Teile, herrsche und morde

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Die syrischen Geheimdienste sind ein Staat im Staat. Nun scheint auch der syrische Präsident Assad in ihre Fänge geraten zu sein, schreibt die FAZ.

Fast drei Jahrzehnte nachdem die syrische Armee die Innenstadt von Hama dem Erdboden gleichgemacht hat, sind ihre Panzer in Daraa eingerückt. Damals, im Februar 1982, schlug das Regime von Hafiz al Assad einen Aufstand der Muslimbruderschaft nieder. Heute will das Regime von dessen Sohn Baschar al Assad ein Exempel statuieren, damit die unideologische Protestbewegung der aufbegehrenden Jugend im Keim erstickt wird.

Ein als "streng geheim“ klassifiziertes Dokument aus dem Geheimdienst "Direktion für allgemeine Sicherheit“ hat die Strategie vorgegeben, wie die drei Träger des Regimes die Proteste niederschlagen sollen. Veröffentlicht hat das Dokument der in Washington lebende Dissident Ridwan Ziyadeh. Es stammt vom 23. März dieses Jahres, gilt als authentisch. Man müsse, heißt es in der Einleitung, von den eigenen Erfahrungen lernen, sowie aus den Fehlern der gestürzten Machthaber in Tunesien und Ägypten. Diese hätten zugelassen, dass ihre Bürger die Macht der Streitkräfte neutralisiert hätten und dass die Medien über alles hätten berichten können. Damit es in Syrien so weit nicht komme, sollten mehrere Dutzend praktische Vorschläge umgesetzt werden: Der Präsident solle einige wohlmeinende Reden mit wirtschaftlichen Versprechungen halten, der Staat und die Geheimdienste sollten die Berichterstattung über die Proteste manipulieren und bei der Niederschlagung dürfe es an einem Ort nie mehr als zwanzig tote Demonstranten geben. Mehr würden zu einer Einmischung des Auslands einladen.

Vier konkurrierende Geheimdienste

Die "Direktion für allgemeine Sicherheit“, welche das Dokument vom 23. März verfasste, hat den Auftrag, die Bevölkerung, die Baath-Partei, die Bürokratie, die Polizei und die Küstenwache zu überwachen; nicht zuletzt ist sie auch für die Kontrolle und Steuerung der palästinensischen Gruppen zuständig. Ihr Chef, General Ali Mamluk, hat offenbar den Text aufgesetzt. Gefürchteter ist indes die "Direktion für politische Sicherheit“, die politischen Dissens schon in seiner Entstehung erkennen und zerstören soll. Dazu kontrolliert die Direktion die Medien und unterhält Haftanstalten für politische Gefangene.

Nichtkonventionelle Kriegsführung

Allgemein in ihrer Bedeutung unterschätzt wird die "Direktion für den Geheimdienst der Luftwaffe“. Dabei ist sie für weit mehr zuständig als nur für die Aufklärung in der Luft. Hafiz al Assad war vor seiner Machtergreifung 1970 Chef der syrischen Luftwaffe und vertraute daher deren Geheimdienst. Bei der Niederschlagung des Aufstands in Hama 1982 spielte sie eine bedeutende Rolle, auch Terroranschläge im Ausland werden ihr zur Last gelegt.

Am meisten gefürchtet ist jedoch der militärische Geheimdienst, wo auf Assef Schaukat, den Schwager Assads, der in den Generalstab der Truppe wechselte, General Abdallatif Qudsiyah folgte.

Neben den Aufgaben eines klassischen militärischen Geheimdienstes ist dieser "Muchabarat“ auch für die nichtkonventionelle Kriegsführung zuständig. Er ist traditionell eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente des Regimes, indem er Dissidenten beschattet, radikale Gruppen im Ausland unterstützt und die Interessen Syriens im Libanon formuliert.

Mit der Niederschlagung der Proteste haben sich im Umfeld von Präsident Baschar al Assad Hardliner, wie sein Bruder Maher al Assad und sein Schwager Assef Schaukat, durchgesetzt. Die Allmacht der Geheimdienste und die Gewalt der Feuerkraft der in Daraa einrückenden Panzer können ihr Festklammern an der Macht nur verlängern, nicht aber festschreiben.

* Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. April 2011

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