SPÖ - © Fotos: APA / Roland Schlager

SPÖ-Mitgliederbefragung: Ohne Spielregeln verlieren alle

19451960198020002020

Die Mitgliederbefragung hat die SPÖ endgültig „zerdrittelt“. Pamela Rendi-Wagner ist mittlerweile zurückgetreten, doch ob ihr Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler folgt, ist noch immer offen. Eines zeigt die Episode schon jetzt: den Sinn und Wert funktionierender Institutionen. Eine Analyse.

19451960198020002020

Die Mitgliederbefragung hat die SPÖ endgültig „zerdrittelt“. Pamela Rendi-Wagner ist mittlerweile zurückgetreten, doch ob ihr Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler folgt, ist noch immer offen. Eines zeigt die Episode schon jetzt: den Sinn und Wert funktionierender Institutionen. Eine Analyse.

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn es schlecht läuft, kommt zum eigenen Unvermögen oft auch noch Pech dazu. Und bei der SPÖ ist einiges schlecht gelaufen in der jüngeren Vergangenheit. Ihr Unvermögen bestand darin, sich zwar Hals über Kopf in eine Mitgliederbefragung über Parteivorsitz und Spitzenkandidatur zu stürzen, aber keinen Wahlmodus vorzusehen, der auch dann einer Person ein klares Mandat gibt, wenn der – nicht absurd unwahrscheinliche – Fall eintritt, dass von den Kandidierenden niemand auf über 50 Prozent der Stimmen kommen sollte. Das könnte etwa in einer Stichwahl geschehen oder per Präferenzwahl, bei der die Stimmen für die drittplatzierte Person nach Zweitpräferenz auf die beiden Erstgereihten aufgeteilt würden. In diesem Fall wüssten wir jetzt, ob die Rendi-Wagner-Unterstützer Doskozil oder Babler den Vorzug gegeben hätten. Man hätte sich auch unmissverständlich darauf einigen können, dass die Person mit den meisten Stimmen bei der Befragung gewinnt.

Nur ein „Stimmungsbild“?

Eine Entscheidung über ein Wahlsystem für die Mitgliederbefragung wurde aber nie getroffen. Immerhin handle es sich ja nicht um eine echte Wahl, sondern um ein reines „Stimmungsbild“, so Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. So gingen die drei Bewerber um den Vorsitz mit unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie man zu einer Entscheidung kommen sollte, in die Befragung. Zu allem Unvermögen kommt nun auch noch das Pech, dass die Mitglieder ihre Stimmen beinahe perfekt gedrittelt auf die Kandidierenden aufgeteilt haben: 33,7 Prozent für Doskozil, 31,5 Prozent für Babler, 31,4 Prozent für Rendi-Wagner. Ein paar versprengte Mitglieder konnten sich für keine Option erwärmen. Viel gemeiner hätte es sich nicht einmal der politische Gegner ausdenken können.

Damit fällt der SPÖ das Unvermögen, einen ordentlichen Wahlprozess aufzusetzen, umso heftiger auf den Kopf. Eine absolute Mehrheit bei der Mitgliederbefragung hätte zumindest die jetzt aufblühenden Diskussionen über den „tatsächlichen“ Wählerwillen der über 100.000 teilnehmenden Mitglieder verhindert. Das denkbar knappe Resultat befeuert aber genau diese Debatte: Es bietet Beteiligten aller Lager ausreichend Interpretationsspielraum, um jeweils ihren Kandidaten „in Wirklichkeit“ vorn zu sehen. Der manipulativen Argumentation ist Tür und Tor geöffnet. Wir werden in den nächsten Wochen noch öfter zu hören bekommen, dass diese oder jene Person „in der Partei keine Mehrheit“ habe. Dabei verhält es sich mit dem Wählerwillen im Grunde ganz einfach: Es gibt ihn nicht per se – er wird immer erst durch das Wahlsystem erzeugt.

Hätten wir beispielsweise die relative Mehrheitswahl (wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt) als Wahlsystem für das Bundespräsidentenamt, wäre Norbert Hofer (FPÖ) 2016 im ersten Wahlgang zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Unter dem vorgesehenen Stichwahlmodus aber hat Alexander Van der Bellen (Grüne) gewonnen. Und möglicherweise wäre bei einem ganz anderen Wahlsystem Irmgard Griss (Neos) Bundespräsidentin geworden.

„Echt“ oder strategisch wählen?

Genau dasselbe Spiel lässt sich für die Mitgliederbefragung über den SPÖ-Vorsitz spielen: Interpretiert man das Ergebnis als relative Mehrheitswahl, dann ist Hans Peter Doskozil klarer Sieger. Versteht man es als Auftrag für eine Stichwahl beim Bundesparteitag am 3. Juni, dann könnte die Sache auch zugunsten Andreas Bablers ausgehen. Unter wieder anderen Wahlsystemen wäre eventuell Pamela Rendi-Wagner wiedergewählt worden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung