Tja, dort muss es schrecklich sein ...

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Madeleine Petrovic, stv. Bundessprecherin der Grünen, hat einen zornigen offenen Brief zum Thema Fremdenrecht an die rot-schwarzen Koalitionsverhandler geschrieben.

Bis dass der Tod euch scheidet: so lange sollen katholische Ehepaare beisammen bleiben. So verlangt es die Kirche, der viele Politikerinnen und Politiker im Lande angehören, bei der ÖVP fast alle.

Dennoch hat die ÖVP gemeinsam mit dem Koalitionspartner BZÖ und der Neo-Verhandlungspartnerin SPÖ ein Fremdenrechtspaket verabschiedet, das immer öfter dazu führt, dass Ehepaare gewaltsam getrennt werden.

Es gibt sogar Fälle, in denen Frauen in Länder abgeschoben werden, in denen die Genitalverstümmelung praktiziert wird. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und hierzulande kann dann die Regierung Broschüren über die grauenhafte Frauen-Beschneidungs-Tortur in einigen islamischen Staaten verbreiten. Tja, dort muss es schrecklich sein ...

"Ich war fremd ..."

Hinter vorgehaltener Hand heißt es dann zwar in einigen Fällen, dass die soeben Deportierten vielleicht wieder kommen dürfen. Aber zuerst einmal: ab nach Nigeria oder sonst wohin, weit weg. Vielleicht später, unter Umständen, wenn das Gesetz nicht noch einmal "überarbeitet" wird. Ob Menschen das aushalten, ob eine Ehe das aushält - das fällt nicht in die österreichische Kompetenz.

Die gewaltsame Ehe-Trennung vor dem Tod ist aber nur die Spitze des Eisbergs an Grausamkeiten, Schikanen und Demütigungen, denen Fremde unterworfen sind. "Ich war fremd und Du hast mich aufgenommen" - das steht in irgendeinem total überholten Buch. Das gilt nicht mehr als moralische Leitlinie.

Ich kenne viele Migrantinnen und Migranten, die meisten ebenso fleißig, tüchtig und redlich sind wie diejenigen, die schon auf einige Generationen Österreichertum verweisen können. Für fast alle hat sich die Lebenssituation dramatisch verschlechtert.

In einem öffentlichen Klima, in dem sinkende Zahlen an Einbürgerungen, Arbeits-, Aufenthalts-oder Asylanträgen als Erfolge der Regierung verkündet werden, spürt jede und jeder einzelne nur zu gut: die wollen mich nicht; die glauben, dass sie ganz anders sind als ich, besser.

30 Prozent Unerwünschte

In einem öffentlichen Raum, in dem plumpe Spottreime über den Islam und ehrgeizige Deportationsversprechen ohne Aufschrei der christlichen ÖVP plakatiert werden können, da ist das österreichische Nachkriegsfundament schon untergraben. Wie, geschätzte Verhandlerinnen und Verhandler, glauben Sie, dass sich Kinder fühlen, die unsere Bundeshymne lernen und wissen, dass ihre Mama oder ihr Papa verspottet wird und zu den 30 Prozent der Unerwünschten gehört.

Haben Sie deshalb die Familienquoten noch immer nicht ersatzlos gestrichen, damit wenigstens nicht so viele Kinder mit so viel Grausamkeit konfrontiert werden? Wer gar nicht zu den eigenen Eltern darf, muss auch nicht abgeschoben werden. Sehr praktisch, wenn auch nicht sehr weit blickend angesichts der Alterspyramide im Lande.

Sogar für Saisonniers, ohnehin ausgebeutet und mit Duldung der Gewerkschafter in den Regierungsparteien um ihre Rechte geprellt, gibt's neue Schikanen: zusätzliche Bescheinigungen neben allen anderen zig Zetteln, die sie immer, immer wieder brauchen, zwingende Abmeldung im Inland, damit sie nur ja nie unter EU-rechtliche Gleichstellungsnormen fallen, und Reduktion der Zahlen, ganz so wie auf den hässlichen Plakaten verlangt.

Als I-Tüpferl noch besondere Akzente der Schikane für Eheleute, die nicht gleich abgeschoben werden: neuer Name, neuer Mensch, und der ganze Zirkus beginnt von vorne - Neuantrag, Neuablehnung usw. usf. Die permanente Fahndung nach Scheinehe-Verbrechern wird mit großer Akribie zelebriert, beschäftigt zahllose Beamte. Hier wird nicht gespart mit Personalressourcen, denn alle "Mischehen" werden gecheckt, auch wenn beide Teile seit Ewigkeiten im Lande sind.

Unter den Betroffenen herrscht Angst und Niedergeschlagenheit. Das ist nicht gut für das ganze Land. Politisch nützt es nur dem rechten Rand. Kurzfristig schadet diese Erniedrigungs-Politik den Migranten und ihren Familien. Aber bald schon werden wir alle, wird Österreich leidvoll erfahren, wie kurzsichtig und verblendet das Fremdenrechtspaket ist. Bald schon werden tüchtige Migranten rar sein, und gerade die Besten registrieren sehr genau das schlimme Klima, das ohne Not verursacht wurde. Die Probleme in der Pflege werden bald schon nur die Spitze eines Eisbergs sein.

Die Autorin ist stv. Bundessprecherin der Grünen und Klubobfrau der NÖ Grünen.

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