6755711-1967_44_16.jpg
Digital In Arbeit

Statt Sozialenzyklika soziale Botschaften

Werbung
Werbung
Werbung

Hinsichtlich des Gebrauches der Güter sagt Papst Pius XI., er könne dann nicht als dem Sittengesetz entsprechend bezeichnet werden, wenn er nicht dem Gemeinwohl ein-und untergeordnet ist.

Papst Pius XII. hat keine Sozialenzyklika erlassen, aber viele soziale Botschaften. In der Botschaft, die er am 14. September 1952 an den österreichischen Katholikentag in Wien richtete, sagt er, die Kirche schaue heute zurück auf die erste Epoche der neuzeitlichen sozialen Auseinandersetzung, in deren Mittelpunkt die Arbeiterfrage stand. Jetzt stehe man in der zweiten Epoche der sozialen Auseinander-

setzungen, an deren obersten Stelle andere Fragen und Aufgaben stehen. Zwei von ihnen nannte der Papst. Als erste Aufgabe bezeichnet er die Uberwindung des Klassenkampfes und als zweite Aufgabe „den Schutz des einzelnen und der Familie vor dem Sog, der sie in eine allumfassende Sozialisierung hineinzuziehen droht“. Er fuhr fort: „Die Kirche wird diesen Kampf bis zum Äußersten führen, geht es hier doch um letzte Dinge, um die Menschenwürde und das Seelenheil. Deshalb setzt die katholische Soziallehre sich neben anderem so bewußt ein für das Recht des Einzelmenschen auf Eigentum. Hier“ — sagte der Papst — „liegen auch die tieferen Gründe, weshalb die Päpste der sozialen Enzykliken und Wir selbst es verneint haben, aus der Natur des Arbeitsvertrages das Miteigentumsrecht des Arbeiters am Betriebskapital und daraus folgend sein Mitbestimmungsrecht, sei es direkt, sei es indirekt, abzuleiten. Es mußte verneint werden, weil dahinter jenes größere Problem sich auf tut: das Recht des einzelnen und der Familie auf Eigentum ist ein unmittelbarer

Ausfluß des Personseins, das Recht der persönlichen Würde, freilich ein mit sozialen Verpflichtungen behaftetes Recht. Es ist aber nicht lediglich eine Sozialfunktion.“

Der Papst fügte hinzu: „Es drängt Uns, Euch und alle Katholiken von neuem zu mahnen, sie mögen von den ersten Anfängen der neuen Auseinandersetzung an die klar gezeichnete Linie der katholischen Soziallehre einhalten, ohne weder nach rechts noch nach links abzuweichen. Ein Abweichen von jener Linie, auch nur um wenige Grade, möchte zu Beginn vielleicht belanglos erscheinen. Auf weite Sicht gemessen würde es gefährlich vom rechten Wege abführen und schwere Folgen nach sich ziehen.“

... zu Johannes XXIII.

Die dritte soziale Enzyklika hat Papst Johannes XXIII. genau 70 Jahre nach „Rerum Novarum“ mit den Anfangsworten „Mater et Magistra“ erlassen. „Auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung“, heißt es hier, „sind nun Zweifel darüber entstanden, ob ein von Unseren Vorgängern mit Nachdruck vorgetragener und verfochtener gesellschaftswirtschaftlicher Grundsatz unter den gegenwärtigen Umständen seine Geltung verloren habe oder weniger bedeutsam geworden sei; der Grundsatz nämlich, daß dem Menschen auf Grund seiner Natur das Recht zukommt, Privateigentum — und zwar auch an Produktionsmitteln — zu haben. Ein solcher Zweifel ist völlig unbegründet, denn das Recht auf Privateigentum, auch an Produktionsmitteln, gilt für jede Zeit.“ Die Enzyklika verweist dann auf eine Botschaft Papst Pius' XII., der sagte, „wenn also die Kirche den Grundsatz des Privateigentums verteidigt, so verfolgt sie dabei ein hohes, ethisch-soziales Ziel. Sie beabsichtigt keineswegs, den gegenwärtigen Stand der Dinge einfach hinzunehmen und ohne Abspräche zu befürworten, als ob sie darin etwa den Ausdruck des göttlichen Willens sehe, noch grundsätzlich den Reichen und Plutokraten gegenüber dem Armen und Habenichts zu schützen..., worauf die Kirche vielmehr abzielt, das ist, die Einrichtung des Privateigentums zu dem zu machen, was sie nach den Plänen der göttlichen Weisheit und den Anordnungen der Natur sein soll.“ Die Pflicht, vom Überfluß den Bedürftigen abzugeben, wiederholt Papst Johannes XXIII. wie seine Vorgänger.

Dies ist die Lehre der katholischen Kirche hinsichtlich des Eigentums und seines Gebrauches, wie sie sich aus den drei Sozialenzykliken und den sozialen Botschaften Papst Pius' XII. ergibt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat an dieser Lehre nichts geändert (Pastoralkonstitution: Die Kirche in der Welt von heute, Artikel 67 bis 71). Das Recht auf Eigentum ist unbestritten. Eine Enteignung, lehrt das Konzil, kann nur gegen billige Entschädigung erfolgen.

Änderung durch „Popnlorum Progressio“?

Es ist nun zu klären, ob sich in dieser Lehre auf Grund der Enzyklika „Populorum Progressio“ eine Änderung ergeben hat. Die Enzyklika behandelt im ersten Teil im Punkt 3 unter Ziffer 22, 23 und 24 das Eigentum und seinen Gebrauch. Sie beruft sich zunächst auf die Pastorale Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (gaudium et spes, Nr. 69), die sagt: „Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt: darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand geht mit ihr die Liebe.“ Die Enzyklika fährt dann fort: „Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien Handels, sind ihm untergeordnet. Sie alle sind auf ihre. ursprüngliche Sinnrichtung auszuordnen.“ Das entspricht der katholischen Naturrechtslehre und den vorausgegangenen sozialen Botschaften der Päpste. Die Gerechtigkeit, die zu fuhren hat, fordert das Eigentums-

recht, die Liebe, das ist die christliche Tugend, den rechten Gebrauch der Güter. Die naturhaft ursprüngliche Widmung der Güter zum Nutzen aller bleibt bestehen, selbst wenn sie rechtmäßiges Eigentum des einzelnen geworden sind. Nur deshalb sind Enteignungen, wenn es das allgemeine Wohl erfordert, zulässig. Die Enzyklika Papst Pauls VI. wiederholt damit die bisherige Lehre der Kirche über das Eigentumsrecht.

Uber den Gebrauch der Güter sagt die Enzyklika einleitend: „Wir wissen, mit welchem Nachdruck die Kirchenväter ' die Verpflichtungen darlegen jener Menschen, die Überfluß haben, gegenüber jenen, die sich in Notlage befinden.“ Die Enzyklika zitiert hierzu Ambrosius. Nach der vorliegenden, nicht ganz zutreffenden deutschen Ubersetzung lautet das Zitat: „Es ist nicht-Dein Gut, mit dem Du Dich gegen den Armen großzügig erweist. Du gibst ihm nur zurück, was ihm gehört, denn Du hast Dir nur herausgenom-

men, was zu gemeinsamer Nutzung gegeben ist. Die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen.“ Daraus folgert die Enzyklika: „Das Privateigentum ist also für niemanden ein unbedingtes und unumschränktes Recht. Niemand kann guten Grundes seinen Uberfluß ausschließlich für sich gebrauchen, wo anderen das Notwendigste fehlt: Mit einem Worte, das Eigentumsrecht darf nach der herkömmlichen Lehre der Kirchenväter und der großen Theologen niemals zum Schaden des Gemeinwohls genutzt werden.“ Das Zitat ist einer Predigt entnommen, die Ambrosius wenige Jahre vor seinem Tode gehalten hat. In dieser Predigt spricht Ambrosius vom richtigen Gebrauch des Eigentums. Den Satz: „Nicht von Deinem schenkst Du dem Armen, sondern Du erstattest, was ihm gehört“ begründet er mit dem von allen Moralisten anerkannten Axiom, daß die Erde von Gott ursprünglich allen Menschen zum Gebrauch übergeben wurde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung