"Sehr unglückliche Handlungen“

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Der Chef des Parlaments der Exiltibeter über seine Reise nach Österreich, die Angst der hiesigen Politiker vor China und die Perspektiven für sein von Peking unterdrücktes Volk.

Das Gespräch führte Oliver Tanzer

Penpa Tsering ist seit 2008 Präsident des gewählten Parlaments der Exiltibeter in Dharamsala. Das Parlament kümmert sich um die über 100.000 Tibeter, die in Indien leben, darüber hinaus aber auch um die Belange der internationalen Diaspora von der Schweiz bis Kanada und Australien.

Die Furche: Sie wollten in Österreich Kontakte mit Parlamentariern knüpfen. Fanden Sie sich von der Politik gut aufgenommen?

Penpa Tsering: Ich musste erkennen, dass es in Österreich viele Politiker gibt, die nicht hören wollen, was in Tibet vor sich geht, aus Angst vor chinesischer Intervention. Das halte ich für äußerst schade. Was immer auch die Situation ist, in der die Menschen sich befinden - ich denke, zumindest sollten die Politiker in der freien Welt die Fähigkeit haben, uns zuzuhören. Dann können sie ja selbst entscheiden, ob sie uns unterstützen oder nicht. Das waren sehr unglückliche Handlungen.

Die Furche: Was hätten Sie den Parlamentariern und der Parlamentspräsidentin zu sagen gehabt?

Penpa Tsering: Ich hätte vor allem erzählt, dass das Einzige wonach wir streben, nicht die Unabhängigkeit von China ist sondern eine echte Autonomie unseres Landes innerhalb Chinas. Ich hätte berichtet, dass wir so auf eine der großen Sorge Chinas eingehen und Chinas Souveränität akzeptieren. Es gibt nach unserer Auffassung also keinen Grund mehr, das Problem nicht zu lösen. Wir sprechen über die tibetische Kultur, Religion und seine Umwelt. In den vergangene 50 Jahren hat die Chinesische Politik aber nicht die Hoffnungen der tibetischen Menschen erfüllt. China spricht über eine harmonische Gesellschaft in der Volksrepublik. Aber wie kann es Harmonie geben, wenn es kein Vertrauen gibt? Vertrauen kann es nur geben, wenn man einander zu verstehen versucht.

Die Furche: Macht eine neue Generation in Peking Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts?

Penpa Tsering: Es ist noch zu früh das zu sagen. Der aktuelle Präsident Hu Jintao war es selbst, der das Kriegsrecht in Tibet verhängte. Er kennt die Lage Tibets ganz genau. Wir hofften, er werde etwas für den Dialog tun. Aber diese Hoffnung war vergebens. Der vermutlich neue Präsident Xi Jinping, der ab 2013 kommen wird, lässt sich noch nicht einschätzen. Sein Vater hat jedenfalls in Tibet als Parteifunktionär gearbeitet. Aus meiner Perspektive gibt es aber in den kommenden zwei Jahren kaum Möglichkeiten, den Dialog wieder aufzunehmen. Hu Jintao hat Angst eine Entscheidung zu treffen und der neue Präsident braucht Zeit, sich einzuarbeiten.

Die Furche: In den vergangenen Wochen gab es viele Verhaftungen und Selbstmorde von Mönchen und Nonnen. Haben Sie dazu nähere Informationen?

Penpa Tsering: Wir haben keinerlei Nachrichten erhalten, wir können also nicht genau sagen, warum das passiert ist. Sicher ist, dass die demografische Frage in Tibet immer dringender wird. In vielen Städten und Dörfern wohnen bereits jetzt mehr Han-Chinesen als Tibeter. Die Gesetze bevorteilen Han-Chinesen. Man sieht das stark an den neuen Siedlungen, die für Chinesen gebaut werden. Die Infrastruktur und die Investitionen kommen zumeist den Chinesen und dem Militär zugute. Auch die Mönche werden stark eingeschränkt. Sie müssen auch Umerziehungslager über sich ergehen lassen. Dabei muss man dem Dalai Lama abschwören. Der Dalai Lama sagt, Macht euch keine Sorgen, schwört mir ab, wenn ihr die Möglichkeit bekommt, die heiligen Lehren zu studieren. Unsere Religion gibt es seit 1300 Jahren. Man kann die Menschen nicht einfach zwingen, nicht mehr zu glauben.

Die Furche: Sie sprachen von der Umweltproblematik?

Penpa Tsering: Tibets Bevölkerung besteht zu mehr als 60 Prozent aus Nomaden, die mit ihren Yakherden über das Land ziehen. Die Regierung zwingt sie nun, sesshaft zu werden. Dadurch kommt das ökologische Gleichgewicht aus dem Lot. Die Weiden können sich nicht mehr regenerieren, die Menschen verarmen in den Townships.

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