Russland betriebene Radaranlage in Aserbaidschan zu nutzen, hat Putin abermals einen Stich im Ringen um die Standortwahl für die US-Raketenabwehr gemacht, auf die der von soviel "Partnerschaft" überrumpelte George W. Bush nur vorsichtig positiv reagieren konnte: ein "interessanter und innovativer" Vorschlag!

Schon im Juni, beim G8-Gipfel in Heiligendamm, hatte Putin den USA die von Russland gepachtete aserbaidschanische Radaranlage in Gabala zur gemeinsamen Raketenabwehr offeriert. In Kennebunkport erhöhte der russische Präsident sein Angebot: Die 1985 gebaute Anlage in Gabala werde modernisiert und mit einer weiter reichenden Frühwarnanlage ergänzt, die gerade nahe der südrussischen Stadt Armawir gebaut wird. Mit Informationszentren in Moskau und eventuell Brüssel müssten, so das russische Kalkül, die Raketenabwehranlagen in Tschechien und Polen überflüssig werden.

Genialer Schachzug des Russen - mit einem Schönheitsfehler: Putins Angebot ist gleichzeitig ein Eingeständnis, dass eine gegen den Iran oder Nordkorea gerichtete Raketenabwehr prinzipiell gerechtfertigt ist - für Russland wie für Amerika. Damit rückt Putin von seiner bisherigen Argumentation ab, die Amerikas Raketenabwehrpläne als völlig fehlgeleitet, weil auf einer falschen Gefahreneinschätzung beruhend, abgekanzelt hat. Für US-Sicherheitsberater Stephen Hadley steht damit fest, dass "Putin die Notwendigkeit eines Abwehrsystems grundsätzlich akzeptiert".

Bleibt die Frage nach dem Wo? Die Amerikaner wollen auf keinen Fall ein Schlüsselelement ihrer Abwehr außerhalb der absoluten eigenen Kontrolle errichten. Bloß wie Putins Angebot ablehnen? Vor allem ohne damit den Anschein zu erwecken, Moskau habe mit seinen Vorwürfen doch Recht und es gehe den USA mit ihren Anlagen in Tschechien und Polen in Wahrheit gar nicht um die Abwehr von iranischen Raketen, sondern um die Kontrolle Russlands.

US-Raketenabwehrchef Henry Obering schafft diesen Spagat mühelos: Aserbaidschan liege zu nah am Iran, sagt er: "Das ist, wie wenn ein Auto auf der Autobahn auf Sie zurast. Sie können es sehen, aber Sie haben keine Zeit zu reagieren. Daher kann das russische Angebot nur in Ergänzung zum geplanten US-Raketenschild in Polen und Tschechien genutzt werden." Klingt logisch; aber ist Logik ein Kriterium für Machtpolitik? Wolfgang Machreich

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