Saddams End(los)spiel

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Die letzte Konsequenz der US-Politik gegenüber dem Irak kann nur lauten: Saddam muß weg.

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Die letzte Konsequenz der US-Politik gegenüber dem Irak kann nur lauten: Saddam muß weg.

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Iraks Vizepremier Tarek Aziz war voll der Häme für die USA: Die mit UN-Generalsekretär Kofi Annan erzielte Übereinkunft sei mitnichten unter dem Druck des US-amerikanischen Säbelrasselns am Golf entstanden; der Irak liege nicht im Clinch mit den Vereinten Nationen, sondern einzig mit den Vereinigten Staaten, die versuchten, der UNO ihren Willen aufzuzwingen. In höchsten Tönen pries man in Bagdad dagegen die "weise" Diplomatie der UNO, welcher allein der ausgehandelte Kompromiß zu verdanken sei.

Soviel Lob läßt Unbehagen aufkommen. Auch Annan wird ob des demonstrativen Applauses von irakischer Seite nicht besonders glücklich gewesen sein. Daher wies er wohlweislich und zurecht darauf hin, daß die konsequenten Drohungen der Amerikaner (und Briten) selbstverständlich wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Einigung zwischen UNO und Bagdad gehabt hätten.

Dennoch kann sich der UN-Generalsekretär zumindest für den Moment im Lichte seines Verhandlungserfolges sonnen. Die imagemäßig arg ramponierte Weltorganisation steht endlich einmal als das da, was sie sein will und soll: als Bewahrerin und Vermittlerin des Friedens und der Völkerverständigung.

Indes, wie lange? Nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses des Verhandlungsmarathons zwischen Annan und Aziz bzw. Saddam Hussein ging zunächst einmal ein Aufatmen um die Welt. Das ist verständlich, denn die Vorstellung eines auf ein geschundenes Land niedergehenden Bombenhagels erzeugt unwillkürlich Abscheu. Emotionen werden immer vom Nächstliegenden geleitet - diesfalls von den unmittelbaren Gefahren und Unwägbarkeiten eines Militärschlags -, nicht von langfristig-strategischen Überlegungen.

Diese können freilich nicht ausgespart werden. "Sieg für Saddam, Niederlage für Israel", titelte eine israelische Zeitung. Das ist aus der speziellen Betroffenheit des Landes als Erzfeind der arabischen Welt zu erklären, gewiß. Aber es lenkt doch auch über die spezifisch israelische Situation hinaus den Blick auf die simple Frage "Was nun?".

Hat Saddam "gesiegt"? Dann wäre es nicht nur für Israel, sondern für die gesamte westliche Welt eine Niederlage. Aufs erste sieht es nicht so aus: Das einzige Zugeständnis, das Kofi Annan der Führung in Bagdad gemacht haben dürfte, scheint darin zu bestehen, daß künftig die ungeliebten UN-Inspektoren bei ihrer Tätigkeit von Diplomaten begleitet werden sollen. Das klingt nicht sonderlich bedeutungsvoll - obwohl es sich in der Praxis noch als haarige Bestimmung entpuppen könnte. Dennoch: Zu wenig, um von einem Verhandlungs-"Sieg" Saddam Husseins sprechen zu können.

Die eigentliche Frage ist: Was ist das Papier mit den Unterschriften von Annan und Aziz wert? Wird sich der Diktator im Zweistromland je an Vereinbarungen - mit wem auch immer - halten? Die bisherigen Erfahrungen legen nahe, diese Fragen mit "Nein" zu beantworten. Wenn das aber so ist, dann müßten die Amerikaner ihrer eigenen Logik zufolge, sollten sie jetzt auf einen Militärschlag verzichten, diesen zu einem späteren Zeitpunkt durchführen. Aufgeschoben, nicht aufgehoben, wäre dann die Devise.

Nun hat diese Logik einiges für sich. Doch es fehlt ihr die letzte Konsequenz. Die kann nur lauten: Saddam muß weg. Mag sein, daß es ohnedies so ist, wie immer wieder gemutmaßt wird: daß es in Washington konkrete und realisierbare Pläne zur Beseitigung oder zum Sturz Saddam Husseins gibt. Wenn ja, ist es gut. Wenn nicht, dann wird jeder auch noch so präzis und effizient durchgeführte Militärschlag nur ansatzweise das erreichen, was vorgebliches (und sinnvolles) Ziel der US-Politik ist: die Eindämmung der Gefahr, die von einem unberechenbaren, größenwahnsinnigen und menschenverachtenden Diktator ausgeht, der im Besitz der grausamsten und scheußlichsten aller Vernichtungsgeräte, biologischer und chemischer Waffen, ist.

Denn es gibt keinen Grund zur Annahme, daß Saddam sein taktierendes Katz-und-Maus-Spiel nicht fortsetzen würde: ausreizen, einlenken, verhandeln in staatsmännischer Pose, über die Stränge schlagen, Prügel beziehen, sich der arabischen Welt als Opfer des US-Imperialismus und Zionismus darstellen - ein endloses Spiel, wenn nicht einmal jemand dafür sorgt, daß daraus das Endspiel des Tyrannen am Tigris wird.

Der gewichtigste Einwand, der solchen Überlegungen meist auf dem Fuß folgt, hat die selektive Wahrnehmung der USA zum Inhalt. Warum gerade Saddam? Der Bösewichte an der Macht sind viele, wahrlich nicht auf alle reagiert man in Washington so sensibel. Richtig. Doch auch wenn große Teile des Hauses in Unordnung sind, spricht nichts dagegen, in einem Zimmer mit dem Aufräumen zu beginnen. Auch nicht, wenn sich hehre Ziele mit ganz persönlichen Interessen bei der Auswahl dieses Zimmers vermengen. Und nicht einmal dann, wenn kaum Aussicht besteht, daß einmal das ganze Haus in Ordnung kommen könnte.

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