Sozialste Partei im Land?

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Kommende Wahlen in Europa werden über die "neue soziale Frage" entscheiden. Das haben die deutschen Bundestagswahlen gezeigt und das werden die Wahlen in Italien und Österreich zeigen. Deutschlands Politiker haben inzwischen das sozialpolitische Vakuum entdeckt und starten derzeit einen Wettbewerb: Wer ist die sozialste Partei im Land? Angela Merkel ist dabei mutiger als die spd; sie nimmt ein Wort in den Mund, das in den politischen Debatten lange als Sozialromantik abqualifiziert wurde. Sie fordert "Gerechtigkeit" und eine Erneuerung der "sozialen Marktwirtschaft". Eine Wertediskussion soll im April in der cdu starten.

Überraschend für eine Politikerin, die ihren Wahlkampf noch mit der Flat-Tax geführt hat. Immerhin zeigt die erste Frau Deutschlands ein gehöriges Maß an Lernfähigkeit und Zivilcourage gegenüber den Industriekreisen, die zur Stammklientel der cdu zählen. Auch wenn in der övp mahnende Rufer in der Wüste wie Norbert Blüm und Heiner Geißler fehlen, könnte der Partei eine Rückbesinnung auf ihre christlich-demokratischen Wurzeln nicht schaden.

Das gilt auch für den Umgang mit Silvio Berlusconi, der innerhalb der övp noch immer hofiert wird, während Helmut Kohl offen für Romano Prodi und dessen Mitte-Links-Bündnis eintritt. Die klügeren unter den konservativen Politikern erkennen, wie sehr die einseitige Orientierung an den Interessen der Großindustrie, die Standortpolitik auf dem Rücken der Klein-und Mittelbetriebe und der Arbeitnehmer die Skepsis gegenüber der Wirtschaftspolitik der eu und der Politik allgemein schürt. Dass fehlende Gerechtigkeit jede Politik delegitimiert, wusste schon Augustinus: "Was sind Reiche ohne Gerechtigkeit anderes als große Räuberbanden?"

Die Autorin war orf-Redakteurin und Dokumentarfilmerin.

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