Reif fürs Kreuzchen

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Rechtzeitig vor der Nationalratswahl werben die Parteien um die Sympathien der 300.000 Erstwähler. Ob in Zukunft bereits 16-Jährige zu den Urnen gerufen werden sollen, bleibt umstritten. Das Interesse wäre jedenfalls groß.

Wer, wenn nicht Ihr?" Thomas Maurer liebt das Spiel mit der Doppelbödigkeit - auch, wenn es diesmal um eine ernste Sache geht: Gemeinsam mit Kabarettisten-Kollegen wie Josef Hader, Andrea Händler oder Dolores Schmidinger will er im Rahmen der Kampagne "vote4future" Österreichs 300.000 Erstwähler dazu motivieren, am 24. November ihr demokratisches Recht zu nutzen und der Partei ihres Vertrauens ihr Kreuz zu schenken. Initiator der Kampagne ist die Bundes-Jugendvertretung, die im Juni dieses Jahres gegründet wurde und 40 Jugendorganisationen umfasst. "Wir wollen den jungen Leuten deutlich machen, dass ihre Wahl Auswirkungen auf ihren Alltag hat", erklärt Bernd Lunglmayr, Geschäftsführer der Jugendvertretung.

Auf der Homepage der Kampagne (www.vote4future.at) finden sich neben flotten Sprüchen auch gute Gründe für den Urnengang: "Bei der letzten Wahl haben nur 415 Stimmen das Rennen entschieden", gibt man zu bedenken. Ähnlich Spannendes stünde Österreich auch am 24. November bevor: "Dieser Wahltag kann zum Krimi werden, und deine Stimme könnte den Ausschlag geben."

Das wissen auch die wahlwerbenden Parteien. Umso intensiver werben sie um die Gunst der jungen Generation. Immerhin haben diesmal rund eine Million Österreicher unter 30 Jahren die Möglichkeit, die zukünftige Sitzverteilung im Parlament mitzubestimmen.

Das medienwirksamste Signal Richtung Jugend hat zweifellos die ÖVP gesetzt: Mit der erst 21-jährigen Silvia Fuhrmann, Obfrau der Jungen Volkspartei (JVP), wird die mit Abstand jüngste Abgeordnete in den Nationalrat einziehen. Entsprechend selbstsicher gab Fuhrmann, deren Konterfei neben jenem von Wolfgang Schüssel den ÖVP-Wahlkampfbus ziert, in Alpbach ein Bekenntnis ihrer Partei zur Jugend ab: "Wer, wenn nicht die ÖVP, soll die Jugendlichen ansprechen."

Unkonventionelle Wahl

Glaubt man einer aktuellen Untersuchung des Klagenfurter Humaninstituts, so ist ihr das bislang nicht so ganz geglückt: Wären am 3. November Wahlen gewesen, so hätten demnach nur zwölf Prozent der Unter-30-Jährigen der Volkspartei ihre Stimme geben, 28 Prozent den Grünen, 23 Prozent der SPÖ und neun Prozent der FPÖ. Bei den Nationalratswahlen 1999 sahen die Präferenzen noch anders aus: Damals wählten nach Umfragen 17 Prozent die ÖVP, immerhin 35 Prozent die FPÖ, 25 Prozent die SPÖ, 13 Prozent die Grünen und vier Prozent das Liberale Forum. Gerade junge, interessierte Wähler seien nach Meinung des Politologen Fritz Plasser besonders flexibel und würden sich oft sehr spät entscheiden. Für die Parteien Grund genug, bis zuletzt die Ärmel aufzukrempeln.

Für Bernd Lunglmayr sind die Wahlergebnisse selbst sekundär. Wichtiger ist für ihn, dass die Wahlbeteiligung stimmt. Zwar ortet er keine grundsätzliche Politikverdrossenheit unter den Jungen, wohl aber eine "Parteipolitikverdrossenheit": "Kein Wunder, wenn man sich den derzeitigen Wahlkampf anschaut", kritisiert der Jugendvertreter. Viele fühlten sich von der traditionellen Politik nicht mehr vertreten. "Jugendpolitik muss deshalb oberste Priorität haben", so Lunglmayr.

Zu einem ähnlichen Befund kommt Martina Weixler vom Österreichischen Institut für Jugendforschung. Obwohl im Rahmen der Österreichischen Jugendwertestudie 2000 nur sechs Prozent der Jugendlichen die Politik als "sehr wichtigen" Lebensbereich qualifizierten, könne von einer "unpolitischen" Jugend keine Rede sein: "Traditionelle Politikbereiche stoßen auf kein besonderes Interesse, dafür aber direktdemokratische Beteiligungsformen", erklärt die Jugendforscherin. Das Engagement bei NGOs gehöre ebenso dazu wie die Teilnahme an Demonstrationen. Auch eine zweite Tendenz sei festzustellen, so Weixler: "Politisches Interesse steigt mit dem Bildungsgrad. Deshalb ist es wichtig, früh mit politischer Bildung zu beginnen."

An Österreichs Schulen ist die Einführung ins politische Denken freilich noch jung. Erst im Herbst 2001 wurde in der AHS-Oberstufe das Schulfach Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung eingeführt. Und dieser Tage erschien erst das dazugehörige Schulbuch (siehe untenstehende Rezension).

Ein erster Schritt zu mehr Politikverständnis ist also gemacht. Sind aber auch schon 16-Jährige reif für die Wahl? Ja, ist die Bundes-Jugendvertretung überzeugt und fordert die generelle Absenkung des Wahlalters. Schon jetzt ist Wählen mit 16 auf Kommunalebene in Kärnten, Steiermark und dem Burgenland möglich.

Auch die Junge Volkspartei hatte sich noch im Juni für eine Wahlalterabsenkung auf Bundesebene ausgesprochen, diese Meinung aber revidiert - sehr zum Ärger der Bundes-Jugendvertretung. Zuerst müsse "das Demokratieverständnis ausgebaut werden", meint JVP-Obfrau Silvia Fuhrmann. Dagegen habe sich das Wählen auf kommunaler Ebene - wie zuletzt im Burgenland - bewährt. Ähnlich die Haltung des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ): "Aus erziehungspolitischen Gründen wäre es klüger, wenn Jugendliche erst ab 18 Jahren auf Bundesebene wählen könnten", meint der stellvertretende Bundesobmann des RFJ, Bernhard Egger. "Bis zu diesem Alter sind sie noch sehr leicht zu überreden."

Diese Ansichten stoßen bei den anderen Jugendvertretern auf heftige Kritik: "Es gibt kein abgestuftes Demokratieverständnis", empört sich Andreas Kollross, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreichs. "Laut Gesetz muss ein 17-Jähriger den Dienst an der Waffe antreten, aber wählen darf er nicht." Auch die Katholische Jugend Österreichs (KJÖ) spricht sich für Wählen ab 16 aus: "Wenn wir wollen, dass Jugendthemen wichtig werden, müssen wir den Jugendlichen eine Stimme geben", meint Clemens Pichler, Vorsitzender der KJÖ. Immerhin seien im Burgenland bis zu 97 Prozent der Unter-18-Jährigen zur Urne geschritten.

Bei den Kommunalwahlen im steirischen Oberzeiring hat man ähnliche Erfahrungen gemacht: Hier betrug die Wahlbeteiligung fast 100 Prozent. Für Peter Scheibengraf, Sprecher des Forums Politische Bildung Steiermark, ein guter Grund, sich für eine Wahlaltersenkung auszusprechen - gekoppelt mit mehr politischer Bildung: "Jugendliche sollen nicht zum bloßen Stimmvieh werden. Aber wenn ein 80-Jähriger wählen kann, kann das ein 16-Jähriger schon lange."

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