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Rüge für den Bundesjugendring

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Wie eine Bomlbe schlug das Schreiben des Unterrichtsministeriums im österreichischen Rundesj ugen dri ng ein. Nachdem sich die erste Bestürzung gelegt hatte, begann man Überlegungen anzustellen, wie man auf die ministerielle Rüge reagieren soll. Eine StefHunignalhme des „Ringes“ ist jedoch nicht vor Oktdber zu erwarten, denn erst zu diesem Zeitpunkt wird es möglich sein, alle Mitglieder des Präsidiums beziehungsweise des personell noch weiteren Vorstandes zu versammeln, um dem Minister zu entgegnen. Diese Tatsache hinderte jedoch die österreichische Gewerk- schatftsjuigend nicht, bereits eine scharfe Resolution zu verabschieden, in der das Selbstentscheidungsrecht des Bundesjugendringes betont wird.

Nun wiar der Hauptgrund der Bestürzung nicht so sehr die Tatsache des Schreibens selbst, sondern die Umstände der Veröffentlichung. Bisher war es üblich, ein Schreiben an den Bundesjugendning erst nach erfolgter Stellungnahme desselben zu veröffentlichen. Diesmal ging das Ministerium von dieser Gewohnheit alb und ütoengalb den Brief an den BJR bereits vorher der Öffentlichkeit. Dieses ungewöhnliche Verhalten befremdete, noch mehr aber, daß diese Vomgangsweise von Beamten des Ministeriums zunächst nicht zugegeben wurde. Es ist jetzt allerdings schwer, eine Auskunft von kompetenter Stelle aus dem Ministerium zu erhalten-, denn der für den Brief verantwortlich zeichnende Sektionschef Dr. Pruckner befindet sich derzeit auf Urlaub, sein Stellvertreter, Ministerialrat Dr. Brodil, ebenfalls, außerdem ist er mit dieser Sache nicht befaßt. Auch der zuständige Minister ist derzeit nicht in Wien.

Die zweite Bombe

Das Ministerium hat demnach entgegen den Gepflogenheiten den Brief veröffentlicht. Allerdings nicht zur Gänze. Denn Ausgangspunkt der wenn auch hinter freundlichen Formeln versteckten Rüge war ein Protest des Ringes Freiheitlicher Jugend Österreichs, den dieser an das Ministerium gesandt baltę. Das.aber war die zweite Überraschung des Schreibens. Bisher hatte der Minister dem Bundesjugendring nur Vorwürfe wegen der Nachtaufnahme der ALpen- vereinsjiuigend gemacht. Diese ist in dem genannten Schreiben aber namentlich nicht mehr erwähnt.

Der Inhalt des Schreiibens ist inzwischen durch die Tagespresse gegangen. Darin wind der BJR auifige- fondert, die bisher abgelehnten Aufnahmen in den Ring durchzuführen, die Verantwortlichen des Ringes werden „ermuntert“, mit den ausgeschlossenen Jugendgemeinschaften zu einer demokratischen Formen entsprechenden Zusammenarbeit au kommen und zuletzt folgte bei Betonung der Tatsache, kein Druckmittel auwenden zu wollen, doch der Hinweis, daß eine Beibehaltung des bisherigen Verhaltens eine andere Verteilung der Geldmittel als in der Vergangenheit zur Folge haben könnte.

Die heftigen Reaktionen mancher Juigendtfunktionäre, die ihre Organisationen im Bundesjugendiring vertreten, bezogen sich zunächst auf das Faktum, der Minister wolle einer als freiem Verein konstituierten Gemeinschaft seinen Willen aufzwingen. Nun stimmt das nicht. Denn über Aufnahmen wird gemäß Statut der Ring immer selbst entscheiden können, auch weiterhin in der Form wie bisher — das heißt mit qualifizierten Mehrheiten. Die Schwierigkeiten dieses Systems haben wir in unserem Blatt (Die „Furche“ Nummer 48/1965) bereits einmal dargestellt. Eine Änderung wäre nur durch eine Statutenänderung möglich.

Anders verhält es sich mit der Verteilung der Geldmittel. Hier war der Ring nie autonom, sondern er erstellte alljährlich einen Vorschlag, der bisher auch im Budgetvoran- schlag der Bundesregierung angenommen wurde. Bisher wurde allerdings auch das Budget von einer Koalitionsregierung dem Parlament vorgelegt, und die Mittel für den Bundesjugendring flössen aus den Etats des Unterrichts- und des Sozial- ministeriums zu gleichen Teilen. Seit dem 6. März, richtiger seit dem 30. Juni 1966, ist das anders. Am zuletzt genannten Tag trat das neue Kompetenzgesetz in Kraft, das für die Subventionsvergabe an den BJR allein das Unterrichtsministerium zuständig machte.

Der Bundesjugendring — ein Koalitionskind

Der Bundesjugendring, der in der Koälitionszedt gegründet wurde, und in seiner Zusammensetzung als ein Koalitionskind bezeichnet werden kann, konnte also zu Zeiten der Koalition damit rechnen, daß sein Ver- teilungsvorschlag angenommen wird, auch wenn keine Verpflichtung der Ministerien dazu bestand. Was also dem Ministerium als Drohung ausgelegt werden könnte, nämlich die Mittel unabhängig vom Vorschlag zu verteilen, ist sein gutes Recht und entspricht dem gesetzlichen Zustand. So wenigstens wird der Minister argumentieren. Manche auch dem BJR nahestehende Personen meinen, der Ring sollte diese Tatsache ausnützen und den Ball zurückspielen. Man solle dem Ministerium gegenüber künftighin auf einen Vertei- lungsvorschlag verzichten, und dem Minister einfach die Verteilung überlassen, wenn er schon mit der bisherigen Art der Verteilung nicht einverstanden war. Subventionsertei- lungen sind politisch relevante Handlungen, Wenn der Minister verteilt, wird er sich auch Kritik gefallen lassen müssen.

Daß der Minister gewillt ist, mitunter außerordentliche Wege zu gehen, beweist das Beispiel der Alpenvereinsjugenid. Diese erhielt, als ihr Anifnahmeansiuchen' in den Ring abgelehnt wurde, und sie daher auch nicht bei der Verteilung der Mittel aus dem Bundesjugendplan bedacht wurde, vorn Minister einen entsprechenden Betrag für den finanziellen Ausfall.

In der Öffentlichkeit konnte im Zusammenhang mit den Polemiken, diie um verschiedene Aufnahmeansuchen, besser um deren Ablehnungen entstanden, leicht der Eindruck entstehen, den um Aufnahme Ansuchenden gehe es nur um Geld. Dieser Eindruck ist falsch. Denn die Alpen- vereinsjugenti zum Beispiel, die ihre finanzielle Unterstützung anderweitig eihält, ist trotzdem weiterhin um eine Aufnahme bemüht. Schließlich ist der Ring ein repräsentatives Forum der österreichischen Jugend und eine Jugendorganisation mit 60.000 Mitgliedern wie die Alpen- vereinsjugend erhebt Anspruch', im Konzert der demokratischen Jugen- organisationen Österreichs vertreten zu sein. Ein neuerliches Ansuchen um Aufnahme nach einmal erfolgter Ablehnung ist auch durchaus möglich und es scheint, daß im Falle Aipenvereinsjugend eine Lösung im Gespräch innerhalb des Ringes sichtbar wird. Eis bleibt abzuwarten, ob die letzte Entwicklung hier einen positiven Einfluß haben wird oder eher einer kalten Dusche gleich- kommt, denn wie versichert wird, betrachtet man den Brief des Ministeriums doch als eine Gefährdung der unabhängigen Jugendarbeit und die Jugendorganisationen der sozialistischen Seite sind infolge der gegenwärtigen politischen Konstellation Österreichs eben empfindlich.

Finanzielle Fragen

Gerade weil die Aufnahme in den Ring aiuch eine Aufwertung der Jugendorganisation bedeutet, gestalten sich Neuaufnahmen besonders schwer. Wie bereits erwähnt, wurde der Ring im Koalitionsklima geboren. Einer rechten Organisation mußte eine linke entsprechen und umgekehrt; daß daibei Zurechnungen erfolgen (zum Beispiel Katholische Jbgend zur Rechten), die den Zuge- recbneten nicht immer angenehm sind, ist eine Folge des Systems. Der Block der Mitte läßt sich sehr schwer einordnen; es sind das vor allem die konfessionellen und die anderen unpolitischen Jugendorganisationen; trotzdem hat die sozialistische Seite bisher immer darauf bestanden, als Gegengeschäft für die Aufnahme eines „Rechten“ (und dazu wurde immer auch ein großer Teil der Mitte gezählt), einen Linken aiutfzu- nebmien. Nun sind die linken Jugendorganisationen spärlich geworden. Mlan bietet heute manches an, was von den anderen nicht ernst genommen wird, und hier stockt dann das Gespräch.

Nicht zuletzt deshalb, weil die Neuaufnahme doch auch finanzielle Konsequenzen hat. Der Block, dem der Neuaiufgenamimene zuzurechnen ist, muß in erster Linie etwas ahge- ben, dann erst sind auch die anderen zu Zugeständnissen bereit. Das führt auch zu manchen Ungereimtheiten, so daß die finanziellen Anteile der einzelnen Jugendorganisationen nicht das Bild ihrer Stärke widler- spiegeln, wobei die Parteiorganisationen relativ gut, die Katholische Jugend zum Beispiel als größte Jugendorganisation Österreichs verhältnismäßig schlecht wegkommen.

Aber in finanziellen Fragen hat der Ring immer wieder eine gerechte Lösung gesucht; so wurde auch der Plan erwogen, an nicht im Ring befindliche Organisationen, die im sogenannten Bumdesjugendforum, einem reinen Diskussionsorgan, zusammengefaßt sind, Beträge auszuschütten, allerdings nur dann; wenn die Summe des jährlichen Zuschusses, die derzeit 20 Millionen Schilling beträgt, erhöht wird.

Ist der „Ring“ gefährdet?

Weil die Probleme im finanziellen und im pol i ti schprak t i s eben Bereich Hegen und nicht so sehr im ideologischen, ist auch eine Einigung bezüglich der bisher unerledigten Auf- nahmeansuchen möglich. Daran soll und wird der Ring wahrscheinlich auch nicht scheitern. Manche Probleme im Ring werden zwar in den nächsten Wochen, in denen die Agitation gegen den Ring kaum abklin- gen Wird, härter diskutiert werden, aber da man im gleichen Boot sitzt, werden die im Ring befindliche Organisationen auch in der Abwehr der Gefahren von außen näher zu- saimimenrücken. Denn darin sind sich die drinnen und auch der gutgesinnte Teil der noch draußen Befindlichen einig: Der Ring hat eine große Aufgabe. Er hat schon manche gemeinsame Leistungen vollbracht (zum Beispiel die Aktionen anläßlich der kommunistischen Weltjugendfestspiele 1959), und er hat noch ein großes Programm vor sich: die Frage der sozialen Berufe, das Problem Jugend und Bildung und den gesamten Komplex der staatsbürgerlichen Erziehung. Wenn überhaupt, dann gelingt es im BJR. ein staatsbürgerliches Erziehungskonzept zu erstellen, das von rechts, von links und von den unpolitischen Jugendorganisationen in gleicher Weise akzeptiert werden kann. Nicht zuletzt soll man nicht unterschätzen, daß der Ring die Möglichkeit gibt, sich auch in der Einparteienregie- rung an einen Tisch zu setzen, ein Gespräch zu versuchen, auch wenn es vielfach nur beim gesellschaftlichen Kontakt bleibt und es zu keiner Aufarbeitung der Gegensätze kommt. Aber auch persönliches Ken- nehlemen ist von großer Bedeutung. Die Leute, die sich heute im Ring gegenüber sitzen, werden vielleicht in einigen Jahren im politischen Leben als Erwachsene einander gegenübersitzen.

So gefährlich auch der Konflikt aussehen mag, die entsprechende Einsicht auf allen Seiten wird den Bestand des Ringes sichern. Im schlechtesten Fall wird er die finanziellen Belange nicht mehr regeln können, aber so wie er vor der Möglichkeit, einen Bundesjugendplan zu verteilen, positive Arbeit leisten konnte, wird er es ohne diesen wieder können. Vielleicht hilft diese „Befreiung“ auch in der Frage der Verbreiterung der Basis weiter, die ja notwendig ist und im Prinzip von den meisten anerkannt wird. Nur sollte bald Klarheit geschaffen werden, denn die Ungewißheit lähmt die Arbeitsfreude, und Österreichs Jugend braucht einen funktionsfähigen Bundesjugendiring.

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