Respekt vor dem Franzosenmut

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In Kasachstan oder der äußeren Mongolei wäre die EdF vermutlich auf mehr ökonomische Vernunft gestoßen als hierzulande.

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In Kasachstan oder der äußeren Mongolei wäre die EdF vermutlich auf mehr ökonomische Vernunft gestoßen als hierzulande.

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An dem Umstand, daß sich der französische Stromerzeuger EdF zu 25 Prozent an der steirischen ESTAG beteiligt und dafür auch noch mehr als fünf Milliarden Schilling zahlt, überrascht eigentlich nur eines: daß die Franzosen ihr gutes Geld in ein Land investieren, dem offenbar die letzten Reste wirtschaftspolitischer Vernunft vollkommen abhanden gekommen sind. Für diesen unternehmerischen Mut ist dem Pariser Konzern Respekt zu zollen; schließlich hätte EdF ja genausogut in Kasachstan oder der äußeren Mongolei investieren können, wo die Franzosen vermutlich mit deutlich vernünftigeren ökonomischen Argumenten begrüßt worden wären als hierzulande.

Ökonomisch sind die verbalen Absonderungen, die da rund um den Deal hochblubberten, ohnehin nur bei Nachsicht aller Taxen zu nennen. Vorgeworfen wird den Steirern und ihren künftigen französischen Partnern im wesentlichen zweierlei: erstens, daß EdF ein ausländisches und kein inländisches Unternehmen ist (was stimmt), und zweitens, daß EdF in Frankreich einen erheblichen Anteil seiner Stromproduktion aus der Nutzung von Kernenergie generiert (was ebenfalls zutrifft).

Die Frage aber, was am Leben der Bewohner der Steiermark oder an den Bilanzen steirischer Unternehmen sich zum Schlechteren wenden wird, bloß weil ein a) ausländischer und b) atomstromproduzierender Konzern nun Minderheitsgesellschafter an dem steirischen Stromversorger wird, haben bis dato weder die Abgeordnete Langthaler noch der Herr Vizekanzler Schüssel noch irgend ein anderer der Bedenkenträger auch nur annähernd erklären können.

Auch unter physikalischen Laien sollte mittlerweile außer Streit stehen, daß Strom aus der Steckdose immer ziemlich gleich beschaffen ist, gleichgültig ob er aus einem französischen Kernreaktor, aus einem Tiroler Speicherkraftwerk oder einem steirischen Kernöl-Kraftwerk stammt. Sollte die EdF eines Tages wirklich Atomstrom ins steirische Netz einspeisen wollen, werden die Steirer das höchstens daran merken, daß dieser Strom billiger ist als etwa jener, der zu europaweiten Höchstpreisen in der Freudenau hergestellt wird.

Grund zur Erregung hätten in diesem Fall, wenn überhaupt, die französischen Anrainer von EdF-Kernkraftwerken. Denn die tragen immerhin das Restrisiko aus dem Betrieb derartiger Reaktoren, während in allfälligen Exportmärkten der Franzosen zwar der so gewonnene Strom, aber nicht ein Zuwachs an Risiko vorhanden ist.

Noch unbrauchbarer ist allerdings der zweite Vorwurf gegen die EdF, sie sei ein ausländisches Unternehmen. Unterstellt wird dabei, im Falle irgendeines nicht näher definierten nationalen Notstandes sei die Disposition über das lebensnotwendige Gut "Strom" nicht mehr unter nationaler österreichischer Kontrolle. Auch hier entkräftet die Physik die Bedenken der Kritiker. Denn zu den Charakteristika eines Kraftwerkes oder eines Hochspannungsnetzes gehört es, daß es sich dabei um nur relativ mühsam zu transportierende Güter handelt, die man nur schwer bei Nacht und Nebel demontieren und ins feindliche Franzosenland verbringen kann.

Ganz abgesehen davon, daß die EdF nur 25 Prozent an der ESTAG hält, ganz abgesehen davon, daß ein derartiger nationaler Notfall schwer vorstellbar ist, ganz abgesehen davon, daß die ganze Argumentation absurde Züge trägt: über kaum eine andere Infrastruktur kann die Regierung, wenn es denn sein muß, leichter die Kontrolle erringen als über die E-Wirtschaft (ausgenommen vielleicht die Grazer Kanalisation, die ist noch schwerer zu demontieren). Welche Staatsbürgerschaft die Eigentümer haben, zählt daher herzhaft wenig, wenn in einem wirklichen Notfall die Regierung über Kraftwerke und Überlandleitungen verfügen will.

Warum aber dann die sonderliche Erregung über eine ganz normale wirtschaftliche Transaktion, wie sie in der zivilisierten Welt alle Tage vorkommt?

Zu vermuten ist, daß die Vorgangsweise der Steirer aus ganz anderen Gründen als den offiziell genannten vielen Politikern Schmerzen zufügt.

Erstens: weil die ganze österreichische E-Wirtschaft samt der sie steuernden Politik nun ziemlich begossen in der Gegend herumsteht. Jahrelang war von einer "österreichischen Lösung" die Rede, nur zusammengebracht hat sie halt niemand, aus kleinlichen Lokalinteressen und parteipolitischen Erwägungen heraus.

Zweitens: weil die erste namhafte ausländische Beteiligung an einem österreichischen Stromversorger möglicherweise dazu führen wird, daß dort nicht mehr so ohne weiteres Patronage, Filz und Vetternwirtschaft betrieben werden können, sondern Effizienz und shareholder-value-Denken einziehen. Dafür, daß der Sohn des Herrn Landesrates oder der Frau Abgeordneten eine Position braucht, wird Paris nicht zwangsläufig Verständnis haben. Wenn das Schule macht, wo kann man als treuer Diener einer Partei dann überhaupt noch irgendwen irgendwo unterbringen?

Drittens: weil es am Markt der Wählerstimmen noch immer gut ankommt, gegen ein ausländisches Unternehmen Stimmung zu machen, das unvorsichtig genug ist, sein Geld hier anlegen zu wollen.

Daß die Grünen diesen Stimmungsmarkt bedienen, überrascht nicht weiter; daß die ÖVP als emeritierte Wirtschaftspartei genauso argumentiert, eigentlich auch nicht mehr. Mit Spannung dürfen wir allerdings darauf warten, ob Wolfgang Schüssel konsequent bei seiner Haltung bleibt und als nächstes etwa den von seiner Partei mitgetragenen Verkauf von einem Viertel der österreichischen Telekom an einen ausländischen Telefonkonzern mit der gleichen Logik bekämpfen wird - oder ob da, der leeren Staatskassen wegen, plötzlich andere Gesetze gelten werden.

Der Autor, früher Herausgeber der "WirtschaftsWoche", arbeitet federführend an einem von den Brüdern Fellner geplanten Wochenmagazin.

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