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Spiel mit der Würde des Menschen

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Heute, Donnerstag, den 2. Februar, geht es um die Zukunft eines menschlichen Europas. Im Europarat steht die Bioethik-Konvention zur Abstimmung.

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Heute, Donnerstag, den 2. Februar, geht es um die Zukunft eines menschlichen Europas. Im Europarat steht die Bioethik-Konvention zur Abstimmung.

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Langsam rührt sich auch in Österreich Widerstand gegen die sogenannte Bioethik-Konvention des Europarates (furche 3/1995, Seite 1). Es ist das Verdienst Walter Schwimmers, hierzulande auf die gefährlichen Formulierungen der geplanten Konvention aufmerksam gemacht und entsprechende Abänderungen vorgeschlagen zu haben. Dem Abgordneten der parlamentarischen Versammlung des Europarates, der von der Europaratskommission Rechtsangelegenheiten als Berichterstatter beauftragt wurde, geht es darum aufzuzeigen, daß es in Fragen der Bioethik und Medizin Grenzen für die wissenschaftliche Forschung gibt. In diesen Fragen, so Schwimmer jüngst bei einer Pressekonferenz im Parlament in Wien, herrscht auch unter den Koalitionsparteien einhelliger Konsens. Er selbst plädiert dafür, sollte bei der heutigen Abstimmung in Straßburg der ursprüngliche Konventionsentwurf durchgehen, mit Möglichkeiten der Forschung an Behinderten, Kindern, Alten („geschäftsunfähigen Personen”) ohne deren Einwilligung sowie an Embryonen bis zur 14 Woche, daß Österreich diese Konvention nicht ratifiziert.

Für Schwimmer gilt der Grundsatz, daß Wehr- und Schutzlose im Zweifelsfall mehr und nicht weniger Schutz benötigen. Daher sei es absolut unzulässig, Menschen ohne therapeutischen Nutzen, bloß für Forschungszwecke, zu Versuchskaninchen zu machen. „Versuchskaninchen” war übrigens auch der Begriff, mittels dem sich die furche als eine der ersten und wenigen Zeitungen in Österreich mit der Bioethik-Konvention des Europarates auseinandergesetzt hat.

Schwimmer glaubt, in Österreich doch eine gewisse Diskussion in Gang gebracht zu haben. Das Institut für medizinische Ethik und die Lebenshilfe hätten sich aktiv an der Auseinandersetzung beteiligt. Das Medienecho in Österreich, so Schwimmer, sei leider gering gewesen. „Ich bedaure, daß über grundlegende ethische Fragen mit einem nicht zu leugnenden Kontext mit der Vergangenheit noch keine Diskussion stattgefunden hat.” Schwimmer verabsäumte es nicht, in diesem Zusammenhang auf die jüngste Vergangenheit in Österreich und Deutschland zu verweisen, als es die Nazis wagten, Menschen als Objekte für ihre obskuren Versuche zu mißbrauchen.

Obschon es begrüßenswert wäre, daß sich der Europarat Gedanken macht über den richtigen Einsatz von neuen medizinischen und biologischen Möglichkeiten, müsse doch auf die Gefahren für Menschenwürde und -rechte bei schwammigen Erklärungen, die Hintertüren offenließen, aufmerksam gemacht werden. Am Montag dieser Woche hat die Katholische Aktion Österreichs in einer

Erklärung Bedenken gegen einzelne Punkte der Konvention angemeldet. Interventionen an psychisch oder rechtlich handlungsunfähigen Personen seien unakzeptabel und gestatteten keine Ausnahmeregelungen. Die Gefahr, daß die menschliche Person zum Objekt medizinischer Forschung degradiert werde, müsse ausgeschaltet werden.

In vielen Punkten und im Grundsätzlichen trifft sich die Katholische Aktion mit den Abänderungswünschen Schwimmers, der darauf pocht, daß die Wissenschaft für ihre Versuche Freiwillige finden und im Falle des Nichtvorhandenseins nicht auf Unmündige zurückgreifen sollte, die keine Zustimmung geben können. Schwimmer hat aufgezeigt, daß noch so gutgemeinte Vorschläge durch schwammige Formulierungen die Menschenwürde eigentlich mit Füßen treten.

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