Schluss mit "Charme"

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Wolfgang Schüssel, der begabteste Taktiker der österreichischen Politszene, hat sich selbst ausgetrickst. Den größten Trumpf, die schwarz-grüne Karte, konnte er nicht ausspielen. Die publicityträchtige Chance einer Europa-Premiere wurde damit vertan. Die ÖVP hatte geglaubt, dass es die Grünen billig geben würden: ein bisschen Klimaschutz, ein bisschen Migrationspolitik, ein bisschen Ökosteuern. Das war selbst dem regierungswilligen Van der Bellen zu wenig. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik (Stichwort Pensionsreform und Ankurbelung der Beschäftigung durch öffentliche Investitionen) und bei den Abfangjägern wollte Schüssel denselben neoliberalen Kurs weiterfahren, den er mit der FPÖ gefahren war. Dieselbe "Reformpolitik" also, nur mit einem neuen Partner, dem man in drei Fragen Konzessionen macht. Das hieß die politische Intelligenz der Grünen unter- oder ihren Opportunismus überschätzen.

Ein "schwarz-grünes Reformprojekt", das sich katholische und bürgerliche Kreise so sehr wünschten, hätte von den Inhalten wie von den Personen her mehr Zeit und mehr Mut gebraucht. Ein solches Projekt, an dem, wie man hört, die Grünen in Deutschland basteln, kann nicht aus arithmetischen Mehrheiten entstehen. Dazu bedürfte es eines grundsätzlichen Umdenkens innerhalb der ÖVP, in der die von Josef Riegler konzipierte "ökosoziale Marktwirtschaft" nicht zufällig in Vergessenheit geraten ist. Auf der grünen Seite wäre wohl auch ein deutlicherer Stimmengewinn als diesmal notwendig, um den Grünwählern einen Regierungseintritt plausibel zu machen.

88 Tage nach der Wahl steht der Wahl-Kaiser ziemlich nackt da. Von seinen drei Alternativen bleibt ihm derzeit nur die unattraktivste: die Rumpf-FPÖ. Oder zwingt ihn die Wirtschaft doch zur großen Koalition?

Die Autorin war ORF-Journ listin und Dokumentarfilmerin.

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