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Souveränität und Neutralität

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Hier soll auch einmal auf eine Art von Begriffsverwirrung verwiesen werden, die sich in jüngster Zeit in die Diskussion über die Begriffe Souveränität und Neutralität eingeschlichen hat. In manchen Erklärungen konnte man die Formulierung hören, daß Österreich seine Grenzen „zur Verteidigung der Neutralität“ nach besten Kräften schützen müsse. Diese Formulierung ist mindestens ungenau, ja, man könnte sagen, daß sie juristisch nicht haltbar ist. Die, Grenzen eines Landes sind aus Socweränitätsgründen zu verteidigen. Nicht die Neutralität, sondern die Souveränität ist militärisches Verteidigungsobjekt, und zwar aus zwei Gründen: Erstens hat die Neutralität die Souveränität zur Voraussetzung; es wurde schon gesagt, daß ein nichtsouveräner Staat nicht neutral sein kann, und zweitens hört im Falle einer militärischen Intervention über die Grenzen eines neutralen Staates die Neutralität auf. Denn in diesem Augenblick ist ja ein bis dahin neutraler Staat gezwungen, sich zu verteidigen, das heißt, gegen einen Angreifer militärische Abwehr einzusetzen.

Noch auf einen anderen Problemkreis muß in diesem Zusammenhang verwiesen werden. Die Neutralität ist eine freiwillige Selbstbeschränkung, die ein Staat auf sich nimmt. Ein neutraler Staat verpflichtet sich aus einer Neutralität heraus, sich aus den Weltkonflikten herauszuhalten und vor allem keine militärischen Bündnisse einzugehen bzw. niemandem das Recht zur Etablierung militärischer Stützpunkte in seinem Lande einzuräumen. Der Wortlaut des österreichischen Neutralitätsgesetzes bringt dies klar und deutlich zum Ausdruck: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird dies mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen. Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.“ Damit sind auch die aus diesem Bundesverfassungsgesetz erwachsenden Beschränkungen Mar und deutlich beschrieben. Die Verpflichtungen sind strenge einzuhalten, aber es besteht kein wie immer gearteter Anlaß, ja keine gesetzliche Voraussetzung für Österreich, über diese Bestimmungen hinausgehende Einschränkungen der Staatspolitik vorzunehmen, denn es liegt im Interesse des Staates, sich selbst nicht mehr Beschränkungen aufzuerlegen, als notwendig ist bzw. im Gesetz verlangt wird! Es wäre daher ein Fehler, wollte Österreich z. B. in seiner Integrationspolitik über die Unterlassung von Souveränitätsverzichten, wie sie das Neutralitäts- gesetz vorschreibt, hinausgehen. Das hat der berufenste Interpret der österreichischen Neutralität, Julius Raab, in der seinerzeitigen Parlamentsdebatte über das Bundesverfassungsgesetz auch klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, indem er sagte: „Ich will weiter hervorheben, daß die militärische Neutralität, die Sie heute beschließen werden, keinerlei Verpflichtungen und Bindungen auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet beinhalten wird."

Unsere Rolle in der Weltpolitik

Aus der Größ e des‘Landes und aus seiner Neutralität heraus hat sich daher auch die österreichische Außenpolitik zu entwickeln. Das bedeutet zweierlei: zunächst einmal das Heraushalten Österreichs aus internationalen Konflikten jeder Art und dann das richtige Einordnen Österreichs in die internationale Politik.

Ersteres ist klar und bedarf keiner weiteren Definition.

Anders steht es mit der Frage, welche Rolle Österreich in der Weltpolitik spielen kann und soll. Wir treffen da sehr häufig auf die Auffassung, daß ein neutrales Land zu Vermittlungs- und sogar zu schiedsrichterlichen Diensten berufen sei. Dies ist aber nur dann richtig, wenn es zu solchen Diensten von den Weltmächten eingeladen wird! Es wäre eine verhängnisvolle Überschätzung österreichischer Möglichkeiten, wollte man annehmen, daß hier von Österreich Aktivitäten zu entfalten wären, ohne daß es dazu aufgerufen wird. Dies hieße die Möglichkeiten eines kleinen Landes bei weitem überschätzen! Darum sind auch die vielen Erklärungen einer angeblichen Funktion als „Brücke“ oder „Drehscheibe“ und wie diese schmückenden Beiwörter alle heißen mögen, in Wirklichkeit nur Redensarten, die eines realen Inhaltes entbehren. Die große Weltpolitik spielt wie eh und je zwischen den Großmächten, und die Aufgabe kleiner Staaten ist es, sich diesem Spiel unter möglichst weitgehender Wahrung eigener Interessen, so gut es eben geht, anzupassen. Wer die Situation im internationalen Weltgeschehen beobachtet, muß feststellen, daß die Meinung kleiner Staaten keine größere Wirkung als die gutgemeinter Ratschläge haben kann. Die tatsächlichen Entscheidungen liegen bei den Großen dieser Welt. Anders stellt sich das Problem, wenn es die Großen für zweckmäßig halten, die Kleinen, und unter diesen vor allem die Neutralen, zu Hilfsdiensten heranzuziehen. Hier entsteht eine echte und wirkliche Aufgabe für neutrale Kleinstaaten. Wien als Begegnungsort von Kennedy und Chruschtschow, als Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde, als Sitz der UNIDO, das sind echte Aufgaben eines neutralen Kleinstaates, der außerdem für die Besorgung internationaler Geschäf te auch immer seine Beamten zur Verfügung stellen kann. Die Person des gegenwärtigen Außenministers, dem jahrelang wichtige Funktionen bei den Vereinten Nationen übertragen wurden, sei als Beispiel genannt.

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