Sonst wacht niemand über die Menschenrechte von Flüchtlingen

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Seit 1951 ist vieles anders geworden. Eines aber hat sich nicht geändert: Menschen müssen immer noch vor Verfolgung, Krieg und Menschenrechtsverletzungen fliehen und in anderen Ländern Zuflucht suchen.

Heuer feiert die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) - das Abkommen der Vereinten Nationen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - ihr 50-jähriges Bestehen. Vor fünf Jahrzehnten hat sich die internationale Gemeinschaft in Anbetracht der Millionen von Menschen, die im Gefolge des Zweiten Weltkrieges heimatlos wurden, in Genf zusammengefunden und ein Abkommen geschaffen, das die Rechtsstellung der Flüchtlinge regeln sollte. Im Geist des Mitgefühls und der Menschlichkeit wurden völkerrechtlich bindende Standards geschaffen, die festlegen sollten, wer ein Flüchtling ist und wie Staaten Flüchtlinge zu behandeln haben.

Gleichzeitig wurde UNHCR - dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen - das Mandat erteilt, die Durchführung der Konvention zu überwachen. Dabei ist man nicht davon ausgegangen, dass Flüchtlingsfragen für lange Zeit zu den zentralen internationalen Problemen zählen würden: Das Mandat von UNHCR wurde auf drei Jahre begrenzt, danach sollte sich das Amt auflösen. Nun, die Geschichte hat uns leider eines besseren belehrt: Noch immer gibt es weltweit mehr als 21 Millionen Flüchtlinge und somit UNHCR.

Die Bestimmungen der GFK stellen eine große juristische und gesellschaftspolitische Herausforderung dar. Während einige Artikel vollkommen eindeutig sind - etwa der Artikel 33, das "Herzstück" der Konvention, welcher besagt, dass kein Flüchtling in ein Land abgeschoben werden darf, wo ihm oder ihr Verfolgung droht -, sind die meisten von ihnen so flexibel, dass sie im Wandel der Zeiten und Rahmenbedingungen verändert und weiterentwickelt werden können und müssen.

Fragen, die sich zum Zeitpunkt der Schaffung der Genfer Konvention gar nicht stellten, bedürfen heute einer dringenden Klärung. Dabei geht es sowohl um juristische Interpretationen als auch um die Notwendigkeit politischer Lösungsansätze: Flüchtlingsschutz in Massenfluchtsituationen, die Interpretation von Nicht-Staatlicher Verfolgung, die Frage der Beurteilung von geschlechtsspezifischer Verfolgung, die Problematik der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sowie die drängende Frage der Lastenaufteilung sind nur einige Bereiche die einer internationalen Lösung bedürfen.

Aus diesem Grunde hat UNHCR globale Konsultationen mit Regierungen, RechtswissenschaftlerInnen und Flüchtlingen eingeleitet. Die Gespräche sollen dazu dienen, das Engagement der Regierungen für die Flüchtlingskonvention zu bestätigen und zentrale Fragen des Schutzes zu prüfen, die im Text von 1951 nicht explizit angesprochen worden sind. Dabei steht jedoch eines außer Diskussion: So offen die Konvention zu vielen Fragen auch ist, sie kann nicht Probleme bewältigen, für deren Lösungen sie nicht geschaffen wurde. Hiermit sind vor allem die Fragen der Migrationprobleme gemeint. Die Flüchtlingskonvention war nie als Instrument für die Regelung der Migration und noch weniger für Migrationkontrolle gedacht.

Ein wichtiger Punkt muss jedoch heute aus traurigem, aktuellem Anlass betont werden: Die GFK war zu keiner Zeit als Schutzschirm für Kriminelle und Verbrecher gedacht. Seit jeher schließt die in Artikel l F aufgenommene Ausschlusspklausel bestimmte Personengruppen von der Anerkennung als Flüchtling aus. Dazu gehören Personen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder schwere nichtpolitische Verbrechen begangen haben. Die GFK gewährt Kriminellen und Terroristen ganz klar keinen Schutz.

Die Welt ist viel komplexer als 1951. Die Mobilität der Menschen hat sich um ein Vielfaches erhöht. Eines aber hat sich nicht geändert: Menschen müssen immer noch vor Verfolgung, Krieg und Menschenrechtsverletzungen fliehen und in anderen Ländern Zuflucht suchen. Für Flüchtlinge ist die Flüchtlingskonvention heute wie vor einem halben Jahrhundert das einzige universelle humanitäre Abkommen das eine Garantie dafür bietet, dass jemand über ihre Rechte als Menschen wacht.

Der Autor ist stellvertretender Leiter des UNHCR-Büros in Wien.

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