Spindeleggers letzte Chance

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Es war der beste Satz des Michael Spindelegger seit Langem: "Ich bin derjenige, der ganz langweilig und fad sein Hirn einschaltet“, sagte er im ORF-Sommergespräch, konfrontiert mit seinem Image, das meist mit "wenig charismatisch“, "graue Maus“ o. Ä. beschrieben wird. Das bedeutet nicht nur taktisch aus der Not - dem entsprechenden Image - eine Tugend zu machen, indem man den Spieß umdreht. Das könnte, konsequent strategisch und vor allem authentisch durchgezogen, tatsächlich eine erfolgversprechende Positionierung sein: als Kontrastprogramm zu all den schrillen Aufgeregtheiten, den platten Selbstinszenierungen, der hohlen Phraseologie des Politsprechs.

"Wann er’s nur aushalt“, der Spindelegger, möchte man mit einem alten Werbeslogan "raunzen“. Den ersten großen Auftritt nach den jüngsten VP-internen Turbulenzen, eben das Sommergespräch, hat Spindelegger so gut es ging für einen Befreiungsschlag genutzt. Aber das war eine Momentaufnahme - jetzt müsste Spindelegger diese Tonlage beibehalten. Möglicherweise ist der Wirbel von Alpbach einigen in der Partei so in die Knochen gefahren, dass Spindelegger eine kurze Atempause vergönnt ist. Die muss er nützen, um die Partei für 2013 neu aufzustellen - nicht personell, das geht jetzt nicht mehr, aber inhaltlich klar, gestützt durch entschiedenes und selbstbewusstes Auftreten.

Bildungspolitik als Exempel

Die Tiroler Ausritte in Sachen Gesamtschule sind freilich gleich einmal kein gutes Zeichen. Wenn sukzessive über die Länder die SPÖ-Linie in die Bundespartei einsickert, wird man das schwerlich anders denn als Umfallen (im besten Fall zu Gunsten eines Umfallens auf SP-Seite bei den Uni-Gebühren) interpretieren können. Sollte die ÖVP tatsächlich ihre schulpolitische Linie ändern wollen, dann müsste dies von der Parteispitze offensiv kommuniziert werden. Aber Spindelegger hat ja gesagt: "Das Gymnasium bleibt.“ Dann muss er schauen, wie er die eben losgebrochene Diskussion wieder einfängt. In der Sache selbst trifft er wohl die Einstellung seiner Klientel: Zumindest in den Städten ist der Zulauf zum Gymnasium - genauer - zur AHS-Unterstufe, ungebrochen. Mit einer Richtungsänderung würde Spindelegger wohl viele Kernwähler vor den Kopf stoßen (die dann bei der Wahl am ehesten zu Hause bleiben), auf der anderen Seite aber nichts gewinnen: Warum sollte jemand, der für die Gesamtschule eintritt, ÖVP wählen?

Auf dünnem Eis

Die Bildungspolitik ist natürlich nur ein Mosaikstein - und sie wird nicht wahlentscheidend sein. Aber der Platter’sche Vorstoß zeigt exemplarisch einmal mehr, wie dünn das Eis ist, auf dem sich der Bundesparteiobmann bewegt. Mehr als in anderen Parteien muss sich die Person an der Spitze mindestens so sehr gegenüber internen Quertreibern durchsetzen wie gegenüber dem politischen Mitbewerber. Kleines Gedankenexperiment: Wäre Werner Faymann ÖVP-Chef, so hätten ihn die Bünde, Länder, Kammern etc. schon nach Strich und Faden zerlegt …

Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob Michael Spindelegger wieder (noch einmal) Tritt fassen kann. In dem Wissen, dass es seine letzte Chance ist, könnte es ihm leichter fallen, tatsächlich ganz "langweilig und fad“ einfach das zu tun, was er für richtig hält. Vor allem wird es darum gehen, die Kernwähler bei der Stange zu halten und deren Wahlabstinenz bzw. Abwanderung zu Blau, Orange, Stronach zu verhindern.

Von der Eurokrise über die Sicherheitspolitik bis hin zu gesellschaftspolitischen Fragen: Die einzige Chance besteht darin, mit "Hirn einschalten“ den einfachen und schnellen Lösungen der Populisten von rechts und links Paroli zu bieten. Damit kann man wahrscheinlich derzeit nicht Erster werden - aber vielleicht doch mit Anstand Zweiter. Immerhin.

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