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FURCHE-Wahlreportage – Die Grünen haben es in Niederösterreich schwer, auch wegen ihres Begleit-Programmes.

Schon eine Woche vor dem offiziellen Wahlkampfauftakt der Grünen im Wiener Museumsquartier feierten die Grünen Niederösterreich den ihren in kleinerem Rahmen. Obwohl überall in der südlich von Wien gelegenen Kleinstadt Mödling auf den Wahlplakaten darauf hingewiesen wird, sind zu Beginn der Veranstaltung, am 4. September um 15 Uhr, fast ausschließlich grüne Funktionäre am Europaplatz versammelt, der durch die umliegenden Gebäude, das Kopfsteinpflaster und die großen Bäume ein angenehmes Ambiente bietet. Das ändert sich auch in den nächsten zwei Stunden kaum. Der eine oder die andere kommt vorbei, um sich am kostenlosen Buffet zu bedienen, die Massen bleiben allerdings aus.

Dabei ist Mödling so etwas wie eine grüne Hochburg. Denn während die Grünen in einem der „schwärzesten“ Bundesländer Österreichs 2006 mit neun Prozent klar unter ihrem bundesweiten Ergebnis lagen, waren es hier im semi-urbanen Bereich stattliche 16 Prozent. Derartige grüne Inseln braucht es, um die verheerenden Zahlen im ländlichen Gebiet, vor allem im Norden, auszugleichen. „Bei der letzten Gemeinderatswahl hatten wir es schwer, überhaupt Leute für die Liste zu finden“, klagt beispielweise der 26-jährige Jürgen Schuster aus Mistelbach, wo die Grünen 2006 auf 6,6 Prozent kamen. Schuster selbst ist etwa zu dieser Zeit aktiv ins lokalpolitische Geschehen eingestiegen, heuer kandidiert er auf Platz zehn im Regionalwahlkreis Weinviertel. Auch das ist ein Anzeichen dafür, wie dünn die Personaldecke der Grünen in weiten Teilen Niederösterreichs ist.

Schwerer Stand auf dem Land

Schusters Anliegen für Mistelbach sind typisch grün: Öffentlichen Verkehr stärken, die lokale Umfahrungsstraße verhindern, Radwege ausbauen. Für mehr als eine kleine Fahrradbörse und den obligatorischen Straßenwahlkampf reichen aber weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen. Auch das Wahlziel ist mit dem Halten der Anteile von 2006 recht bescheiden gesetzt. „Aufgrund der jahrzehntelangen ÖVP-Herrschaft haben wir es sehr schwer“, meint Schuster. „Die Leute, die sich als grün outen könnten, wollen meistens was von der Gemeinde oder vom Land und haben daher Angst, sich zu deklarieren.“

Schuster und einige andere der jugendlichen Helfer, die beim Wahlkampfauftakt in Mödling Luftballons, Windräder und Parteiprogramme verteilen, werden in der sechsseitigen „Zeitung“ der Grünen Jugend NÖ als Kandidaten vorgestellt, meist auf aussichtslosen Plätzen. Nur einer von ihnen hat eine veritable Chance auf den Einzug in den Nationalrat: Der 23-jährige Hikmet Arslan auf Platz vier. Dementsprechend wird er auch zum aufstrebenden Star hochstilisiert. Bei jeder Gelegenheit lobt ihn die Pressesprecherin – selbst kaum älter – in den höchsten Tönen. Vor allem dann, wenn die Kamera des ORF-Landesstudios in der Nähe ist. Mit diesem im Gepäck und zusammen mit zwei weiteren Funktionären macht sich Arslan dann auch auf den Weg durch die nahegelegene Fußgängerzone, um wahlzukämpfen.

Dort wird ihm allerdings von jemand anderem die Show gestohlen. Als besonderen Gag für den Wahlkampfauftakt haben die Grünen nämlich einen Zauberer engagiert. Der wortgewandte junge Blondschopf, der sich selbst den Künstlernamen „Thommy Ten“ gibt, begeistert mit seinen Tricks naturgemäß vor allem die weibliche Jungwählerschaft und die Kinder. Allerdings mehr mit seinem Charme als mit dem Parteiprogramm der Grünen. „Alles Entertainment“, meint die Pressesprecherin, „das gehört dazu.“ Hikmet Arslan bringt indes das kleine Heftchen mit den 100 Gründen, Grün zu wählen, hauptsächlich bei Pensionistinnen an. „Da ist für jeden mindestens einer dabei“ ist sein Spruch, der bei jedem Passanten zu Anwendung kommt. Auf Gespräche lässt er sich kaum ein.

Als um 17 Uhr schließlich mit der dritten Nationalratspräsidentin und Grünen Vizechefin Eva Glawischnig der Stargast auftaucht, versammeln sich doch auch einige Schaulustige am Europaplatz, sodass das Verhältnis zwischen Funktionären und Gästen immerhin ausgeglichen ist. Dennoch scheint es, als sei das Rahmenprogramm interessanter als das, worum es eigentlich geht. Denn noch bevor die obligatorischen Ansprachen gehalten werden, sorgt das eigens angereiste „Vienna Samba Project“ mit seinen Trommeln für südamerikanische Ausgelassenheit und ruft sogar ein alteingesessenes Anrainer-Ehepaar auf den Plan, das sich – in Feinripp-Unterhemd und blauem Arbeitskittel – mit mürrischer Miene aus dem Fenster lehnt. Während anschließend Glawischnig und der Listenerste der Grünen NÖ, Dieter Brosz, ihre Reden halten, die kaum über die Standardthemen Energie, Bildung und Teuerung hinausgehen, entfernen sich sowohl die Fenstergucker als auch viele der Schaulustigen wieder. Das „Vienna Samba Project“ prügelt mit drei weiteren Stücken jede Erinnerung daran, was gesagt wurde, aus ihren Köpfen.

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