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Die Helfer handeln realistisch

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Die Helfer handeln realistisch

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"Es ist durchaus vereinbar, Integration zu unterstützen, zugleich aber dafür einzutreten, dass es in Zukunft nach Möglichkeit nur mehr zu geordneter Zuwanderung kommt."

Kurz bevor er zum Obmann des Parlamentsklubs seiner Partei gewählt wurde, hinterließ ein Politiker in den letzten Tagen seines Wirkens als Vizebürgermeister von Wien die vorweihnachtliche Empfehlung, Asylwerber hinkünftig in Großquartieren an den dünn besiedelten Stadträndern zwischenzulagern. Dort würden sie merken, dass es "in Österreich doch nicht so gemütlich ist, wie alle glauben". Ob dieser offensichtlich als Provokation angelegte Vorschlag bloß ein trotzig nachgeliefertes Indiz für mangelnde Ministertauglichkeit war oder ein Störmanöver gegen aus Sicht strammer Rechter möglicherweise allzu harmonische Regierungsverhandlungen, ist Interpretationssache.

In wie beeindruckendem Gegensatz dazu steht die Praxis unzähliger privater Initiativen für Menschen, die zur Flucht getrieben wurden und hier ganz von vorne beginnen. Mit ihnen haben ihre Helferinnen und Helfer auch rund um die Feiertage viel Zeit verbracht, Geschenke und Zuwendung geteilt und erste Erfolge gefeiert. Sie haben davon kein Aufheben gemacht und verlangen nicht nach öffentlichem Lob. Aber sie dürfen sich erwarten, nicht als heillose Idealisten hingestellt zu werden, die die Folgen ihres Handelns zu wenig bedenken.

Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Jene, die beherzt und zupackend etwas dazu beitragen, dass sich die Situation der vor allem im Jahr 2015 vor den dramatischen Geschehnissen in ihren Herkunftsländern Geflohenen konkret verbessern lässt -ob durch Sprachunterricht, Beherbergung oder einfach nur zwischenmenschlichen Austausch - handeln realistisch. Und sie wissen nur allzu gut, dass der Weg zu wirklicher Integration mitunter steinig ist, lange Jahre dauert und beträchtliches öffentliches Geld kostet. Schon deshalb kann er nur zum Erfolg führen, wenn der Zustrom an neuen Hilfsbedürftigen begrenzt bleibt.

Gesamteuropäische Vorgangsweisen

Gespräche im Freundeskreis zeigen mir, dass jene, die sich für Flüchtlinge engagieren, es für durchaus vereinbar halten, Integration zu unterstützen und wo notwendig sogar auszubauen, zugleich aber dafür einzutreten, dass es in Zukunft nach Möglichkeit nur mehr zu geordneter Zuwanderung kommt. Zur Anarchie offener Grenzen und zu der damit verbundenen Einladung an Schlepperbanden sehnt sich niemand zurück.

Gibt es vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten drei Jahre die Chance auf weniger Parteilichkeit und mehr Realitätssinn in Sachen Flüchtlingspolitik? Gesamteuropäische Vorgangsweisen werden jedenfalls unabdingbar sein. Ein Rückzug auf das gescheiterte Dublin-Abkommen, das Grenzländer zu den Fluchtgebieten im Stich lässt, wird so wenig ausreichen wie eine Flüchtlingsaufnahme nach dem jeweiligen innenpolitischen Gusto der Mitgliedsländer.

Die zu Recht geforderten Programme für wirksame Hilfen vor Ort jedoch, mit denen die Fluchtgründe bekämpft werden sollen, setzen mehr Gemeinsamkeit in der europäischen Außenpolitik voraus. Im Rahmen des EU-Vorsitzes steht Österreich in der Verantwortung, erste Schritte in die richtige Richtung zu ermöglichen.

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