Sie haben den "Heiligen Dienstag" geplant

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Spannend wie ein Agententhriller, lehrreich wie eine soziologische Studie. Die Drahtzieher der Anschläge von Dienstag, 11. September erklären ihren Hass auf Amerika.

Nachts um halb drei, am 29. August 2001, klingelt in Ramzi Binalshibhs Hamburger Wohnung das Telefon. Am anderen Ende der Leitung fragt eine Stimme mit ägyptischem Akzent: "Ein Freund hat mir ein Rätsel aufgegeben, das ich nicht lösen kann. Vielleicht kannst du mir helfen?" Ramzi, schlaftrunken, wundert sich. Die andere Stimme fragt: "Zwei Stöcke, ein Strich und ein Kuchen, an dem ein Stock baumelt - was ist das?" Ramzi, noch immer verschlafen, ärgert sich: "Sag bloß, dafür hast du mich geweckt!" Und verstummt. Mit einem Schlag ist er hellwach. Mohammed Atta hat ihm gerade den Zeitpunkt für den verheerendsten Terroranschlag in der Geschichte durchgegeben. "11-9" lautet des Rätsels Lösung und jener 11. September, der die Welt verändern sollte, war von diesem Moment an beschlossene Sache.

Yosri Fouda, der Chefkorrespondent des arabischen Fernsehsenders Al-Jazeera, beschreibt diese skurrile Episode in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Buch "Masterminds of Terror". Der Untertitel der Insider-Reportage lautet: "Die Drahtzieher des 11. September berichten" und bringt Anlass und Knüller des Buches auf den Punkt. Fouda bekam von den Planern des Terroranschlags auf World Trade Center, Pentagon und (geplant aber misslungen) Kapitol die einmalige Möglichkeit zu einem Exklusivinterview. Schon die Nacherzählung, wie es zu diesem Gespräch mit Ramzi Binalshibh und Khalid Sheikh Mohammed - neben Osama bin Laden die obersten, mittlerweile geschnappten, El-Kaida-Chefs - kommt, liest sich wie ein Agententhriller. Kaum in Karatschi bei den beiden "Masterminds" angekommen, reißt dieser Handlungsfaden jedoch ab und wird erst 80 Seiten später wieder aufgenommen.

Füllstoff Biografien

Dazwischen bietet Fouda mit Ko-Autor Nick Fielding Hintergrundwissen zu den Attentätern des 11. September und versucht auch Herkunft, Psyche und Motivation dieser Männer, besonders die von Mohammed Atta, zu beleuchten. Interessanter Füllstoff, aber doch eben Füllstoff, und der Rezensent ist froh, als er ab Seite 118 gemeinsam mit Fouda wieder den beiden Oberterroristen gegenübersitzt, mit ihnen isst, betet und vor allem über das Warum ihres Hasses auf Amerika zu sprechen kommt. Die Chance seines Lebens für den Journalisten Yosri Fouda, aber auch die Chance für alle, die fassungs- und ratlos den Flug der Linienflugzeuge in das World Trade Center mitverfolgt haben und die noch immer eine Frage quält: Warum?

Spannendes Warum

Dieses Warum zu erklären hilft auch der Anhang des Buches, der mehr und wertvoller ist, als das, was ansonsten gerne unter diesem Titel abgelagert wird. Beginnend mit einer Debatte zwischen amerikanischen und saudi-arabischen Wissenschaftern über die Bedeutung und Auswirkungen des 11. September, dokumentieren Fouda und Fielding die schriftlichen Rechtfertigungen, die El Kaida nach dem Anschlag abgegeben hat. Neben den Gesprächen mit den "Masterminds" sind diese Wegweiser in die Gedankenwelt von Osama & Co. eine große Hilfe, um die Beweggründe derer zu verstehen, die den Anschlag am "Heiligen Dienstag" (El Kaida) geplant und durchgeführt haben.

Trotz der Dramatik der Ereignisse vor, während und nach dem Gespräch mit den Terror-Drahtziehern und trotz der Ernsthaftigkeit des Themas bewahren sich die beiden Autoren einen wohltuenden Hang zu Witz und Ironie. So wird Fouda von den Terrorchefs vom Freitagsgebet in der Moschee befreit, um das Versteck nicht zu verraten. Von fundamentalistischen El-Kaida-Glaubenshütern hätte er sich anderes erwartet, merkt der muslimische Journalist nicht ohne spöttischen Unterton an. Der fehlt dafür völlig, wenn in der Danksagung auf einen Menschen ganz besonders hingewiesen wird: "Yosri Foudas Pizzaboten".

Masterminds of Terror. Die Drahtzieher des 11. September berichten

Der Insider-Report von al-Qaida

Von Nick Fielding und Yosri Fouda

Europa Verlag, Hamburg 2003

256 Seiten, brosch., e 14,90

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