Saniert zu Lasten der sozial Schwachen?

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Die österreichischen Krankenkassen haben ein kleines Wunder vollbracht: Sie bilanzieren positiv. Doch Kritiker warnen:Die strukturelle Reform sei bisher ausgeblieben, und die Kassen würden sich zu Lasten der Schwächeren sanieren.

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Die österreichischen Krankenkassen haben ein kleines Wunder vollbracht: Sie bilanzieren positiv. Doch Kritiker warnen:Die strukturelle Reform sei bisher ausgeblieben, und die Kassen würden sich zu Lasten der Schwächeren sanieren.

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Die Roßkur hat gewirkt. Die noch vor zwei Jahren finanziell schwer angeschlagenen Krankenkassen sind wieder in den schwarzen Zahlen. Wie sie das schafften, ist kein Mirakel - durch weniger Ausgaben und mehr Einnahmen. Weniger klar ist, wer wirklich auf Diät gesetzt wurde: die Kassen oder die Patienten?

Zu zwei Dritteln erfolgte die Konsolidierung auf der Ausgabenseite. Allein bei Medikamenten wurden im Vorjahr 725 Millionen eingespart. Nicht zum Nachteil der Kranken, behauptet der Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Pharmafirmen und Apotheken müßten jetzt eben mit geringeren Gewinnspannen auskommen.

Magere Zeiten müssen auch die Vertragsärzte hinnehmen: Die letzten Tariferhöhungen betrugen nur zwei Prozent.

Auch die Spitäler können nicht mehr uneingeschränkt in den Sozialversicherungs-Topf greifen. Seit Anfang Jänner 1997 zahlt die Sozialversicherung für die Krankenanstalten einen Fixbetrag. Für Ausgabenerhöhungen muß sie nur mehr im Rahmen ihrer jährlichen Mehreinnahmen aufkommen. Darüber hinaus tragen die Länder selbst die Kosten für ihre Spitäler.

Das sei keine echte Reform, sondern nur ein Herumschieben der Ausgaben von einem öffentlichen Träger zum anderen, ärgern sich die Kritiker dieser Neuregelung. Aber immerhin wurde damit erreicht, daß diejenigen zahlen müssen, die im Spitalsbereich das Sagen haben - und das sind eben die Länder.

Mehr für das Gesundheitswesen zahlen müssen auch die Versicherten: Krankenscheingebühren, höhere Rezeptgebühren, höhere Versicherungsbeiträge für Pensionisten.

Für 1,5 Milliarden Überschuß hätte es trotzdem nicht gereicht, wären nicht die österreichischen Arbeitnehmer im Vorjahr seltener krank gewesen - oder zumindest seltener im Krankenstand. Half auch die Angst um die Arbeitsplätze den Kassen beim Sparen? Dafür spricht, daß in jenen Bereichen, in denen Jobs noch halbwegs sicher sind - bei Beamten und Eisenbahnern - keine Überschüsse erwirtschaftet werden konnten.

Im Hauptverband will man das eher auf das bessere, und daher teurere, Leistungsangebot dieser Krankenkassen zurückführen. Und auch darauf, daß dort immer weniger neue Versicherungsnehmer dazukommen. Letzteres gilt auch für die Bauern-Krankenkassen - und auch sie sind noch immer im Minus.

Egal, ob die Krankenkassen Abgänge oder Überschüsse produzieren: Kritik hagelt es immer.

Die Kassen hätten sich auf Kosten kinderreicher Familien, alter und kranker Menschen saniert, wettern jetzt die Zahnärzte. Der Hauptgrund für die Erregung ist wohl, daß die Kassenambulatorien den niedergelassenen Zahnärzten künftig mehr Konkurrenz machen dürfen.

Dennoch: Zahnärzte-Fachgruppenchef Hannes Westermayer hat wohl recht, wenn er feststellt, daß sich Einkommensschwächere auch die billigeren Zahnkronen in den Ambulatorien nicht werden leisten können.

Nicht nur strukturell ist die große Krankenkassen-Reform bisher ausgeblieben. Auch was die Leistungen betrifft, sind einige Anpassungen an zeitgemäße Standards längst überfällig. "Noch kein Grund für Hurra-Geschrei" sei die gelungene Sanierung, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Walter Guggenberger zur Furche (siehe Stellungnahmen unten). Stimmt. Es schreit aber ohnehin niemand.

Bereits vor zwei Jahren nahmen die Gesundheitssprecher der Parlamentsparteien in der Furche (Nr. 17, 18/96) zur Situation der Krankenkassen Stellung. Guggenberger (SPÖ) forderte moderate Beitragserhöhungen, Rasinger (ÖVP) Zuschüsse aus Steuermitteln, die Oppositionsparteien tiefgreifende Reformen ...

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