Religiöser Sozialist: Kleiner Bauer, großer Brückenbauer
Ein Otto Bauer reichte nicht: Neben der sozialistischen Parteigröße in der Zwischenkriegszeit gründete sein Namensvetter den „Bund religiöser Sozialisten“ und entwickelte ein Politik- und Glaubensgebäude von enormer Weite und großer Aktualität.
Ein Otto Bauer reichte nicht: Neben der sozialistischen Parteigröße in der Zwischenkriegszeit gründete sein Namensvetter den „Bund religiöser Sozialisten“ und entwickelte ein Politik- und Glaubensgebäude von enormer Weite und großer Aktualität.
Mit einer Kapitelüberschrift „Russia ante portas!“ ist auch ein vor 90 Jahren verfasster Text im Jetzt. Der im März 1931 vom religiösen Sozialisten Otto Bauer geschriebene Artikel behandelt „Schleuderexporte“ von Getreide und Petroleum aus der Sowjetunion und die Befürchtung in den „kapitalistischen Ländern“, die Dumpingpreise könnten Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit verstärken und der Weltrevolution vorarbeiten. Bauer beschreibt die Frontbildung zwischen West und Ost, die Boykott- und Sanktionsdrohungen, Aufmarsch und Schlachtreihen der zwei Systeme – und man findet sich in einer Blaupause zum Heute.
In einem zwei Jahre später verfassten Artikel mit dem Titel „Gottfernes Christentum“ warnt Bauer: „Sobald das Christentum seines Kernes verlustig und zur leeren Schale wird, sobald es gegenüber den Gewalten der Welt, dem Staate, der Nation, dem Cäsar, sein Erstgeburtsrecht preisgibt – meistens aus kluger Anpassung und in Hoffnung auf Vorteil –, dort wird es bei aller äußerlichen Herrlichkeit die dienende Magd dieser Gewalten.“ Für heutige Leser, denen dabei noch nicht die unheilige Allianz zwischen Putin und Kyrill I. in den Sinn kommt, lässt Bauer nach einer Beschreibung des Missbrauchs christlicher Ideale und Symbole zur Rechtfertigung für Unterdrückung und Krieg den Moskauer Patriarch aus seinem Text aufstehen: „Das Volk marschiert nun williger ins Massenelend, in Massenknechtschaft, Krieg und Massensterben. Eine Prozession des Teufels – und oft führt sie sogar ein Kirchenmann an.“
Katholische „Kummerl“
Der Politikwissenschafter Anton Pelinka traf Otto Bauer 1976 in New York. Pelinka war damals FURCHE-Redakteur, seinem Artikel gab er die Überschrift: „Drei Jahrzehnte zu früh?“ Seither sind mehr als fünf Jahrzehnte vergangen, aber für Otto Bauers Texte gilt: Sie kommen nie zu spät! Sie passen immer, weil sie Fausts Gretchenfrage an die Politik stellen und umgekehrt die christliche Religion und Kirche(n) fragen: Wie hast du’s mit der Politik?
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