"Sie können uns nicht für dumm verkaufen"

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Die renommierte österreichische Linguistin Ruth Wodak analysiert für die Furche die bisher verbreiteten Wahlkampf-Slogans. Was wollen sie aussagen, was sagen sie selbst über die politische Kultur des Landes aus?

Die Furche: Frau Wodak, was ist Ihr erstes Resümee über Wahlkampfslogans, die bisher publik wurden?

Ruth Wodak: Mein allgemeiner Eindruck ist, dass die bisherigen Plakate und Slogans alle auf verschiedene Weise sehr konventionell sind. Es gibt kein Plakat, keinen Slogan, der einen überrascht, wo man sagen würde: Denen ist aber etwas Gutes eingefallen! Die Parteien haben schon ihre "Marke" (Brand), ihr typisches Muster. Die ÖVP versuchte zunächst, ihre bisherigen Muster ein wenig zu durchbrechen, ihr Spitzenkandidat Wilhelm Molterer kam auf den ersten Plakaten nicht vor.

Die Furche: Was bedeuten die Slogans (siehe Detail-Analyse unten) im Kontext der aktuellen politischen Lage?

Wodak: Ich glaube, dass sich die beiden Regierungsparteien schwer tun, sich vom vorangegangenen Debakel abzugrenzen. Sie versuchen es auf unterschiedliche Weise: Die ÖVP etwa versucht, im rechten Lager Stimmen zu lukrieren, setzt aber nicht sehr stark auf eine Persönlichkeit, weil sie keine neue hat. Die SPÖ wirbt mit ihrem neuen Parteichef Faymann, der dafür stehen soll, dass sich so ein Fiasko nicht mehr wiederholen wird. Man gewinnt aber den Eindruck, dass beide im letzten Augenblick eher aktionistische Schritte setzen. Sie können die Wähler und Wählerinnen aber wahrscheinlich nicht für dumm verkaufen und so tun, als wäre nichts gewesen. Daher haben beide - SPÖ und ÖVP - ein großes Glaubwürdigkeitsproblem.

Die Furche: Sie analysieren, dass bisherige FPÖ und BZÖ-Plakate weniger explizit ausländerfeindlich sind als frühere …

Wodak: Es kann sein, dass sich beide Parteien in Hinblick auf mögliche Koalitionsmöglichkeiten (noch) etwas zurückhalten. Die Frage ist, ob explizitere Plakate noch kommen oder ob man davon ausgehen kann, dass ohnedies jeder die ausländerfeindliche Haltung kennt, dass also der Anspielungsraum schon vorhanden ist. Diese Art von Diskurs hat sich in Österreich schon normalisiert. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Slogan der Volkspartei: "Ohne Deutschkurs keine Zuwanderung". Man könnte ihn auch so verstehen, dass man den Deutschkurs vor der Einwanderung machen muss …

Die Furche: … so ist er auch von der ÖVP gemeint …

Wodak: Das wäre eine unglaubliche Verschärfung der Gesetzgebung, das wäre - so weit ich informiert bin - im EU-Raum einzigartig. Wir beschäftigen uns zurzeit im Rahmen eines großen EU-Projekts zur europäischen Mehrsprachigkeit (DYLAN) mit der Frage von Staatsbürgerschaft und Sprachtests.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die Slogans im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?

Wodak: Die Themen im Wahlkampf sind überall recht ähnlich. Aber so explizit fremdenfeindliche Slogans, wie sie die FPÖ oder das BZÖ plakatiert haben, wären etwa in Großbritannien oder Skandinavien in dieser Form nicht möglich. Ich erinnere an die BZÖ-Kampagne bei den Grazer Gemeinderatswahlen Anfang dieses Jahres. Da hieß der Slogan "Wir säubern Graz!" Das war buchstäblich eine explizite Aufforderung zu ethnischer Säuberung. Es klang auch nationalsozialistischer Wortschatz - der "Juden-Säuberung" - mit. Ich frage mich, inwiefern Anti-Diskriminierungsgesetze hierzulande eigentlich greifen?

Die Furche: Was fällt an britischen Slogans auf?

Wodak: Rhetorik und Debatte im Wahlkampf sind witziger, es gibt mehr Humor. Natürlich können Witze auch schief liegen. Auch in puncto Streitkultur könnten sich österreichische Politiker und Politikerinnen etwas von ihren britischen Kollegen und Kolleginnen abschauen. Selbst größte Gegner schaffen es, miteinander noch interessant zu diskutieren. Positiv überrascht hat mich die TV-Konfrontation im ORF zwischen Alexander Van der Bellen und Werner Faymann, das war eine recht sachliche Auseinandersetzung. Aber letztendlich ist Wahlkampf eben ein "Kampf", es geht ja um was. Welche Mittel eine Partei einsetzt und wie weit man geht, ist immer ein Zeichen für die politische Kultur einer Partei und des Landes.

Die Furche: Wird der Begriff "Heimat" - etwa "Heimatland braucht Mittelstand" (FPÖ-Slogan) - in Österreich stärker betont als anderswo?

Wodak: Nein. Ich war kürzlich drei Monate als Gastprofessorin in Schweden. Dort hat fast jeder eine schwedische Flagge im Garten. Und das ist etwa nicht chauvinistisch gemeint. Es ist völlig normal, den Begriff "Heimat" zu verwenden, auch den Begriff "national". In England wiederum gibt es aufgrund globaler Themen und des Irak-Konflikts eine Rückbesinnung auf "Britishness". Der Begriff fällt auf fruchtbaren historischen Boden. Wie auch bei uns "Heimat". Für unsere Generation ist der Begriff noch anders - eher negativ - konnotiert. Ich frage mich, ob das für die junge Generation auch noch so ist.

Die Furche: "Wir" und "sie" bzw. die "Anderen" sind ja ebenso wichtige Sprachbilder von Wahlplakaten.

Wodak: Die Dichotomisierung in "Wir und sie", diese Art von Gruppenkonstruktion, ist ein inhärentes Merkmal politischer Kommunikation. Wenn ich jemanden von etwas überzeugen will, muss ich ihn/sie für mich gewinnen und andere negativ darstellen. Das kann man auf verschiedene Weise machen, mehr explizit, mehr implizit, und mit verschiedenen rhetorischen und persuasiven Mitteln. Es kommt auch darauf an, wie durchlässig Gruppen sind, welche Attribute sie bekommen. Wer ist gut und wer böse? Ein extremes Beispiel ist etwa US-Präsident George Bush mit seiner bekannten Aussage: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns."

Die Furche: Wahlslogans der wahlwerbenden Parteien nehmen bisher keinen Bezug auf frauenspezifische Themen.

Wodak: Die Gender-Dimension ist bisher nicht vorhanden, ich vermisse sie. Familie ja, aber Frauen sind nicht nur Familie. Die Teuerung trifft verstärkt alleinstehende Frauen und Teilzeitarbeitende; das Pflege-Thema betrifft vor allem Frauen. Auch das Thema Zuwanderung hat eine starke Gender-Dimension. Trotzdem sind Frauen auf den Plakaten bisher nicht vorhanden, auch nicht bei jenen Parteien, bei denen sie sonst sichtbar sind. Die einzige Ausnahme ist Heide Schmidt als Spitzenkandidatin des Liberalen Forums. Ich finde das recht beschämend, da die Gender-Frage alle betrifft.

Die Furche: Abschließend: Woran arbeiten Sie zurzeit?

Wodak: In meiner aktuellen Arbeit gehe ich der Politikverdrossenheit in Europa auf den Grund. Das Buch dazu - "Politics as Usual" - wird im kommenden Jahr erscheinen.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger

www.ling.lancs.ac.uk/profiles/265/

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