Schule auf den zweiten Blick

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Die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick“ stellt Österreich wenig überraschend ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Zu hinterfragen sind freilich die Prämissen dieses Befunds - und das vermutete Allheilmittel gibt es auch nicht.

Und wieder sitzt Österreich, um ein themenbezogenes Bild zu wählen, auf der Eselsbank. Der OECD-Inspektor war da und hat festgestellt, dass der notorische Versager, bei dem immer das vergammelte Jausenbrot neben den zernudelten Heften im Bankfach liegt, noch immer nicht aufpasst und keine Hausübungen macht. So kommt der lausige Ösi nie zur Matura, hat eh schon zweimal wiederholt …

(Fast) ganz im Ernst: Ähnlich erwartbar wie die Niederlage gegen Deutschland im Fußball ist das schlechte Abschneiden Österreichs bei internationalen Bildungsstudien. Nun also "Bildung auf einen Blick“, herausgegeben von der OECD, wie auch die weitaus bekannteren PISA-Studien. Auf einen Blick besagt die Studie einmal mehr, dass das österreichische Bildungssystem zu wenig durchlässig sei, soziale Herkünfte verfestige und die Akademikerquote zu wünschen übrig lasse.

Quoten als ultima ratio?

Einmal mehr stellt sich aber auch die Frage, ob nicht vielleicht die diesem Befund zugrundeliegenden Prämissen problematisch sind: Werden hier nicht nur formal möglichst hohe AHS-Maturanten- und Akademikerquoten zur bildungspolitischen ultima ratio erklärt, anstatt inhaltlich auf die Qualität (auch im Sinne von Zukunftsperspektiven) der Abschlüsse zu schauen? Dass die Kinder eines Arbeiterkindes wieder Arbeiter werden, muss kein Problem sein: Ein qualifizierter Facharbeiter ist besser als ein brotloser Theaterwissenschaftler.

Der Subtext der Proponenten solcher Studien ist natürlich immer ein Plädoyer für die Gesamtschule in der einen oder anderen Ausprägung, wie immer sie heißen mag. Unbestritten ist, dass ein Acht- oder Neunjähriger noch nicht definitiv auf eine bestimmten Bildungs- und damit zum Teil auch Lebensweg festgelegt werden kann (freilich auch nicht unbedingt ein Vierzehnjähriger). Aber das ist auch gar nicht notwendig: Auch wer nicht im Gymnasium startet, kann mit Matura abschließen, wie umgekehrt der Eintritt in eine AHS-Unterstufe kein Klostergelübde ist: Aus- und Übertritt jederzeit möglich.

Aber eine Vorentscheidung ist es doch? Ja, wobei - siehe oben - nicht zwingend die eine Option die bessere ist als die andere. Vor allem aber gibt es andere, viel gravierendere "Vorentscheidungen“, die schon viel früher fallen: In welche Volksschule ein Kind kommt beispielsweise, ob es ein Instrument lernt, Sport betreibt, liest, ob sich die Eltern um das Kind kümmern oder es als Couch Potatoe mit Fernsehen und Unterhaltungselektronik verkümmern lassen. Die aus diesen "Vorentscheidungen“ resultierenden Ungleichheiten wird freilich keine Schule, welcher Art auch immer, ausgleichen können.

Man kann sich natürlich trotzdem "eine Gesamtschule, die keine Nivellierung nach unten mit sich bringt“ wünschen, wie das dieser Tage ein Kommentator in der Presse formuliert hat. Aber der Mann räumt selbst ein, dass den hiesigen (bildungs-)politisch Verantwortlichen ein solcher Wurf eher nicht zuzutrauen ist. Und er sagt auch zurecht, dass dem eine Integrationspolitik vorausgehen müsste, die diesen Namen verdient. Denn das wahre Problem sind ja die in den Städten, insbesondere Wien, zu Restschulen verkommenen Hauptschulen. Da sind wir dann wieder bei den eben genannten "Vorentscheidungen“.

Grenzen der Integration

Wenn es nicht gelingt, hier etwas zu ändern, braucht man gar nicht erst versuchen, die Hauptschule in eine "Gesamtschule, die keine Nivellierung nach unten mit sich bringt“, zu integrieren. Wer die Realität an heutigen Gymnasien kennt, weiß im Übrigen, dass auch dort schon viel an Integrationsarbeit passiert - auch an manchen katholischen Privatschulen etwa gibt es einen erheblichen Anteil von Kindern mit "Migrationshintergrund“.

Vielleicht ist es aber letztlich ein Irrglaube, zu meinen, alles und jedes lasse sich "integrieren“. Möglicherweise ist - nicht nur im Schulbereich - Differenzierung das Menschengerechtere, jedenfalls aber das Realistischere.

rudolf.mitloehner@furche.at

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