Reichtum in den Taschen Weniger

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Seit dem Mord an einem Enthüllungsjournalisten kommt Burkina Faso innenpolitisch nicht mehr zur Ruhe. Zudem gerät das westafrikanische Land als illegaler Umschlagplatz für Diamanten und Waffen mehr und mehr in das Schussfeld internationaler Kritik.

Trop, c`est trop!", "genug ist genug", lautet das Motto des politischen Widerstandes in Burkina Faso gegen die oligarchische Politik der Regierung Blaise Compaoré. Schlüsselereignis für den Unmut der Burkiner war die Ermordung des populären Enthüllungsjournalisten Norbert Zongo. Er und seine drei Begleiter wurden im Dezember 1998 erschossen in einem Auto aufgefunden. Die Tat war politisch motiviert. In zahlreichen Demonstrationen und Streiks wurde seither der Rücktritt von Staatsoberhaupt Compaoré und die Aufklärung der Verbrechen der Vergangenheit gefordert. Tausende demonstrierten auch auf den Straßen der Hauptstadt Ouagadougou gegen die Privatisierungspläne der Regierung, die nur dazu dienen, den Machthabenden Staatsbesitz zuzuschanzen.

Der Chef der Oppositionspartei PDP (Parti pour la Démocratie et le Progrès), Joseph Ki-Zerbo, kritisiert schon seit langem die korrupten Machenschaften der kleinen Elite rund um den Präsidenten, die "das Land regiert, als wäre es ihr privates Eigentum". Ki-Zerbo wurde außerhalb seines Landes mit dem Geschichtsklassiker "Die Geschichte Schwarz-Afrikas" (inzwischen vergriffen) bekannt. Seit einem halben Jahrhundert kämpft der knapp 80-Jährige für eine unabhängige Justiz, freie Wahlen, das Einhalten der Menschenrechte, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und das Recht auf oppositionelle Stimmen im Land. Sein Kampf bescherte ihm mehrere Gefängnisaufenthalte, trotzdem denkt er nicht daran, aufzugeben. Er glaubt fest an einen politischen Wandel und an die Macht der Zivilbevölkerung, die man aufklären müsse. "Das afrikanische Volk ist bereit für die Demokratie", sagt Ki-Zerbo im Gespräch mit der furche. Das Problem sei die herrschende und korrupte Elite, die keinen Machtwechsel zulässt.

Wahlkampf ohne Geld

Im April dieses Jahres finden Parlamentswahlen statt. Die Opposition rechnet sich keine großen Chancen aus, denn ihr fehlt es am Wichtigsten: Geld. Ohne Geld kein Wahlkampf, und ohne Wahlkampf wird man den Großteil der Bevölkerung, die zu 77 Prozent aus Analphabeten besteht, nicht erreichen können. Oppositionspolitiker investieren privates Kapital, um kleinere Wahlkampftouren außerhalb Ouagadougous durchführen zu können. Weiters fehlt der Opposition die Präsenz in den Medien. Das staatliche Fernsehen und Radio ignorieren die Opposition und fungieren als Sprachrohr der Regierung. "Es werden nur Amtsinhaber interviewt, die natürlich alles so darstellen, als gäbe es keine Missstände in Burkina. Oppositionspolitiker kommen einfach nicht zu Wort", kritisiert der Vorsitzende der "Interafrikanischen Menschenrechtsunion" (UIDH) Halidou Ouédraogo.

Der Widerstand gegen die Regierung Blaise Compaoré begann mit der Ermordung von Norbert Zongo, dem Chefredakteur der kritischen Wochenzeitung l`Indépendent. Dieses Ereignis brachte das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen. Zongo war unbequem, denn in zahlreichen Artikeln kritisierte er den stark gewachsenen Reichtum und Einfluss der Familie des Präsidenten. Außerdem recherchierte er an einer Geschichte, die beweisen sollte, dass der Bruder des Präsidenten in den gewaltsamen Tod seines Chauffeurs verwickelt war. Zongo wollte den politisch motivierten Mord beweisen und musste dafür selber sterben.

132 Personen vermisst

Die burkinische Bevölkerung reagierte mit Streiks und Protesten und forderte die Aufklärung des "Falles Zongo" sowie aller anderen Attentate. Seit 1983 wurden 132 Personen getötet oder gelten als vermisst. In einem offenen Brief an den Präsidenten, der im Frühjahr 1999 in einer burkinischen Tageszeitung abgedruckt wurde, listete Halidou Ouédraogo 75 ungeklärte Fälle während der Regierungszeit Compaorés (großteils namentlich) auf. In dem Brief wurde der Präsident aufgefordert, die Fälle aufzuklären, die Familien der Opfer finanziell zu entschädigen und zurückzutreten. Der Brief, der akribisch detailliert das Schreckensregime wieder in die Erinnerung der Öffentlichkeit gerufen hat, fand große Zustimmung in der Bevölkerung. Die Regierung setzte daraufhin eine Untersuchungskommission ein, der auch Vertreter der Opposition und Menschenrechtsbewegung angehörten. Die Kommission kam nach Anhörung von 200 Personen zu dem Schluss, dass der Journalist ermordet wurde. Der Verdacht fiel auf einige Mitglieder der Präsidentengarde.

Die Veröffentlichung dieses Berichtes führte zu großen Unruhen im Land, die teilweise blutig niedergeschlagen wurden. Schüler und Studenten streikten, woraufhin die Regierung Schulen und Universitäten schließen ließ. Es kam auch zu Verhaftungen von Oppositionellen. Drei Mitglieder der Präsidentengarde wurden zu zehn und 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Drei andere Verdächtige wurden freigesprochen. Ein namentlich als Auftraggeber für den Mord an dem Chauffeur Genannter, starb einen Monat später an einer mysteriösen Krankheit. Das rechtzeitige Verschwinden seiner Leiche verhinderte eine Autopsie und somit die Aufklärung seines plötzlichen Ablebens. Er teilt das Schicksal mit vielen, die zu viel wissen. Sie alle sterben an einer plötzlich eintretenden Krankheit oder verschwinden im Gefängnis, bevor sie eine Aussage tätigen können.

Nicht nur innenpolitisch, sondern auch international wächst aber mittlerweile der Druck auf Präsident Compaoré. Ihm wird vorgeworfen, dass die Regierung Burkina Fasos den internationalen Waffen-, Gold- und Diamantenschmuggel massiv unterstütze. Die Anschuldigungen, er unterstütze den in einen - gerade wieder neu entflammten - Bürgerkrieg verwickelten Präsidenten Liberias, Charles Taylor, und die Aufständischen in Sierra Leone, hat Compaoré zwar vehement zurückgewiesen. Doch die Beweise, die für eine solche Unterstützung sprechen, häufen sich. Berichte burkinischer Soldaten die über ihren Einsatz in Liberia erzählen und den versprochenen Sold einfordern, sprechen eine deutliche Sprache.

"Blutdiamanten"

Weiters vermutet die Opposition, dass Burkina Faso auch die UNITA-Rebellen Jonas Savimbis in Angola unterstützt und somit auch als Drehscheibe für den illegalen Handel mit den so genannten "Blutdiamanten" fungiert. Auch ein UNO-Bericht führt Burkina Faso als Umschlagplatz für Diamanten aus dem Bürgerkriegsland Angola an. Gegenüber UNO und Europäischer Union hat die burkinische Regierung mittlerweile zwar mehr Transparenz, was den Import und die Verwendung von Waffen anbelangt, versprochen, doch die Opposition ist überzeugt, dass der illegale Handel mit Waffen, Diamanten und Drogen weitergeführt wird.

Burkina Faso ist laut aktuellem Weltentwicklungsbericht das viertärmste Land der Welt (an 159. Stelle vor Burundi, Niger und Sierra Leone). Es mangelt an sauberem Wasser, Essen, Strom, Medikamenten, Schulen und Arbeitsplätzen. Der Großteil der Burkiner ist im informellen Sektor tätig oder lebt von der Subsistenzwirtschaft. Die medizinische Versorgung, vor allem am Land, ist äußerst mangelhaft. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 44 Jahre.

Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium unterstützt Entwicklungsmaßnahmen in Burkina Faso schon seit 30 Jahren und stellte fast 35 Millionen Schilling (Stand 1999) für Programm- und Projekthilfe zur Verfügung. Die Projekte sind vielfältig: Lehrer werden ausgebildet, kleine Handwerksbetriebe unterstützt.

In einem Dorf südöstlich von Ouagadougou wurde der Aufbau einer Getreidebank finanziert. Das Getreide wird für den lokalen Gebrauch gespeichert und weiterverkauft. Mittels der Getreidespeicher sollen auch Missernten und Dürrejahre überstanden werden. Weiters werden Kleinkredite an Frauengruppen in Tenkodogo vermittelt. Die Projektträger treten als Bürge gegenüber den Banken auf und verschaffen so den Frauen etwas Geld, damit sie sich selbständig machen können. Sie stellen unter anderem Karitébutter und -seife her. Hilfe zur Selbsthilfe, lautet die Devise. Und die kann die krisengeschüttelte Bevölkerung auch brauchen, denn die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Dabei sei das Land reich und nicht arm, ist Halidou Ouédraogo überzeugt: "Wir hätten die Mittel, die Armut zu bekämpfen, doch in Burkina fließt all der Reichtum in die Taschen Weniger."

Die Autorin ist Afrika-Redakteurin bei "Südwind", dem Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung.

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