Werbung
Werbung
Werbung

Vom Ende des Modells Steiermark.

Die Annahme, Österreich habe in der Causa Türkei nur so hoch gepokert, um der angeschlagenen steirischen vp im Finale des Wahlkampfs zu helfen, ist ziemlich platt. Dass in der Gemengelage dieser landespolitischen Schlammschlacht hinhaltender Widerstand auf eu-Ebene sonderlich honoriert würde, war nicht wirklich zu vermuten. Und Wolfgang Schüsssel eine solch simple und wenig Erfolg versprechende Strategie zu unterstellen, hieße den Kanzler grob zu unterschätzen.

Die Wahrheit ist: Waltraud Klasnic und ihrem Team war schlicht nicht mehr zu helfen. Die verbliebene Resthoffnung der vp konnte sich nur auf die Leichtgewichtigkeit des sp-Herausforderers gründen und darauf, dass die Wähler und Wählerinnen primär nach rationalen Kriterien ihre Entscheidung treffen würden. Denn das Land ist grosso modo wirtschaftlich und auch geistig-kulturell gut aufgestellt. "Die nackten Fakten sprechen für Klasnic", hatte Gerfried Sperl in einem News-Gastkommentar vor der Wahl notiert, um es in seinem Standard-Leitartikel am Tag danach nochmals zu bekräftigen.

Aber schließlich gaben nicht die harten Fakten sondern die "weichen Faktoren" den Ausschlag - all die hinlänglich beschriebenen Ereignisse der letzten Jahre, die sich zu dem gefügt haben, was man ein "Sittenbild" nennen könnte.

Diese "Sitten", der "steirische Brauch" sind freilich nicht erst unter Waltraud Klasnic entstanden. Sie reichen zumindest bis in die letzten Jahre der Ära Josef Krainer sen. ( 1971) zurück - und haben viel mit dem zu tun, was unter den Schlagworten "Modell Steiermark", "steirisches Klima" u. ä. zu Recht für Aufsehen und positive Resonanz sorgte. Die entprovinzialisierte Neudefinition von Begriffen wie "Tradition" oder "Heimat" in Verbindung mit Weltläufigkeit und Liberalität verschaffte der vp über Jahrzehnte zusätzlich zur quantitativen Dominanz bei Wahlen auch die qualitative Lufthoheit über den Intellektuellenzirkeln des Landes.

Das Modell Steiermark funktionierte prächtig, solange prägnante Persönlichkeiten an der Spitze standen und weitgehend stabile politische Rahmenbedingungen gegeben waren. Mit dem Abgang von Josef Krainer jun. von der politischen Bühne im Jahr 1995 - dessen letzte Amtsjahre freilich schon Anzeichen der Systemerstarrung ererkennen ließen - und vor dem Hintergrund zunehmender Auflösung politischer Milieus und überkommener Wählerbindungen geriet das Modell indes zwangsläufig in die Krise.

Waltraud Klasnic, bekanntlich nicht Krainers Wunschnachfolgerin, übernahm wohl tapfer das Erbe. Vernünftigerweise versuchte sie erst gar nicht, in die bereit stehenden großen Schuhe zu schlüpfen, sondern wählte stattdessen eigenes, zu ihr passendes Schuhwerk aus, mit dem sie sich trittsicher ihr Land erwanderte. Das bewährte sich angesichts von Not und Leid, ließ aber auch genügend Raum für politische Feuerköpfe wie Herbert Paierl oder Gerhard Hirschmann, solange die an einem Strang zogen. Ihrer Trittsicherheit verlustig ging die Landeshauptfrau jedoch, als die durch lange Erfolge zugedeckten Bruchlinien innerhalb der Partei aufbrachen, als Intrigen und Machtkämpfe das gepflegte Bild der einigen Parteifamilie drastisch konterkarierten. Kurz: Die Politik des "Miteinander" taugte für "Lassing" - "estag" und "Herberstein" war sie nicht gewachsen. Zum Schluss konnte Klasnic nur noch hilflos zusehen, wie die Partei auf eine Niederlage zusteuerte.

Nun ist der Letzte der alten Garde, des einst funkelnden Landesräte-Dreigestirns (mit Paierl und Hirschmann), an der Reihe: Hermann Schützenhöfer, eine Art steirischer Norbert Blüm oder Heiner Geißler. Ob er den Geist früherer Jahre aus der Position des Zweiten heraus wiederbeleben und für die gegenwärtige Zeit neu buchstabieren kann, bleibt ebenso abzuwarten, wie welche Furchen Franz Voves durch die steirische Landschaft ziehen wird. Bis auf weiteres ist Styrian Spirit nicht mehr als eine Regionalfluglinie.

Wolfgang Schüssel mag sich indes mit dem Teilerfolg der Ursula Plassnik in Luxemburg über die "bittere Niederlage" der Waltraud Klasnic in Graz trösten.

rudolf.mitloehner@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung