6570912-1950_19_14.jpg
Digital In Arbeit

Soziale Wohnraumpolitik ohne Subventionen

Werbung
Werbung
Werbung

In der Wohnbau- und — damit wohl unlösbar verbunden — in der Mietzinsfrage ist man vorerst nicht über Polemiken hinausgekommen.

Das Problem hat, so wie alle lebenswichtigen Fragen, eine soziale und eine wirtschaftliche Seite, die aber keineswegs in unlösbarem Gegensatz zueinander stehen müssen, wie dies der Fall zu sein scheint.

Eine soziale Mietzinsgestaltung ist diejenige, welche jedermann den angemessenen Wohnbedarf finanziell erreichbar macht. Es wird nun der Standpunkt vertreten, daß dies ausschließlich durch Niedrighaltung der Mietzinse von Alt-Wohnungen und durch Errichtung von Neuwohnungen durch die öffentliche Hand beziehungsweise durch Subventionierung aus Steuergeldern möglich sei, weil nur so das private Profitinteresse ausgeschaltet werden könne. Welches traurige Ergebnis diese Theorie in der Praxis zeitigt, können wir alle täglich beobachten.

Das Problem der unterbelegten Wohnungen (nach amtlicher Angabe sind in Wien 59 Prozent der Drei- bis Fünf-

Zimmerwohnungen unterbelegt, wobei die untervermieteten Räume nicht berücksichtigt sind) ist durch behördliche Maßnahmen nicht zu lösen. Die jetzt vorgeschlagene Luxussteuer ist umständlich und in der Praxis leicht zu umgehen, man denke zum Beispiel an die fingierten Untervermietungen. Aber selbst wenn sich diese Steuer wirklich lückenlos durchführen ließe, würde sie höchstens zu einer gesteigerten Untervermietung führen, aber nicht zu dem erstrebenswerteren Tausch mit einer zahlreicheren Familie, die eine kleinere Wohnung hat (nach amtlicher Angabe sind 40 Prozent der kleinen Wohnungen in Wien überbelegt!). Diese Tauschmöglichkeit besteht nämlich meist auch nur in der Theorie. In der Praxis werden derartige Beträge, mögen sie nun „Ablöse“ oder „Wertausgleich“ oder sonstwie heißen, gefordert, daß für nicht zahlungskräftige Tauschwerber die Durchführung unmöglich ist.

Die Behauptung, daß die derzeitigen Instandhaltungszinse (14 bis 23 Groschen pro Quadratmeter) zur Reparatur der (privaten) Althäuser ausreichen (übrigens sind bei den Wiener Gemeindebauten mindestens 50 Groschen pro Qudratmeter dazu erforderlich), wenn die Hauseigentümer gezwungen würden, alle seit 1929 vereinnahmten und nicht verwendeten Gelder dafür aufzuwenden, werden wohl sehr wenige Mieter für wahrscheinlich halten. Wo ist das Geld, das zwischen 1929 und 1947 eingenommen wurde? Oder spekuliert man darauf, daß die meisten Mieter nicht einmal wissen, was der Instandhaltungszins ist? Fast scheint es so, sonst könnte die Frage, ob man eine Bemessungsgrundlage, die noch aus den Zeiten der Monarchie stammt, beibehalten oder aber durch eine klarere, einfachere, objektivere Art der Berechnung ersetzen soll, überhaupt keine Frage sein, sondern es könnte sich die Debatte höchstens um die Höhe des pro Einheit festzusetzenden Grundzinses drehen. Nicht nur, daß sich der objektive Wohnwert vieler Wohnungen seit 1914 bedeutend verändert hat, es ist auch die Berechnung so umständlich, daß sich ein einfacher Mensch darin nicht mehr zurechtfindet.. Wer weiß schon, daß 3000facher Friedenszins bedeutet: Friedenszins 1914 X 3000: 10.000 (Schillingsanierung 1924) : 3 X2 (Markumrechnung)? Wer von den Mietern weiß überhaupt, wieviel Kronen Friedenszins seine Wohnung im Jahre 1914 kostete, beziehungsweise wie hoch seine Wohnung später (willkürlich) eingeschätzt wurde. Wer weiß schon, daß aus dem Instandhaltungszins keine nennenswerten Kriegsschäden behoben werden dürfen und daß auch eine Behebung dieser Schäden mit Hilfe des Wiederaufbaufonds angesichts der derzeitigen Dotierung nicht in Betracht kommt. Wie würden aber auch die Mieter in kriegs-beschädigten Häusern darüber denken, wenn ihnen klar gesagt würde: Ihr müßt für Wohnungsneubauten Steuer zahlen, für die Behebung der Kriegsschäden (Stiege, Gang, Dach, Zwischendecken usw.) in eurem Hause ist aber kein Geld da.

Und doch könnten alle diese Probleme auf verhältnismäßig rasche und einfache Art aus der Welt geschafft werden. Man müßte nur den natürlichen Weg dazu beschreiten, das ist immer die einfachste und erfolgreichste Lösung. Man ist diesen Weg ja auch bei anderen Lebensproblemen schon gegangen. Man ist zum Beispiel davon abgegangen, das Brot oder den Zucker allgemein durch Subventio-nierung zu verbilligen (also auch für vermögende Leute), sondern man hat lieber die Kinderzulagen und Altersrenten (bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze) erhöht und so nur denen geholfen, die dessen bedürftig waren, und ist dabei, im ganzen gesehen, viel billiger weggekommen. Warum sollte das nicht auch im Wohnungswesen möglich sein? MaVi setze den objektiven Nutzwert der Wohnungen beziehungsweise Geschäftslokale in Punkten fest und bestimme die tragbare Höhe der Miete pro Punkt. Dann gebe man pro Kind und pro Rentner bis zu einem bestimmten Einkommen eine Mietzinsbeihilfe in der Höhe'der Miete für 10 Quadratmeter Wohnraum. Alle unerwünschten Begleiterscheinungen des derzeitigen Systems würden dadurch ganz von selbst verschwinden, weil dadurch derWirklichsozialeMiet-z i n s erreicht werden würde: kinder-i eiche Familien kämen zu entsprechend großen Wohnungen, kinderlose Ehepaare würden sich mit Kleinwohnungen begnügen und alte Leute könnten den benötigten Einzelraum auch ohne (meist für beide Teile unangenehme) Untervermietung bezahlen. Wer aber einen größeren Wohnungsluxus anstrebt, müßte ihn auch selbst bezahlen und würde nicht auf Kosten oft viel Bedürftigerer subventioniert werden.

Von den so vereinnahmten Mieten müßte der Hauseigentümer, gleich, ob privater oder öffentlicher, eine Abgabe zur Bestreitung der oben angeführten Beihilfen bezahlen. Was dann nicht für Reparaturen, gleich, ob Kriegsschäden oder Zeitschäden, später auch für ord-nungsverbessernde Investitionen, zum Beispiel Einleitung von Wasser, Einbau von WC und Bad usw., verwendet wird, wäre nach Abzug der Verwaltungskosten zur Gänze auf ein Sperrkonto

Ausstattung und Lage Einzelraum einfach 20.— mittel 20.—

Es gäbe natürlich auch viele Zwischenstufen; Luxuswohnungen wären entsprechend teurer (bis zum Doppelten der mittleren Preislage). Also eine Miete, die nicht höher ist als in den Gemeindeneubauten, die ohne Lohnerhöhungen akzeptiert wird, die aber niedriger ist als bei den Goldzinswohnungen: diese Mieten müßten durch teilweise Übernahme des Zinsendienstes auf die gleiche Miethöhe gebracht werden. Es ist auch zu berücksichtigen, daß pro Kind und pro Rentner eine Mietzinsbeihilfe von 20 S monatlich gewährt würde.

Für Neuwohnungen würden sich die Mieten ungefähr wie folgt gestalten: Einzelraum 64 S, Zimmer, Küche 112 S, einzuzahlen. Ans diesen eingelegten

Geldern, die mit 1 Prozent verzinst werden könnten, würden ganz normale, niederverzinsliche (höchstens 4 Prozent inklusive Amortisation), langfristige, etwa 30 bis 50 Jahre laufende Baukredite für Wohn- und Siedlungsbauten, in erster Linie Wiederaufbauten, gegeben. Durch diese Maßnahme würde vor allem erreicht werden, daß die Reparaturen und zu einem sehr großen Teil auch die Kriegsschäden an den Häusern in kürzester Zeit ohne kostspielige Verwaltungsverfahren und ohne zeitraubende Rechtshändel, wie Mietkommissionen, Schlichtungsstellen usw., behoben würden. Die neugeschaffenen Kreditquellen würden auch den Gemeinden zur Verfügung stehen, so daß diese nicht gezwungen wären, Steuermittel für Bauzwecke heranzuziehen. Dadurch könnten die Gemeindesteuern, vor allem die Grundsteuer, die heute mehr ausmacht, als die Miete, auf einen Bruchteil der derzeitigen Höhe gesenkt werden, so daß sich die Grundzinserhöhung in der Bruttomiethöhe auch für die kinderlosen Ehepaare und Alleinstehenden nicht so sehr bemerkbar machen würde. Es wäre dadurch aber auch wieder ein Anreiz zum Bausparen gegeben, weil der Sparer nicht neben seiner volkswirtschaftlich wertvollen Spartätigkeit noch die öffentliche Wohnbausubventionierung mitbezahlen müßte.

Wie hoch würde sich dabei der Zins für eine Wohnung stellen? Wenn man pro Punkt (korrigierter Quadratmeter) an Grundzins S 1.75, für Betriebskosten S —.20 und für die (gesenkte) Grundsteuer S —.05 annimmt, wäre absolut das Auslangen zu finden und es würden sich für Altwohnungen folgende Mieten ergeben:

Zi., Kü. Zi., Kab., Kü. 2 Zi., Kü. 35._ 45._ 55._

70.— 90.— 110.—

Zimmer, Kabinett und Küche oder 2 Zimmer, Kochnisdie 144 S, 2 Zimmer, Küche 176 S (alles bei guter Ausstattung, mit Bad). Ich glaube, daß viele junge Ehepaare, selbst auch Pensionisten, froh wären, wenn sie für dieses Geld eine eigene Wohnung bekämen, da sie in Untermiete meist mehr bezahlen müssen, ohne eine Beihilfe zu bekommen. Bei diesen Wohnungen würden sich ja auch die Beihilfen auf 32 S pro Kind oder Rentner erhöhen.

Gewiß würde diese Lösung sowohl für manche Mieter, als auch für die Hauseigentümer ein Opfer bedeuten, aber sie würde wenigstens das Problem wirksam und gerecht und vor allem rasch aus der Welt sdiaffen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung