Simbabwe in der Sackgasse?

19451960198020002020

Gewalt überschattet die Landreformpolitik der Regierung in Harare. Um eine Neuverteilung der kolonialen Besitzverhältnisse an Grund und Boden wird aber im gesamten südlichen Afrika gerungen.

19451960198020002020

Gewalt überschattet die Landreformpolitik der Regierung in Harare. Um eine Neuverteilung der kolonialen Besitzverhältnisse an Grund und Boden wird aber im gesamten südlichen Afrika gerungen.

Werbung
Werbung
Werbung

Immerhin wird jetzt wieder verhandelt. Monatelang waren zuvor in Simbabwe die innen- und außenpolitischen Konflikte eskaliert. Ab März führte die gewaltsame Besetzung zahlreicher großer Farmbetriebe durch rund 10.000 sogenannter Kriegsveteranen nicht nur zur Ermordung von bislang 18 Menschen (zumeist schwarze Landarbeiter, aber auch zwei weiße Farmbesitzern) und zur Mißhandlung Hunderter, sondern stellte auch die bisher unbestrittenen politischen Grundprinzipien des 1980 unabhängig gewordenen Simbabwe in Frage: Nationale Versöhnungspolitik, Respektierung der Menschenrechte, Loyalität von Justiz und Polizei.

Auch die am 27. April in London abgehaltenen Verhandlungen zwischen Simbabwe und Großbritannien konnten keine rasche Lösung für die durch Terror überschatteten Bemühungen um eine Landreform bringen. Immerhin ist damit aber der erste Schritt zu einer Verhandlungslösung getan. Ihre Grundelemente sollen - wenn die Rechnung des zwischen Simbabwe, den USA, der EU und der Weltbank vermittelnden südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki aufgeht - in Folgendem bestehen: Rückzug der "War Veterans" von den Farmen, Abhaltung der verfassungsgemäß vorgesehenen Parlamentswahlen, Zurückhaltung bei politischer Rhetorik - und im Gegenzug die Bereitschaft Großbritanniens zu großzügiger finanzieller Unterstützung der simbabwischen Landreform.

Mugabe im Dilemma Ob dieses Drehbuch funktionieren wird, hängt vom schwankenden politischen Willen der ehemaligen Kolonialmacht ebenso ab, wie von der Umsetzungsbereitschaft auf simbabwischer Seite. Tagespolitisch befinden sich Staatspräsident Robert Mugabe und seine Regierung in einem schwierigen Dilemma. Auf der einen Seite treten realpolitisch denkende Teile seines Kabinetts im Hinblick auf die negativen außenpolitischen und wirtschaftlichen Folgen gegen eine weitere Eskalation der Krise ein. Bereits jetzt sind die Konsequenzen für Simbabwes strukturschwache Volkswirtschaft - die durch das umstrittene Militärengagement im Kongo zusätzlich belastet wurde - unübersehbar: die Vermarktungsquote von Tabak ist um zwei Drittel abgestürzt, woraus ein empfindlicher Verlust an Deviseneinnahmen resultieren dürfte; der Aufschwung im Tourismusbereich ist zum Erliegen gekommen; Forderungen nach einer Einschränkung der entwicklungspolitischer Zusammenarbeit nehmen sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene zu.

Auf der anderen Seite verstärkt sich der innenpolitische Handlungsbedarf. In unmittelbarer Zukunft stehen Parlamentswahlen an - Ende Mai oder Juni -, und die Unzufriedenheit über das Ausbleiben einer Umverteilung des Landes ist einer von mehreren Gründen für die zunehmende Erosion der Mitglieder- und Wählerbasis der seit 1980 regierenden "Zimbabwe African National Union". Seit ihrer spektakulären Niederlage anläßlich des Verfassungsreferendums im Februar sieht sich die ZANU erstmals mit der Möglichkeit eines (teilweisen) Machtverlusts konfrontiert. Angehörige der seit der Unabhängigkeit entstandenen urbanen Mittelschicht, aber auch gewerkschaftlich organisierte Farmarbeiter, finden ihre politische Heimat zunehmend im neugegründeten "Movement for Democratic Change" des früheren Gewerkschaftsführers Morgan Tsvangirai; parallel dazu hat sich das seit Übernahme der weltbankkonformen Strukturanpassungsprogramme angewachsene Heer der Arbeitslosen radikalisiert und sieht seine Vertretung eher in der "War Veterans Association" mit ihrem korrupten, populistisch agierenden Führer Chenjerai Hitler Hunzvi - potentieller Konkurrent Mugabes bei den nächsten Präsidentschaftswahlen? - gegeben. Verstärkte Bemühungen von Teilen der Partei, die Kriegsveteranen (zumeist jugendliche Arbeitslose) durch finanzielle Unterstützung bei der Stange zu halten, sind die Folge.

Erbe des Kolonialismus Doch wie auch immer die Wahlen ausgehen werden: Die vom Kolonialismus hinterlassene Landproblematik wird weiter ungelöst bleiben - und dies nicht nur in Simbabwe, sondern auch in anderen Teilen des südlichen Afrika. Dass hier ein Problem existiert und eigene Mitverantwortung gegeben ist, hat die internationale Gemeinschaft spätestens mit Abhaltung der Geberkonferenz in Harare 1998 zumindest prinzipiell zur Kenntnis genommen.

Eines der Grundelemente beim Aufbau britischer Siedlerkolonien im südlichen und östlichen Afrika hatte darin bestanden, einheimische Kleinbauern millionenfach von ihrem angestammten Land zu vertreiben und die fruchtbarsten Bodenflächen gesetzlich für Farmer europäischer Herkunft zu reservieren. In Südrhodesien (dem heutigen Simbabwe) hatten der Land Apportionment Act von 1930 und später der Land Tenure Act von 1967 die Eckdaten der bis 1980 rechtlich gültigen (und vielfach bis heute faktisch weiterexistierenden) Landbesitzverteilung festgelegt: 46,5 Prozent der Staatsfläche wurden den etwa 200.000 Europeans vorbehalten, 46,6 Prozent standen etwa 4,9 Millionen Africans zur Verfügung, der Rest (Stauseen, Naturreservate) verblieb in staatlichem Besitz.

Massenhafte Unzufriedenheit mit dieser ungerechten Landverteilung war eines der Hauptmotive für den antikolonialen Widerstandskampf der sechziger und siebziger Jahre gewesen. Der bei den Unabhängigkeitsverhandlungen 1979 von der britischen Thatcher-Administration erzwungene zehnjährige Verzicht auf eine über Markttransaktionen hinausgehende Landreform wurde von Simbabwe immer als demütigende Souveränitätsbeschränkung empfunden. Überbevölkerung und Überweidung haben mittlerweile in den früheren Reservaten zum ökologischem Niedergang und steigender Landnot geführt und eine Neuverteilung des Bodens dringlich gemacht.

Seit dem Auslaufen der einschränkenden Verfassungsklausel 1990 und der Verabschiedung des Land Aquisition Act von 1992 sind in Simbabwe mehrere Anläufe zur Durchführung einer Bodenreform gescheitert: aus politischen, finanziellen und vor allem konzeptionellen Gründen. Die gesellschaftspolitische Komplexität der in diesem Kontext zur Diskussion stehenden Fragen wird gerade im Vergleich mit dem Landreformprozeß in Südafrika deutlich. Dieser unterscheidet sich vom strategischen Ansatz her deutlich vom benachbarten Simbabwe.

Südafrika als Beispiel Basierend auf einem umfassenden politischen Konsens vollzieht sich in Südafrika die Veränderung kolonial geschaffener und durch jahrzehntelange Apartheidpolitik verfestigter Landbesitzverhältnisse auf drei unterschiedlichen Ebenen: * Erstens geht es im Bereich der sogenannten Restitution um die Rückerstattung (oder Entschädigung) von aufgrund rassistischer Landgesetze seit 1913 enteigneten Bodens; Ansprüche müssen bei einer unabhängigen Kommission Parzelle für Parzelle nachgewiesen werden, erforderlichenfalls wird eine gerichtliche Entscheidung getroffen.

* Zweitens wird der Grunderwerb von Angehörigen benachteiligter Bevölkerungsschichten staatlich gefördert, in Form der Beseitigung rechtlicher Hindernisse, der Vergabe vergünstigter Kredite sowie - essentiell angesichts der mangelnden agrarischen Erfahrung vieler neuer Kleinbauern - durch Schulungs- und Förderungsmaßnahmen im Bereich der ländlichen Entwicklung.

* Drittens werden einschneidende Veränderungen im Landrecht selbst durchgeführt, um die Rechtsstellung von Pächtern und Landarbeitern gegenüber Plantagenbesitzern beziehungsweise von Dorfgemeinschaften (und innerhalb dieser vor allem von Frauen) gegenüber traditionellen Autoritäten zu verbessern.

Unbestritten ist, dass dieser südafrikanische Landreformprozeß langsam vorankommt und eine legalistische Ausprägung aufweist. Auf der anderen Seite sind in hohem Ausmaß politische Akzeptanz und rechtliche Sicherheit gegeben, und in jedem konkreten Fall ist die Umverteilung von Grund und Boden mit einer Aufarbeitung der kolonialen Enteignungsgeschichte und dadurch mit einem Bemühen um Vergangenheitsbewältigung verbunden. Gerade um derlei zeitraubende Diskussionen und gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, hat Simbabwe seit 1992 den Weg einer politisch gesteuerten Umverteilungsstrategie beschritten. Angesichts der politischen Sackgasse, in die diese Strategie trotz eines mehr als berechtigten Anliegens geführt hat, stellt sich freilich im Nachhinein die Frage, ob eine breite öffentliche Debatte aller mit Landreform zusammenhängenden Grundsatzfragen und Strategien letztendlich nicht doch schneller zu einem Ergebnis geführt hätte.

Angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs bleibt zu hoffen, dass sich der Beginn der Verhandlungen mit Großbritannien auch innerhalb Simbabwes deeskalierend auswirkt. Präsident Mugabe hat anläßlich der Vorstellung des ZANU-Wahlmanifests am 3. Mai ausdrücklich zum Verzicht auf politische Gewalt aufgerufen. Gesprächs- und Friedensinitiativen, wie sie vor allem von kirchlicher Seite (so von der Catholic Commission for Justice and Peace) ergriffen wurden, sind von entscheidender Bedeutung. Über die tagespolitischen Probleme hinaus werden sie die vernachlässigten Grundsatzfragen zum Thema machen können.

Der Autor ist Historiker und Vorsitzender des Dokumentations- und Kooperationszentrums Südliches Afrika (SADOCC) in Wien.

VERANSTALTUNG Über die "Krise der Landpolitik in Simbabwe" diskutieren am Dienstag, 23. Mai 2000, um 19 Uhr Pater Oscar Wermter, Sekretär für Social Communications der Bischofskonferenz von Simbabwe, und Evelyn Kawonza, Botschafterin Simbabwes in Österreich, in der SADOCC-Bibliothek in Wien 4., Favoritenstraße 38/18/1.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung