Rechtspopulismus, Politik & Moral

Werbung
Werbung
Werbung

Wir hatten recht und machten es richtig! Davon sind Marlene Streeruwitz und Andreas Khol noch heute gleichermaßen überzeugt, wenn sie an ihre politische Rolle vor zehn Jahren zurückdenken. Die eine war Wortführerin der Donnerstagsdemonstrationen gegen die erste schwarz-blaue Regierung, der andere einer ihrer Architekten. Doch dies ist, was den Kampf gegen den Rechtspopulismus in unserem Land betrifft, nicht die Stunde des Rechthabens, sondern der Ratlosigkeit.

Schüssels Wagnis, mit einer Partei zu koalieren, deren Vorsitzender vom Europäischen Parlament wegen ausländerfeindlicher und rassistischer Äußerungen verurteilt worden war, bedeutete die Abkehr vom Weg der politischen Ausgrenzung des Rechtspopulismus, den SPÖ und ÖVP seit Haiders Wahl zum Parteiobmann 1986 beschritten hatten. Das wurde innerhalb wie außerhalb des Landes als Tabubruch empfunden.

Letztlich ist freilich auch die ÖVP bei ihrem Versuch, den Rechtspopulismus zu domestizieren, gescheitert. Haider, das BZÖ und Schüssel sind Geschichte, während die FPÖ zu alter Stärke zurückgefunden hat und im Superwahljahr 2010 zum Sprung ansetzt, erneut zweitstärkste politische Kraft in Österreich zu werden. Wieder regiert eine große Koalition, die keine Lösung des Problems, wohl aber eine seine Ursachen ist. Eben darum besteht am 4. Februar 2010 kein Grund zur Rechthaberei, weil bislang weder Ausgrenzung noch Zusammenarbeit den Rechtspopulismus entzaubern konnten.

Kirchen sollten für Klarstellungen sorgen

Es lohnt sich noch immer, den Bericht der sogenannten drei Weisen, Martti Ahtisaari, Jochen Frowein und Marcelino Oreja, zur Hand zu nehmen, auf dessen Grundlage im Herbst 2000 die rechtlich fragwürdigen und politisch kontraproduktiven Sanktionen gegen Österreich aufgehoben wurden. Die Autoren gelangten zu folgendem Resümee: „Die Entwicklung der politischen Natur der FPÖ von einer rechtspopulistischen Partei mit extremistischer Ausdrucksweise zu einer verantwortungsvollen Regierungspartei ist nicht ausgeschlossen. Allerdings ist eine solche Entwicklung aufgrund der relativ kurzen Erfahrungen nicht klar erkennbar.“ Zehn Jahre später kann das Urteil über die Partei, ihr Personal und ihre Politik nur unverändert negativ ausfallen.

In ihrem Parteiprogramm preist sich die FPÖ als „natürlicher Partner der christlichen Kirchen“ an. Das ist zu bestreiten. Ein wehrhaftes Christentum à la FPÖ, das vor Antisemitismus und islamfeindlichen Parolen nicht zurückschreckt, widerspricht nach Geist und Buchstabe der neutestamentlichen Botschaft des Evangeliums. Das sollten die Kirchen in den bevorstehenden Wahlkämpfen unumwunden klarstellen; insbesondere die evangelische Kirche, unter deren Mitgliedern der Anteil an FPÖ-Wählern traditionell besonders hoch ist.

Gerade wenn es um die Auseinandersetzung mit extrem populistischen Parteien geht, wird regelmäßig über das Verhältnis von Politik und Moral diskutiert. Sind es bei uns die Rechten, so sind es in Deutschland die Linken, die aus der ehemaligen SED hervorgegangen sind und noch immer ehemalige Stasi-Mitarbeiter unter ihren Parteikadern haben.

So gewiss die Auseinandersetzung mit politischem Extremismus auch auf einer moralischen Ebene geführt werden muss, so wenig können doch moralische Entrüstung und Lichtermeere realpolitische Strategien ersetzen. Die Unteilbarkeit der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte sind das moralische Fundament und die Maßstäbe, an denen politisches Handeln zu messen ist. Aber diese Grundwerte müssen in reale Politik umgesetzt und nicht lediglich in Sonntagsreden beschworen werden.

Die Aufgabe einer kritischen Ethik besteht auf dem Gebiet des Politischen gerade darin, vor zu viel Moral und ihrem demagogischen Missbrauch als politische Waffe zu warnen. Nun ist es gerade die FPÖ, die sich als Partei der Anständigen und Saubermänner geriert und politische Auseinandersetzungen zu moralischen erklärt, indem politische Gegner als „Verräter“, Kritiker einer „Schmutzkübelkampagne“ bezichtigt oder Asylsuchende pauschal als Kriminelle verunglimpft werden.

Die Ideologie des Rechtspopulismus vertritt eine Moral des Ressentiments, deren politische Logik dem Schema von Freund und Feind folgt, das der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt, der sich für den Nationalsozialismus engagierte, zum Grundmodell alles Politischen erklärt hat. In der Sprache der modernen Sozialwissenschaften gesprochen folgt die Politik des Rechtspopulismus der scharfen Logik von Inklusion und Exklusion von Einzelnen und ganzen Menschengruppen, die im Extremfall zu rechtlosen Objekten degradiert und auf ihr nacktes Leben reduziert werden, wie es der italienische Philosoph Giorgio Agamben in seinem Hauptwerk „Homo sacer“ beschreibt.

„Heimat“, „Inländer“ und „Ausländer“, „wegsperren“, „Grenzen dichtmachen“, das ist die Sprache der Inklusion und Exklusion des Rechtspopulismus. Dieses Denken hat freilich schon vor der schwarz-blauen Wende auf die Asylpolitik von ÖVP und SPÖ übergegriffen, wie die zunehmende Aushöhlung von Flüchtlingsrechten oder die beschämende Debatte über die Errichtung eines neuen Aufnahmelagers zeigen. Menschenrechtswidrige Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik sind kein ausschließlich österreichisches, sondern leider ein gesamteuropäisches Phänomen. Dem Geist des Christentums, der doch gern als Fundament europäischer Werte beschworen wird, widersprechen sie allemal.

* Der Autor ist evangelischer Theologe, leitet das Institut für Ethik und Recht in der Medizin

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung