Rudern im Strom des Entsetzens

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Es ist schon eine seltsame Allianz, die sich da zum Thema Islam in einen Topf geworfen hat, und nun vor Empörung überkocht. Der sozialdemokratische Wiener Bürgermeister und die FPÖ, das sonst so aufgeklärte Stadtmagazin Falter, die unvermeidliche Krone, die Grünen. Berührungsängste gibt es scheinbar nicht, angesichts grün-weißer Banner. Man sieht eben gerne mal gemeinsam rot. Es hat ja auch was: Eine wilde Horde von 40 bis 80 radikalen Religionslehrern bedrängt die Republik, weil sie laut einer Studie die Demokratie ablehnen. Dagegen verkommen jene 25 Prozent aller österreichischen Jugendlichen, die sich laut Wertestudie einen "starken Mann" wünschen, der sich um das Parlament nicht schert, geradezu zur harmlosen Randnotiz. Hier soll nicht der Versuch unternommen werden, radikale Religionslehrer zu verharmlosen oder die tollpatschig-hilflosen Reaktionen der Islamischen Glaubensgemeinschaft schönzureden. Aber ein gerüttelt Maß weniger Aufregung würde guttun, zumal für alle Beteiligten die Schlussfolgerungen ohnehin außer Streit stehen: Erstens haben solche Lehrer im Unterricht nichts verloren. Zweitens muss die Islamische Glaubensgemeinschaft ihren Weg der Lehrerausbildung weitergehen, die gerade in den vergangenen Jahren auf einem unbestreitbar guten Weg war - übrigens eine der Hauptaussagen der angeblichen Skandal-Studie.

Wer ist nun das Opfer: die FPÖ?

Was allerdings genauso intensiv beschäftigen sollte wie die radikalen Pädagogen, ist die Reaktion der Politik auf die Studie. Die FPÖ tut das derzeit mit flächendeckenden Inseraten im Dichand'schen Blättchenwald. Unter dem Titel "Für die Wahrheit verurteilen sie uns" warnt Parteiführer Strache vor einer "dramatischen Situation" für den Rechtsstaat. Verschönt wird das Pamphlet von einem über das Wort "verurteilt" gelegten Paar Handschellen.

Mit dem Spruch seien die anderen Parteien gemeint, die die FPÖ für ihre weitsichtige Politik verurteilen würden, sagt die FPÖ. Die Handschellen weisen allerdings auf ganz anderes hin: Die FPÖ-Mandatarin Susanne Winter hatte im Grazer Wahlkampf den Propheten Mohammed als Kinderschänder bezeichnet und war dafür vor einer Woche von einem Gericht wegen Verhetzung verurteilt worden (nicht rechtskräftig). Das aktuelle Inserat nimmt also vielmehr Bezug auf dieses "Skandalurteil" (FP-Generalsekretär Kickl), das laut Strache eine Mandatarin traf, die bloß "den Schutz der Kinder hochgehalten hat". Aber wer greift nun hier eigentlich Gerichte und Rechtsstaat an, die Islam-Lehrer oder die FPÖ? Mit dem Islam-Geschrei beginnt auch der drohende Wiener Wahlkampf durch die Straßen der Hauptstadt zu wabern, gewürzt mit den Schlüssel-Worten freiheitlicher Vorstellungskraft: "Abschiebung", "Kontrolle" und "Kein EU-Beitritt der Türkei". Es könnte einem übel werden - vor allem, wenn man die Reaktion des Wiener Bürgermeisters betrachtet, der fleißig mitrudert im Strom des Entsetzens.

Schlaflos in Wien

Michael Häupl tut tatsächlich nichts, um aufzuklären oder eine Gegenposition zum rechten Rand zu entwerfen (wie übrigens auch sonst keine der Parteien). Im Gegenteil, sagt Häupl, er könne "nicht mehr ruhig schlafen", seit er die Studie kenne. Hat er sie gelesen? Dann nämlich könnte er besser schlafen als noch vor zehn Jahren, als es noch keinerlei Kotrolle oder Ausbildung der islamischen Religionslehrer gab. Doch wen kümmern solch unwichtige Details. Am Mittwoch legte Häupl nach: "Deutschtest für alle Islamlehrer" lautete die Schlagzeile, und Österreich lieferte die Übersetzung: "Wer die Sprache nicht beherrscht, fliegt." Was macht es schon aus, dass die Sprachkenntnisse der Lehrer von der Studie gar nicht kritisiert wurden - es ist halt Wahlkampf, und jetzt hat Häupl wenigstens etwas gefordert, was nicht schon von FP-Plakaten herunterleuchtet. Schon vergessen? Es gab Zeiten, da hat derselbe Häupl einen Wahlkampf gewonnen, in dem er sich gegen die FP-Hetze zur Wehr setzte. Warum der Sinneswandel? So schlecht stehen die Umfragewerte, dass man nun schon vor den dummdreisten Daham-statt-Islam-Ideologen in die Knie geht? Arme Muslime. Auf ihre Kosten wird es nun bis zur Gemeinderatswahl eine rechte Hetz geben - und vielleicht auch noch eine linke.

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