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Ein Gespräch mit dem Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Lnternehmungen, Dipl.-Ing. Dr. Ludwig Weiß

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Ein Gespräch mit dem Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Lnternehmungen, Dipl.-Ing. Dr. Ludwig Weiß

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FRAGE: Herr Bundesminister, Sie sind nun bereits einige Wochen im Amt und haben schon verschiedentlich Stellungnahmen über die wesentlichen Aufgaben Ihres Ressorts abgegeben. Dürfen wir heute vielleicht einige konkrete Fragen an Sie stellen? Zunächst, wie sehen Sie die Möglichkeiten, das Problem Schiene—Straße in Österreich zu bewältigen? Werden Sie versuchen, die Eisenbahn gegenüber dem Straßenverkehr konkurrenzfähiger zu machen, und welche praktischen Möglichkeiten ergeben sich dabei?

ANTWORT: Ich bin der Meinung, man soll in einem kleinen Staat wie Österreich nicht zuviel von Konkurrenz Schiene—Straße sprechen. Keines der beiden Verkehrsmittel ist heute mehr wegzudenken, so daß es nicht auf eine Konkurrenz, sondern auf eine Arbeitsteilung beziehungsweise auf eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Verkehrsmitteln ankommt. Es gibt heute zum Beispiel die sogenannten Fernverkehrssteuer, das ist der Versuch einer rein fiskalischen Lösung des ganzen Problems. Die Femverkehrssteuer hat sich nicht voll und ganz bewährt, es

sind hier viele Bestrebungen vorhanden, besonders für die grenznahen Gebiete eine Änderung herbeizuführen. Ich sehe eine weitere Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Schiene und Straße bei den unrentablen Lokalbahnen, die in einiger Zeit entweder vollkommen eingestellt werden oder bei denen wenigstens der Güter- oder der Personenverkehr eingestellt werden muß; bei solchen Linien muß Vorsorge getroffen werden für einen ausgezeichneten Straßenverkehr, der die Eisenbahn voll und ganz ersetzt. Eine weitere Möglichkeit der Zusammenarbeit wäre der sogenannte Knotenpunktverkehr. Die, Eisenbahn hält in diesem Fall nicht mehr in jeder Station an, sondern nur noch in einigen Knotenpunkten, von denen aus die Verteilung für ein bestimmtes Gebiet mit Lastkraftwagen erfolgt. Ich bin also der Auffassung, Zusammenarbeit ist hier wichtiger als Konkurrenz, weil jeder Versuch, durch fiskalische oder durch tarifarische Maßnahmen den anderen Konkurrenten auszuschalten, scheitern muß und die Volkswirtschaft darunter nur Schaden leidet.

Hauptproblem: Bundesbahnen

FRAGE: Eine der wesentlichsten Aufgaben ihres Ressorts wird die Neuordnung der Angelegenheiten der österreichischen Bundesbahnen sein. Wie wird der angekündigte selbständige Wirtschaftskörper österreichische Bundesbahnen aussehen, und welche Aufgaben wird dann der Bundesminister noch zu erfüllen haben?

ANTWORT: Vor allem müßte dem Bundesminister die Betriebsführung abgenommen werden. Heute ist der Minister zugleich der Betriebsführer der österreichischen Bundesbahnen, er ist in allem für die Bundesbahn verantwortlich. Das isit nicht Sache eines Ministers, der Minister hat Hoheitsaufgaben zu erfüllen, hat Kontrollaufgaben zu ’ erfüllen. Ich stelle mir also eine klare Trennung zwischen Ministerium und der Verwaltung der österreichischen Bundesbahnen vor. Das könnte auch schon durchgeführt werden, bevor ein solcher Wirtschaftskörper geschaffen wird, rein verwaltungsmäßig wäre eine solche Trennung schon heute möglich. Auf Grund der bestehenden Gesetze müßte der Minister aber noch Betriebsführer der Bundesbahnen bleiben. In Zukunft aber bei einem eigenen Wirtschaftskörper österreichisch Bundesbahnen wäre der Minister der Vertreter des Bundesanteils am Grundkapital, um einen Ausdruck aus dem Gesellschaftsrecht zu verwenden. Er müßte sich in die Detailaufgaben nicht mehr einmengen. Es wird dann dieselbe Konstruktion wie bei jedem anderen verstaatlichten Betrieb oder Privatbetrieb eingerichtet werden. Der Minister hätte also Hoheitsaufgaben, natürlich muß die Eisenbahn schon irgendeine Sonderstellung einnehmen, denn man kann der Eisenbahn nicht die volle freie Möglichkeit der Tarifbildung zum Beispiel geben. Man Wind ihr größere Freiheiten geben als sie heute hat, aber eine gewisse Einschränkung im öffentlichen Interesse wind selbstverständlich vorhanden sein.

FRAGE: Wo werden im Rahmen dieses selbständigen Wirtschaftskörpers österreichische Bundesbahnen die Sozialtarife Platz finden?

ANTWORT: Die Sozialtarife können überhaupt nicht mehr bei der Bundesbahn untergebracht werden. Es 'gibt hier zwei Möglichkeiten: Entweder refundiert der Staat dem Unternehmer österreichische Bundesbahnen alljährlich einen bestimmten Betrag, der von den Bundesbahnen als Einnahme gebucht wird, oder aber, das wäre vielleicht die günstigere Lösung, die Sozialtarife werden nicht bei den Bundesbahnen verrechnet, sondern wenden eben beim Staat verrechnet, also auf einem anderen Konto. Ich möchte hier auf einen weitverbreiteten Irrtum hinweisen: Die Sanierung ist mit der Übernahme der Sozialtarife nicht erschöpft. Unter der Sanierung versteht man ja eine Rationalisierung der ganzen Betriebsführung. Es ist also nur die Frage, ob man die Sozialtarife beim Bund bucht oder ob man

sie in das Budget der Bundesbahn hineinnimmt, das ist aber keine sehr wesentliche Frage! Es ist aber eine Selbstverständlichkeit, daß man die sozialen Lasten nicht einem Unternehmen auflasten kann, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden -soll. Diese Gedanken wurden übrigens nicht in Österreich geboren, sondern es sind das Vorschläge, die schon vor zirka zwölf Jahren von der Konferenz der Europäischen Transportminister ausgesprochen wurden.

FRAGE: Sie haben von Rationalisierung und Sanierung gesprochen, Sie haben auch das Problem der notwendigen Einstellung unrentabler Nebenbahnen erwähnt und angekündigt, daß Sie zur Prüfung all dieser Fragen Fachleute heranziehen werden. Können Sie uns Angaben machen, aus welchen Fachleuten sich die entsprechenden Kommissionen zusammensetzen werden?

ANTWORT: Ich kann Ihnen die Namen dieser Fachleute leider noch nicht angeben, obwohl sie bereits feststehen, weil wir noch nicht alle Herren gefragt haben, ob sie einverstanden sind und ob -sie diese Aufgaben übernehmen wallen. Es sind Vertreter unserer Hochschulen, der Welthandelshochschule, der Universität Wien, der Technischen Hochschulen, die wir heranziehen wollen, um die Wirtschaftlichkeit des Eisenbahnbetriebes einer Überprüfung zu unterziehen und uns gewisse Vorschläge zur Verbesserung, zur Rationalisierung, zur Verbilligung u-sw. zu machen. Dieses Komitee wird in allernächster Zeit zusammentreten.

FRAGE; Herr Minister, es wurde in letzter Zeit davon gesprochen, daß

Wagon-Lits daran denkt, die Führung von Speisewagen in Österreich aufzugeben, weil sie defizitär ist. Denken die österreichischen Bundesbahnen daran, die Speisewagen in Eigenbetrieb zu übernehmen?

ANTWORT: Daran denken die österreichischen Bundesbahnen nicht, denn Wagon-Lits gibt die Führung von Speisewagen deshalb auf, das heißt, sie stellt sich auf sogenannten vorfabrizierte Speisen um, weil der Betrieb defizitär ist. Ich könnte mir nicht vorstellen, daß wir das, was für Wagon-Lits defizitär ist, mit einem gewissen Gewinn führen könnten. Wir haben der Wagon-Lits zugestimmt, daß sie nunmehr diese vorfabrizierten Speisen serviert, wie das ja auch im Flugzeug der Fall ist.

F AGE: Herr Minister, Sie kommen aus dem ÖAAB. Hat nicht Ihr

Herz geblutet, als Sie als eine der ersten Maßnahmen Preiserhöhungen vornehmen mußten? Können Sie vielleicht auch erläutern, warum eine so starke Erhöhung bei den Personentarifen erfolgte, während die Frachttarife wesentlich geringer erhöht wurden?

ÄNI’WORT: Ohne Zweifel war mir diese erste unpopuläre Maßnahme nicht sehr angenehm. Aber man darf nicht vergessen, daß leider durch viele Jahre die Erhöhung der Tarife versäumt wurde. Sehen Sie, es kostet heute das Personal der Bundesbahnen einschließlich der Pensionen nach dem Budget 1966 6,7 Milliarden Schilling. Sie können sich ausrechnen, welche Mehrkosten durch eine Erhöhung von fünf bis sechs Prozent verursacht werden, woher sollen wir das Geld nehmen? Entweder muß der Staat dieses zusätzliche Defizit wieder aus Steuern abdecken oder wir müssen unsere Tätigkeit, seien es die Investitionen oder die Erhaltung der Anlagen, einschränken. Die Erhaltung der Anlagen einzuschränken bedeutet alber, daß wir von der Substanz leben, infolgedessen ist es wähl notwendig gewesen, die Tarife

nachzuziehen. Die Personentarife waren überhaupt die billigsten, die es in Europa derzeit gibt. Obwohl wir jetzt die Personentarife etwas kräftiger nachziehen, 1st es doch so, daß wir noch immer im Niveau der holländischen und italienischen Tarife bleiben und daß die übrigen europäischen Staaten mit den Personentarifen noch immer höher liegen als wir. Bei den Gütertarifen dagegen, die ja die Wirtschaft sehr belasten, sind wir ungefähr knapp unter dem europäischen Mittel. Aber die Gütertarife machen natürlich viel mehr aus, die Einnahmen aus den Gütertarifen betragen ungefähr 4,7 Milliarden, die Einnahmen aus dem Personenverkehr nur 1,7 Milliarden. Darum haben wir uns auch entschlossen, die Gütertarife zu erhöhen.

FRAGE: Herr Bundesminister, in Ihrem Ressort macht sich, wie überall im Staatsdienst, der Personalmangel sehr unangenehm bemerkbar. Welche Maßnahmen beabsichtigen Sie, die mehr als 2000 derzeit unbesetzten Planstellen zu besetzen? Oder haben Sie überhaupt die Absicht, wenigstens einen Teil dieser Stellen im Zuge einer Rationalisierung aufzulassen?

ANTWORT: Wir werden dazu gezwungen sein, mit der Auflassung von Posten vorzugehen, weil wir einfach die Leute nicht mehr bekommen. Aber wir versuchen auch noch verschiedene Werbemaßna-hmen. Vielleicht läßt sich auch durch verschiedene Verbesserungen, zum Beispiel im Verschubdienst, für den nur sehr schwer jemand zu bekommen ist — ich habe daran gedacht, die Verschubprämie etwas zu erhöhen —, etwas erreichen. Ein großes Problem, das aber nicht nur für die Eisenbahn besteht, liegt darin, daß in gewissen Gebieten ein Angebot an Arbeitskräften besteht, vor allem in den noch nicht stark industrialisierten Gebieten, das ist etwa in meiner Heimat im südlichen Kärnten der Fall,; in der südlichen Steiermark oder im Burgenland; leider sind diese Arbeitskräfte aber nicht zubewegen, in anderen Gebieten zu arbeiten, wo Mangel an Arbeitskräften besteht, wie etwa hier in

Wien oder in den steirischen Industriegebieten. Obwohl in diesen Gebieten Wohnungen gebaut und den Arbeitern zur Verfügung gestellt wurden, ist es uns bisher nicht gelungen, dem Mangel an Arbeitskräften in diesen Gebieten abzuhelfen. Das wirkt sich dann in einer großen Anzahl von Überstunden aus, die natürlich ip irgendeiner Form abgedeckt werden müssen.

FRAGE: Herr Minister, von welchen Gesichtspunkten werden Sie sich bei der Besetzung von Dienstposten leiten lassen, werden Sie insbesondere das im Verkehrsressort de facto bestehende Mitspracherecht der Gewerkschaften aufrecht lassen?

ANTWORT: Das Mitspracherecht, nicht der Gewerkschaften, sondern der Personalvertretung, also des Personalausschusses, des Zentralausschusses und des Vertrauensmännerausschusses, ist in einer Dienstvorschrift, in der sogenannten A4 festgelegt. Ich habe nicht die Absicht diese A4 aufzuheben. Ich selbst als ÖAAB-Vertreter bin immer für ein Mitspracherecht des Personals eingetreten, aber ich werde dafür Sorge tragen, daß auch dieses Mitspracherecht bei der Besetzung der Posten nach gerechten Grundsätzen gehandhabt wird, daß also das Können, das Dienstalter und die sozialen Verhältnisse maßgebend für die Vergabe der Dienstposten sind.

FRAGE: In absehbarer Zeit werden wesentliche Veränderungen an der Spitze der österreichischen Bundesbahnen ins Haus stehen, können Sie schon sagen, in welcher Richtung Sie da vorgehen werden?

ANTWORT: Ich kann hier etwas Endgültiges noch nicht sagen, aber ich möchte hier auch keinen anderen Grundsatz anwenden als den, daß ich ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit., wirklich jene Männer an die Spitze der Verwaltung setzen werde, von denen ich überzeugt bin, daß sie die richtigen Fachleute sind und daß sie in der Lage sind, die Eisenbahn richtig zu f ühren.

Staatssekretär: Helfer statt Aufpasser

FRAGE: Herr Minister, es wird in Österreich seit einiger Zeit schon von einem Energieplan gesprochen. Ich glaube, der Herr Vizekanzler ist hier federführend. Können Sie sagen, wieweit die Elektrizitätswirtschaft dadurch betroffen wird, in welche Richtung der Ausbau der Kraftwerke gehen wird, ob also' mehr Wasserkraft- oder mehr Dampfkraftwerke gebaut werden sollen, besonders auch im Hinblick auf die Sicherung des österreichischen Kohlenbergbaues?

ANTWORT: Der Energieplan hat sich ja nicht nur mit der Elektrizitätswirtschaft zu beschäftigen, son-

dem in erster Linie mit Kohle, öl und so weiter. Die Ansichten über die künftige Gestaltung der Energiewirtschaft gehen bei den Fachleuten noch sehr auseinander. Ich habe eine Kommission wieder reaktiviert, die die verschiedenen Interessen der Landesgesellschaften, der Verbundgesellschaft und der Sondergesellschaften auf eine gemeinsame Linie bringen soll. Es ist klar, daß wir weiterhin Speicherkraftwerke bauen müssen, die ja nur Wasserkraftwerke sein können, daß der Strom von Laufkraftwerken nach wie vor der billigste Strom ist, aber es darf auch nicht vergessen werden, daß wir in die Kohlenbergbaue doch verhältnismäßig viel investiert haben, daß dort auch Hunderte von Arbeitern beschäftigt sind und daß daher auch die dort vorhandenen Flöze aufgearbeitet werden müssen. Es ist eine sehr schwierige, aber im Interesse der Volkswirtschaft sehr notwendige Aufgabe, hier eine gemeinsame Linie zu erzielen.

FRAGE; Herr Bundesminister, die verstaatlichten Betriebe unterstehen nun wieder dem Verkehrsressort, wie wird die Kompetenzabgrenzung zwischen Ihnen und dem Herrn Staatssekretär Dr. Taus erfolgen?

ANTWORT: Die Frage ist rechtlich vollkommen klar, verantwortlich kann nach der Verfassung nur der Minister sein. Der Staatssekretär ist ihm zur Hilfe beigegeben. Wir halben

niun gemeinsam die Verfügung hinausgegeben, daß bezüglich der verstaatlichten Industrie alle Akten vor

der endgültigen Erledigung durch den Minister über den Staatssekretär geleitet werden, daß der Staats-

Sekretär praktisch die Arbeit für mich macht, und daß ich nur meine Unterschrift darunter zu setzen brauche. Dieselbe Regelung haben wir auf dem Energiesektor in finanziellen und wirtschaftspolitischen Fragen getroffen, auch in diesen Angelegenheiten wünsche ich eine Vorgenehmigung durch den Staatssekretär, bevor ich sie selbst erledige, während ich die rein technischen Fragen der Energiewirtschaft selbst bearbeite, sofern ich dann nicht später weitere Aufgaben dem Herrn Staatssekretär übergebe, wenn mir die Arbeit zuviel geworden ist.

Herr Minister, wir danken Ihnen dafür, daß Sie uns nach einem so anstrengenden Tag noch soviel Zeit für dieses Interview zur Verfügung gestellt haben.

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