Sinnerfassend lesen können

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Man sollte PISA nicht so ernst nehmen. Schon vor der Veröffentlichung der Ergebnisse wurde dieser Rat gegeben - befolgt wurde er leider nicht. Dabei kam er von leitender OECD-Stelle. Diese hatte erklärt, dass ein Vergleich mit den vorangegangenen PISA-Daten für Österreich nur "mit Vorbehalt" möglich sei.

Diesen Satz sinnerfassend lesen zu können fiel schwer. Die vage Andeutung der bedingten Vergleichbarkeit hinderte offensichtlich kaum jemanden, einen "Absturz" zu diagnostizieren. Geflissentlich wurde auch übersehen(?), dass ein solcher "Vorbehalt" einen Quervergleich mit anderen Ländern logisch mit einschließt: Wenn in Österreich irgendwelche Sonderbedingungen geherrscht haben, die anderswo fehlten, so macht das vergleichende Interpretationen zumindest problematisch.

Aber das scheint niemanden zu stören. Jeder zieht aus den Ergebnissen die Schlüsse, die schon vorab gezogen waren, z. B.: "Die Gesamtschule muss her" (wenn schon nach der Volksschule viele Kinder schlecht lesen können - bessern sich dann die Fähigkeiten durch die Gesamtschule auf wunderbare Weise?). Im Wiener Stadtschulrat wälzt man Pläne, regelmäßige Tests einzuführen, um eine "Testkultur" zu entwickeln, die ein besseres PISA-Ergebnis erwarten lässt. Das nährt den Verdacht, dass künftighin PISA das Ziel ist (frei nach Seneca: "Nicht für das Leben, sondern für die Schule und den PISA-Test lernen wir").

Die Diagnose bezüglich der Schwächen beim "sinnerfassenden Lesen", die auch ohne PISA gestellt werden könnte, ist sicherlich nicht nur für Volksschüler und 15- bis 16-jährige Jugendliche gültig; und oft liegen die Probleme nicht bei den Lesenden, sondern beim Unsinn des Geschriebenen. Dieser ergibt sich häufig, wenn man ohne "Vorbehalt" den eigenen Vorurteilen freien Lauf lässt.

* Der Autor ist Konsulent bei GfK Austria

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