SPIEGLEIN, Spieglein im Kabinett

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Mittels rot-schwarzer "Spiegelressorts" will die Koalition ihren "neuen Stil" beweisen. Welches Pärchen-Potenzial haben die einzelnen Duos?

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Mittels rot-schwarzer "Spiegelressorts" will die Koalition ihren "neuen Stil" beweisen. Welches Pärchen-Potenzial haben die einzelnen Duos?

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Wie ein Tennis-Doppel sollen je ein rotes und ein schwarzes Regierungsmitglied zusammenspielen: Was bisher schon so passiert ist, wird nun als neuer Coup verkauft (siehe Kasten unten). Fest steht, dass die gemeinsamen Auftritte der Spiegelminister Kanzler Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Spindelegger (ÖVP) entlasten sollen. Die neue Kommunikations-Strategie ist wohl auch aus dem Verdruss entstanden, in der Presse negativ vorzukommen. Obendrein löse sich für Kanzler und Vizekanzler das Problem, jede Woche etwas zu verkünden zu haben, meint Meinungsforscher Peter Hajek: "Bei allgemeinen Fragen kann statt ihnen auch das Koordinierungspaar Josef Ostermayer (SPÖ) und Jochen Danninger (ÖVP) auftreten." Im Grunde sei eine personelle Verbreiterung nicht schlecht, weil man der Regierungsspitze diese umfassende Kompetenz ohnehin nicht abnehme, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämerle. "Wenn aber andere Duos beliebter werden als Faymann und Spindelegger, könnte es wieder Obmann-Debatten geben." Drei Minister sind gleich in drei Ressorts vertreten: Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Kanzleramts-Minister Josef Ostermayer (SPÖ) und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Von diesen dreien erhofft man sich eine besonders gute Performance. Kurz hat Top-Umfragewerte, Ostermayer ist wegen seines Vertrauensverhältnisses zum Kanzler eine Schlüsselfigur und auch Heinisch-Hosek hat sich bisher fehlerfrei geschlagen.

Entlastung und Kontrolle für die Spitze

Wirft man einen näheren Blick auf Faymann und Spindelegger, so sind die zwei kein ungleiches Paar: Schon wegen ihres Alters, ihrer Lebensumstände und ihrer Partei-Sozialisation gibt es einige Gemeinsamkeiten. "Als Parteichefs sind beide eher uncharismatisch. Gerade weil sie nicht so angriffslustig sind, finden sie eine gemeinsame Basis", analysiert Stainer-Hämmerle. Aber ihre Zusammenarbeit habe sich mittlerweile abgenützt: "Was an Konsens möglich war, wurde bereits bewegt - nun sind sie bei Themen wie der Gesamtschule gelandet, wo sie einfach nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen. Als Herausforderer hat Spindelegger da sicher die unglücklichere Position", meint Stainer-Hämmerle.

Hajek glaubt nicht, dass die Obmann-Debatte um Spindelegger seine Position gegenüber Faymann schwächen könnte. "Spindelegger steht schon seit Beginn seiner Obmannschaft im Kreuzfeuer der Kritik. Faymann wird sicher danach trachten, Spindelegger bis zu einem gewissen Grad zu stützen, weil Spindelegger ein Zweiter ist, der ihm nicht gefährlich werden kann."

Dass es den Parteichefs bei den Spiegel-Ressorts nicht nur um Entlastung, sondern auch um Kontrolle geht, zeigt die überraschende Zusammenarbeit von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Bildungsministerin Heinisch-Hosek beim Thema Bildung. "Sie soll als ehemalige ÖA-AB-Chefin darauf achten, dass die Spindelegger-Linie in Schulfragen gehalten wird und Heinisch-Hosek nicht über die Hintertür die Gesamtschule einführt", so Stainer-Hämmerle. Logischer wäre es jedenfalls, Wissenschaftsminister Mitterlehner mit der Unterrichtsministerin zusammenzuspannen.

Als vielversprechendes Duo werden Heinisch-Hosek (Bildung, Frauen) und Familienministerin Sophie Karmasin (parteilos/ÖVP) gehandelt. "Sie sind sich in gesellschafspolitischen Fragen nahe, weil Karmasin in vielen Punkten nicht auf ÖVP-Linie ist. Es stellt sich die Frage, wielange man sie an der langen Leine laufen lässt", betont Stainer-Hämmerle. Jedenfalls versucht die ÖVP, mit Karmasin die städtisch-liberale Bildungsbürgerin anzusprechen und ein Rolemodel für emanzipierte Frauen zu bieten. Gerade bei den Wählerinnen könnte dieses Gespann mit den Themen Familie, Frauen und Bildung punkten. Bei den Männer werde das charismatische Duo Sebastian Kurz -Gerald Klug (SPÖ) mit den Gebieten Außenpolitik und Verteidigung gut ankommen.

Kurz spiegelt auch Faymann: Mit dem Sympathieträger im Team hat sich Faymann sein Gegenüber geschickt ausgesucht. Die beiden werden zu den Themen Europa und Außenpolitik zusammenarbeiten. "Da kann Faymann ein wenig Visionen spinnen und bekommt wen Populären beigestellt, der ihm inhaltlich nicht widersprechen kann. Diese Kombination ist der beste Marketing-Schmäh", so Stainer-Hämmerle.

Auch bei der Kombination Klug (Verteidigung) und Mikl-Leitner (Inneres) könnte letztere von Klugs Außenwirkung profitieren: "Er ist sehr beliebt, Mikl-Leitner nicht. Sie hat es aber auch vom Ressort her schwerer, denn die Themen Inneres und Sicherheit werden von rechter und linker Oppositionsseite angegriffen", meint Stainer-Hämmerle.

Die Übriggebliebenen und Vorgeschobenen

Die Zusammensetzung mancher Duos ist teils schwer nachvollziehbar: Obwohl es wenig inhaltliche Überschneidungspunkte gibt, bilden Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) und Justizminister Wolfgang Brandstetter (parteilos/ÖVP) ein Spiegelressort. "Es scheint, als hätte man die beiden Übriggebliebenen zusammengespannt", kommentiert Stainer-Hämmerle.

Auffällig ist auch, dass der Finanzminister in der Arbeitsgruppe zur Steuerreform fehlt. Stattdessen wurden die Newcomer Jochen Danninger (ÖVP) und Sonja Steßl (SPÖ) gleich mit dem harten Finanz-Ressort betraut. "Sie scheinen etwas vorgeschoben, um Spindelegger den Rücken frei zu halten. Die unangenehmen Nachrichten werden sicher von dieser Paarung verkündet", meint Stainer-Hämmerle. Danningers entscheidender Vorteil: Er ist die zentrale Vertrauensperson des Finanzministers. "Er wird sich seine Hausmacht schnell aufbauen", meint Politikberater Thomas Hofer. Steßl drohe eher, unter die Räder zu geraten: "Sie muss sich innerparteilich erst profilieren und ist von den relevanten Informationsflüssen des schwarzen Finanzressorts abgeschnitten."

Als Rolemodel des "neuen Stils" und Traumpaar der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit gelten Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Sie werden wegen des zentralen Arbeitsmarkt-Themas eine führende Rolle spielen. "Beide realistische Pragmatiker. Sie haben schon bewiesen, dass Kompromisse zwischen SPÖ und ÖVP über ihre Schlüsselressorts laufen", analysiert Stainer-Hämmerle.

Ob die Zusammenarbeit der zusammengespannten Paare funktioniert, hängt von einigen Faktoren ab: "Entscheidend ist neben der Wichtigkeit der Ressorts und Themen vor allem die Chemie. Ein zweiter Faktor ist das innenpolitische und parteipolitische Gewicht der jeweiligen Person, auch wie gut das Verhältnis zum Parteichef ist, um den Konsens parteiintern durchhalten zu können", betont Hofer.

Die Regierung retten kann allein ein "neuer Stil" freilich nicht. "Dem Regierungsprogramm mangelt es für eine fünfjährige Koalition an Substanz. Rot und Schwarz haben die jeweiligen Leuchtturmprojekte des Koalitionspartner erfolgreich herausverhandelt", kritisiert Hofer. Was eine Beziehung wirklich wert ist, zeigt sich bekanntlich erst, wenn ein gröberes Problem auftritt. Im Laufe der Europa-Wahl oder spätestens im Superwahljahr 2015 wird sich die Haltbarkeit der Minister-Pärchen offenbaren.

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